Die größte aller Blasen
Von Bernd Niquet
Wir gehen jetzt also alle zugrunde. Nichts funktioniert mehr in diesem Staate, hört man von überall her. Und dass wir vor der Verarmung stünden. Ob wohl bald schon der Hunger regier? Ich habe ein interessantes Selbstexperiment vorzuschlagen: Gehen Sie einmal völlig nüchtern und mit dem festen Vorsatz, an diesem Tag weder zu essen noch zu trinken, auf eine öffentliche Veranstaltung, vielleicht auf ein Open-Air-Konzert oder ein Volksfest.
Was ihnen dort passiert, wird sein: Es drängen sich ihnen ein paar Naturgesetze auf, nach denen unser gesamtes Leben zu funktionieren scheint. Eines dieser Naturgesetze ist: Das menschliche Dasein strebt danach, so viel wie möglich ins sich oder in andere hineinzustecken beziehungsweise in sich selbst hinein gestopft zu bekommen. Dies ist die Gravitation, die unser Leben bestimmt. Die liberalisierte Marktwirtschaft hat mittlerweile alle Reibungswiderstände abgebaut, so dass die Gravitation jetzt zur vollen Wirkung kommt.
Daraus ergibt sich eine faktische Schichtung des Lebens: So lange es etwas zu essen und zu trinken gibt, tritt alles andere in den Hintergrund. Wo früher gelauscht und geschnuppert wurde, da wird heute brutal gestopft und geschüttet. Und das hat ja auch seine Folgerichtigkeit in der heutigen Zeit, schließlich muss doch immer und überall alles in guten Zahlen ausgedrückt werden können. Was anderes ist denn unsere Dienstleistungsgesellschaft? Jeder muss den anderen etwas verkaufen, was diese in sich (und ersatzweise in deren Besitztümer wie Haus, Auto oder Partner) hineinstecken können. Und was sich zählen, messen, wiegen und in Zahlen quantifizieren lässt. Alles andere hat keine Bedeutung mehr.
Auf den Punkt gebracht: Wenn jeder Mensch autonom und vernünftig leben würde, dann bräche unsere gesamte Wirtschaft in sich zusammen. Deswegen sollten wir uns auch nur auf das Beobachten konzentrieren und nicht zu viel herummäkeln und kritisieren. Denn das wäre wirklich das Schlimmste, wenn alles zusammenbrechen würde. Eine Überflussgesellschaft kann nur von Unvernunft leben, also frönen wir dem Überfluss!
Die wirkliche Blase unseres Wirtschaftssystems ist also eine riesige Fettblase. Und wir alle tragen sie mitten im Gesicht, am Bauch und auf den Oberschenkeln. Doch diese Fettblase ist kein Menetekel. Sie weist nicht auf Risiko und Gefahr, wie das bei anderen Blasen – zum Beispiel am Aktienmarkt – der Fall ist. Nein, sie weist vielmehr auf die exzellente Funktion des Systems. Wir alle stopfen wesentlich mehr in uns hinein als wir vertragen können. Und das ist auch gut so. Würden wir Schluss machen, wo es die außerwirtschaftliche Vernunft fordert, dann wäre das Ende längst da.
Die völlige Freisetzung des Konkurrenzmechanismus durch die Liberalisierung aller Märkte treibt uns immer weiter an. Wer erfolgreicher sein will als die anderen, der muss weiter, schneller und tiefer stopfen als diese. Die Wirtschaft kann nur wachsen, wenn in uns alle immer mehr hinein geht. So ist das – alles läuft nach einer erstaunlichen naturgesetzlichen Zwangsläufigkeit ab. Deswegen hilft auch kein Wahlprogramm keiner Partei, weder eines dafür noch eines dagegen. Wir haben keine Alternative. Außer das Platzen.
Anregungen oder Kritik bitte an Bernd Niquet.
Von Bernd Niquet
Wir gehen jetzt also alle zugrunde. Nichts funktioniert mehr in diesem Staate, hört man von überall her. Und dass wir vor der Verarmung stünden. Ob wohl bald schon der Hunger regier? Ich habe ein interessantes Selbstexperiment vorzuschlagen: Gehen Sie einmal völlig nüchtern und mit dem festen Vorsatz, an diesem Tag weder zu essen noch zu trinken, auf eine öffentliche Veranstaltung, vielleicht auf ein Open-Air-Konzert oder ein Volksfest.
Was ihnen dort passiert, wird sein: Es drängen sich ihnen ein paar Naturgesetze auf, nach denen unser gesamtes Leben zu funktionieren scheint. Eines dieser Naturgesetze ist: Das menschliche Dasein strebt danach, so viel wie möglich ins sich oder in andere hineinzustecken beziehungsweise in sich selbst hinein gestopft zu bekommen. Dies ist die Gravitation, die unser Leben bestimmt. Die liberalisierte Marktwirtschaft hat mittlerweile alle Reibungswiderstände abgebaut, so dass die Gravitation jetzt zur vollen Wirkung kommt.
Daraus ergibt sich eine faktische Schichtung des Lebens: So lange es etwas zu essen und zu trinken gibt, tritt alles andere in den Hintergrund. Wo früher gelauscht und geschnuppert wurde, da wird heute brutal gestopft und geschüttet. Und das hat ja auch seine Folgerichtigkeit in der heutigen Zeit, schließlich muss doch immer und überall alles in guten Zahlen ausgedrückt werden können. Was anderes ist denn unsere Dienstleistungsgesellschaft? Jeder muss den anderen etwas verkaufen, was diese in sich (und ersatzweise in deren Besitztümer wie Haus, Auto oder Partner) hineinstecken können. Und was sich zählen, messen, wiegen und in Zahlen quantifizieren lässt. Alles andere hat keine Bedeutung mehr.
Auf den Punkt gebracht: Wenn jeder Mensch autonom und vernünftig leben würde, dann bräche unsere gesamte Wirtschaft in sich zusammen. Deswegen sollten wir uns auch nur auf das Beobachten konzentrieren und nicht zu viel herummäkeln und kritisieren. Denn das wäre wirklich das Schlimmste, wenn alles zusammenbrechen würde. Eine Überflussgesellschaft kann nur von Unvernunft leben, also frönen wir dem Überfluss!
Die wirkliche Blase unseres Wirtschaftssystems ist also eine riesige Fettblase. Und wir alle tragen sie mitten im Gesicht, am Bauch und auf den Oberschenkeln. Doch diese Fettblase ist kein Menetekel. Sie weist nicht auf Risiko und Gefahr, wie das bei anderen Blasen – zum Beispiel am Aktienmarkt – der Fall ist. Nein, sie weist vielmehr auf die exzellente Funktion des Systems. Wir alle stopfen wesentlich mehr in uns hinein als wir vertragen können. Und das ist auch gut so. Würden wir Schluss machen, wo es die außerwirtschaftliche Vernunft fordert, dann wäre das Ende längst da.
Die völlige Freisetzung des Konkurrenzmechanismus durch die Liberalisierung aller Märkte treibt uns immer weiter an. Wer erfolgreicher sein will als die anderen, der muss weiter, schneller und tiefer stopfen als diese. Die Wirtschaft kann nur wachsen, wenn in uns alle immer mehr hinein geht. So ist das – alles läuft nach einer erstaunlichen naturgesetzlichen Zwangsläufigkeit ab. Deswegen hilft auch kein Wahlprogramm keiner Partei, weder eines dafür noch eines dagegen. Wir haben keine Alternative. Außer das Platzen.
Anregungen oder Kritik bitte an Bernd Niquet.