Verschwenden oder horten, geheim oder kontrollierbar
Vom Umgang der Nationen mit ihrem Einkommen aus dem Ölreichtum / Ein Vergleich der Fonds in Norwegen, Alaska, Kuweit und Alberta
vL. STOCKHOLM, 6. Oktober. Öl bringt selten Glück: Der Satz scheint auf viele der ölreichen Nationen zuzutreffen, von Nigeria über Angola bis zu Äquatorialguinea. Vor allem in afrikanischen Ländern gibt es weder staatliche Vorsorgesysteme noch Offenheit über die Verwendung der Öleinnahmen, was einer weitverbreiteten Korruption in Staat und Gesellschaft Vorschub geleistet hat. Einige Ölländer - darunter Norwegen, Abu Dhabi, Kuweit, Oman, die kanadische Provinz Alberta, Alaska, Venezuela - haben dagegen die jetzigen Erträge aus ihrem Ölreichtum zumindest teilweise langfristig angelegt. Ölfonds gehören neben einigen Pensionsfonds wie jenen in Singapur, Kalifornien und den Niederlanden zu den größten Anlagefonds der Erde.
Die Ölfonds beeinflussen den internationalen Kapitalmarkt, oft ohne daß das bekannt wird. Dabei unterscheiden sich die großen Fonds in der Anlagestrategie und in ihrer Politik der Offenheit: Über Abu Dhabi und Kuweit, die die größten Fonds unterhalten, ist wenig bekannt, während Norwegen und Alaska auf Offenheit setzen. Einige Staaten haben Einkünfte aus anderen Bodenressourcen mit wechselndem Erfolg in Fonds angelegt, etwa Chile (Kupfer) und Nauru (Phosphat). Die relative Bedeutung für die jeweilige Bevölkerung unterscheidet sich stark. Der Geschäftsführer des Norwegischen Ölfonds, Knut Kjær, zieht einen plastischen Vergleich: In Abu Dhabi erlaubte der Fonds vermutlich der gesamten Bevölkerung, in Pension zu gehen; hingegen könnten sich Norweger nur für ein halbes Jahr an die Costa del Sol zurückziehen. In beiden Ländern hat das Fondsvermögen eine ähnliche Größenordnung, in Abu Dhabi wird es auf mehr als einhundert Milliarden Dollar geschätzt.
Ein weiterer grundlegender Unterschied zwischen den Ressourcenfonds ist die Auswirkung, die sie jeweils auf die nationalen Volkswirtschaften haben. Einige Fonds schirmen Einkünfte und Preisschwankungen bei Öl oder Kupfer fast vollständig von dem nationalen Haushalt und von den Einflußmöglichkeiten der Regierung ab: Ein Beispiel dafür ist neben Norwegen auch Chile, das die Einkünfte behandelte, als wären sie Devisenreserven, und den 1985 errichteten Kupfer-Stabilisierungsfonds dazu nutzte, zunächst Staatsschulden abzubauen und dann den nationalen Benzinpreis zu subventionieren. Norwegen und Chile legten ihr Fondsvermögen im Ausland an. Das trug dazu bei, in Zeiten steigender Preise für Öl und Kupfer einer Aufwertung der heimischen Währung entgegenzuwirken.
Große Unterschiede gibt es auch beim Erfolg der jeweiligen Anlagestrategien. Verheerende Fehler gab es in Nauru, Rückschläge in Kuweit. In den Siebzigern hatte Nauru dank seines Phosphatabbaus eines der höchsten Pro-Kopf-Einkommen der Erde, höher als in Kuweit. Die Auslandsinvestitionen in Immobilien in Australien, in eine nationale Fluggesellschaft oder auch in ein mißglücktes Musical in London brachten Nauru fast den Konkurs. Anders als Norwegen und Alaska nutzte Nauru bei seinen sieben Fonds, deren Wert innerhalb weniger Jahre auf ein Fünftel schrumpfte, nicht professionelle Berater. Auch in Venezuela und Oman - so eine vergleichende Studie von Ugo Fasano für den Internationalen Währungsfonds - waren die Erfahrungen mit dem Fonds weniger erfolgreich, weil deren Regeln öfters geändert oder nicht eingehalten wurden. Venezuela weitete schon ein Jahr nach der Fondsgründung 1998 die Möglichkeit des Präsidenten aus, dessen Gelder einzusetzen. Oman ist neben Kuweit das einzige Land am Golf mit einem Ölfonds seit 1980 und festgelegten Regeln; anfangs finanzierte er Investitionen in der Ölindustrie, dann federte er Haushaltsdefizite ab.
Einen starken Rückschlag mit seinem Fonds erlebte Kuweit, das ohne die Invasion durch den Irak 1990 heute vermutlich den größten Fonds zu verwalten hätte. Sein Wert wird derzeit auf 55 Milliarden Euro geschätzt, auf seinem Höhepunkt waren es 120 Milliarden Euro. Der vom Kuwait Investment Office (KIO) in London verwaltete Fonds, der keinerlei Auskünfte gibt, sollte der Bevölkerung als Pensionsfonds dienen und nicht vor dem Jahr 2001 angerührt werden. Nach der Zerstörung der Infrastruktur durch die Truppen Saddam Husseins aber mußte ein Großteil des Anlagevermögens eingesetzt werden, um diese wiederaufzubauen. Jetzt bringt der Fonds wieder gut ein Drittel der Staatseinkünfte.
Zunächst investierte Kuweit nur in Obligationen der britischen Kolonialherren, ab 1965 auch in anderen europäischen Ländern und in Australien. Der starke Aufschwung begann nach der ersten Ölkrise 1973 mit dem steigenden Ölpreis. Das ermutigte die Vermögensverwalter zu wachsenden Risiken nach anfangs konservativer Anlagepolitik. Kuweit wurde zum zeitweise größten ausländischen Anleger in Japan und erwarb hohe Immobilienbeteiligungen in Großbritannien (St. Martins Holding Company) und den Vereinigten Staaten (Foster Lane).
Zeitweise war der Kuweit-Fonds Großaktionär bei Daimler-Benz, Hoechst, Metallgesellschaft und BP: Das Land verfolgte damit eine Anlagestrategie, die sich mit ihrer aktiven Steuerung grundlegend von der Strategie Norwegens unterscheidet, das für Anteile an jeder Beteiligungsgesellschaft eine Drei-Prozent-Obergrenze setzt. 1990 kam der Umschwung: Der Irak griff Kuweit an und zerstörte die Ölanlagen, die über längere Zeit keine Einnahmen mehr brachten. Fast zeitgleich erwarb Kuweit eine spanische Gesellschaft, die zwei Jahre später den größten Konkursskandal Spaniens verursachte. Der Fonds mußte drei Fünftel seiner Auslandsanlagen verkaufen, um die Staatsfinanzen nach der Invasion zu sanieren. Seitdem paßte sich Kuweit der norwegischen Strategie der Streuung und Begrenzung an: KIO darf nicht mehr als ein Prozent eines Unternehmens erwerben (was offenbar nicht für Altbesitz gilt: An mg Technologies in Frankfurt hält das KIO 7,9 Prozent). Die Engagements werden meist versteckt über Banken und Investmentfonds gehalten, in einem Land dürfen sie höchstens 20 Prozent betragen.
Atypisch sind die beiden nordamerikanischen Ölfonds, die in ihrer Größe freilich noch nicht mit denen Norwegens, Abu Dhabis und Kuweits konkurrieren können: Sie werden von Provinzregierungen getragen, nicht vom Zentralstaat. Alaska zahlt seit 1976 mindestens ein Viertel der Öleinkommen (durch Sondersteuern sind es effektiv indes nur 10 bis 15 Prozent) in einen Fonds, der wie in Norwegen vor allem künftigen Generationen dienen soll. Anfangs ungeschriebene Anlageregeln wurden im September 2002 in einem Handbuch niedergelegt. Der Fondswert - derzeit 25 Milliarden Dollar - kann täglich auf der Website der Alaska Permanent Fund Corporation (www.apfc.org) kontrolliert werden. Angelegt wird er zu etwa drei Vierteln in amerikanischen Aktien, Staatsanleihen und Immobilien. Bei der Verwendung seiner Einkünfte - nicht aber des beständig erhöhten Kapitals - ist Alaska flexibler als andere Fonds. Gut zwei Fünftel wurden als Dividenden an Bewohner Alaskas verteilt, was deren Interesse an der Erhaltung des Fonds sichert. Er kann nur durch eine Verfassungsänderung aufgelöst werden. Eine umfangreiche Studie von Rögnvaldur Hannesson ("Investing for Sustainability", Boston 2001), die die Erfahrungen aus Norwegen, Nauru, Alaska und Alberta vergleicht, hält das Vorgehen in Alaska für erfolgreich.
Alberta, dank seiner Bodenressourcen die reichste kanadische Provinz, hat bis zu knapp ein Drittel seiner Öleinkünfte in den Alberta Heritage Savings Trust Fund einbezahlt - allerdings nur in den ersten elf Jahren nach der Gründung 1976, kurz nach der ersten Energiekrise mit der Vervierfachung der Ölpreise. Die Erträge des Fonds - für 2003 werden 426 Millionen Dollar erwartet - werden für Stipendien, Gesundheitswesen oder Steuererleichterungen genutzt. Anders als in Alaska oblag die Verwaltung nicht einer unabhängigen Institution, sondern dem Finanzministerium der Provinz; so wurde der Wert des Fonds, derzeit 7,3 Milliarden Euro, im Laufe der Jahre ausgehöhlt, zumal es kein "frisches Geld" mehr gab. Dazu kam, daß ein Teil des Vermögens in Staatsunternehmen mit mageren Erträgen angelegt wurde.
Der Norwegische Ölfonds (www.norges-bank.no) wurde 1990 vom Parlament gegründet, als Pensionskasse künftiger Generationen nach dem Ende der Öl- und Erdgasförderung vor der Küste. Einlagen begannen 1996: Mit einem Vermögen von etwa 100 Milliarden Euro ist er inzwischen einer der größten Anlagefonds der Erde. Er ist angesiedelt bei der norwegischen Zentralbank, aber abgeschirmt von dieser. Der Fonds verwaltet etwa 0,2 Prozent des gesamten Kapitalmarktes der Erde mit steigender Tendenz. Anders als bei anderen Ölfonds soll fast der gesamte Ölertrag des Staates in den Petroleumfonds fließen. Trotz des langfristigen Denkens fehlen bisher klare Festlegungen über dessen Ziel oder über langfristiges Wohlstandsmanagement. Soviel steht aber fest: Im nächsten Jahrzehnt werden die Pensionsausgaben in Norwegen stark steigen, die Öleinkünfte hingegen sinken. In spätestens 15 Jahren dürften die Einkünfte Norwegens aus dem Fonds höher sein als die Öl- und Gaserträge. Der politische Druck in Oslo, Fondsgelder für Sozialausgaben oder die Altersvorsorge einzusetzen, wächst beharrlich.
Während die politische Perspektive fehlt, ist die vom Finanzministerium vorgegebene Anlagestrategie des Fonds mit Renditevorgaben klar festgelegt und einsehbar. 50 bis 70 Prozent gehen in Anleihen. 30 bis 50 Prozent gehen in Aktien aus 27 Ländern Europas, Amerikas und Asiens. Der Norwegische Ölfonds hält jeweils etwa 0,3 Prozent der Anteile an 60 der größten deutschen Unternehmen-Versicherungen, Banken, Autokonzerne, Elektronik. Der nach dem niederländischen Pensionsfonds ABP zweitgrößte europäische Fonds will künftig ein aktiverer Teilhaber sein als bisher.
Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.10.2003, Nr. 232 / Seite 27
es grüßt
das Zentrum der Macht
wußtet Ihr schon, man kann jetzt bis zu