13.09.2001 - 00:00 "Ich glaube, dass eines Tages Wasserstoff und Sauerstoff, aus denen sich Wasser zusammensetzt, allein oder zusammen verwendet, eine unerschöpfliche Quelle von Wärme und Licht bilden werden." Dieser Traum des Science Fiction-Autors, Jules Verne aus dem Jahr 1874 scheint nun Wirklichkeit.
Dies zumindest vermitteln zahlreiche Technikberichte, Interviews und Politiker-Statements über Wasserstoffmotoren und die sogenannte Brennstoffzelle, die mittels Wassserstoff Strom erzeugt. Kaum ein Artikel, der nicht die Brennstoffzelle als die "sauberste" Methode verherrlicht, um die Energie- und Umweltprobleme der Welt zu losen. Vor allem der als Luftverschmutzer an den Umweltpranger gestellte Privat-Pkw soll dank der Wasserstofftechnologie künftig umweltfreundlich und "emissionsfrei" werden. Selbst Grüne Politiker sonnen sich deshalb inzwischen im glänzenden Schein von 226 Kilometer pro Stunde schnellen Wasserstoff-Autos der Marke BMW. Doch der Schein trügt.
Neben der noch nicht annährend geklärten Frage, wie die bei einer breiten Anwendung benötigten großen Wasserstoff-Mengen in absehbarer Zeit ökologisch unbedenklich hergestellt werden können, werden zwei entscheidende Probleme dieser Technologie verschwiegen: Erstens die Tatsache, daß das angeblich einzige "Abgas" der Wasserstofftechnologie, der Wasserdampf, genauso wie Kohlendioxid ein Treibhausgas ist und die Atmosphäre kräftig anheizt. Klimaforscher wissen längst, daß Wasserdampf tatsächlich sogar erheblich mehr Einfluß auf unser Klima hat als das zu recht gescholtene Kohlendioxid. Unmißverständlich stellte so auch das Forschungszentrum Jülich kürzlich fest: "Nicht Kohlendioxid ist, entgegen der weit verbreiteten Meinung, das Treibhausgas Nummer eins in unserer Atmosphäre, sondern Wasserdampf."
Bislang habe nach Meinung der Klimaforscher das Vorkommen von Wasserdampf in der Atmosphäre aber noch nicht direkt mit menschlichen Aktivitäten zu tun. Doch was ist, wenn eines Tages - wie von Automobilkonzernen und kurzsichtigen Umweltpolitikern angestrebt - weltweit jedes Fahrzeug mit Wasserstoff fährt und Wasserdampf in die Atmosphäre abgibt?
Die Wasserstoff-Auto-Lobby verschwendet darüber offensichtlich keinen Gedanken. Für sie scheint das Wasserdampf-Problem gar nicht zu existieren. So heißt es beispielsweise in der BMW-Broschüre 10 Thesen zur Energie: "Statt des Treibhausgases Kohlendioxid kommt aus dem Auspuff lediglich Wasserdampf... Wenn bei der Herstellung von Wasserstoff kein Kohlendioxid anfällt, ist Verkehr auf Basis von Wasserstoff vom Treibhauseffekt entkoppelt."
Kampf um den Rohstoff Platin?
Kurzfristig besorgniserregender als das noch nicht restlos aufgeklärte Treibhausgasproblem ist aber die gleichfalls verschwiegene Frage nach den in Brennstoffzellen eingesetzten seltenen Edelmetalle Platin, Rhodium und Palladium. Die Vorkommen dieser Metalle sind begrenzt. Dies gilt insbesondere für Platin. Selbst wenn die automobilisierte Menschheit auf Teufel komm raus wollte, könnte sie aufgrund der geringen Verfügbarkeit von Platin, die mehreren hundert Millionen Fahrzeuge weltweit niemals mit "umweltfreundlichen" Brennstoffzellen ausstatten. Zahlen des Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie zufolge würde die Weltjahresproduktion von Platin von insgesamt etwa 152 Tonnen (Stand 1996) nicht mal ausreichen, um allein die jährlich nur in Deutschland produzierten rund 5,3 Millionen Autos mit Brennstoffzellen zu versorgen. Die deutsche Automobilindustrie allein würde 265 Tonnen Platin jährlich schlucken - über 100 Tonnen Platin mehr als die bisherigen Abbaugebiete jährlich hergeben. Für die Automobilindustrie im restlichen Europa, in Japan, USA oder in Rußland, China und Südamerika bliebe folglich kein Krümelchen Platin übrig? Und auch die Schmuckindustrie und die Hersteller von Katalysatoren - die bisher größten Verbraucher von Platin - müßten weltweit zugunsten der deutschen Automobilindustrie freiwillig auf ihren Werkstoff Platin verzichten...
Sollte sich die Brennstoffzellentechnologie tatsächlich im großen Maßstab durchsetzen, lassen sich leicht Kriegsszenarien um die begrenzte Ressource Platin vorstellen. Wer die Platin-Lagerstätten oder die Lagerstätten von Rhodium und Palladium kontrolliert, kontrolliert zwangsläufig auch die Wirtschaftskraft der Länder, die diese Wasserstofftechnologie im großen Maßstab einsetzen. Oder anders ausgedrückt: Wer auf Brennstoffzellen als heilsbringende Zukunftstechnologie setzt, begibt sich freiwillig in eine bisher nicht gekannte Abhängigkeit.
Diese Rohstoffabhängigkeit ist um so bedenklicher, weil sich die derzeit wichtigsten Platin-Abbaugebiete in zwei politisch nicht gerade stabilen Ländern, in Südafrika und der ehemaligen Sowjetunion befinden. 1996 stammte 93 Prozent des weltweit gewonnenen Platins aus diesen beiden, von Krisen geschüttelten Regionen. "Da Platin außer als industriell verwertbares Edelmetall auch als Objekt investitionswirtschaftlicher und finanzpolitischer Aktivitäten (Börsenspekulation, Reservebildung) genutzt wird, war die Platin-Verfügbarkeit schon in der Vergangenheit nicht immer gesichert: Erfahrungen der letzten Jahre zeigen dies", schrieb 1998 der Forscher Lutz Blessing vom Wuppertal Institut in seiner Studie "Zur Ressourcenproduktivität von Brennstoffzellen als Antrieb in Nahverkehrsbussen". Blessing verweist auf Engpässe beim Platin in den Jahren 1996 und 1997, die durch Streiks in südafrikanischen Minen sowie durch Streitereien zwischen der russischen Zentralbank Almaz - sie kontrolliert Rußlands Edelmetallexporte - und anderen Staatsgremien ausgelöst wurden. Der Forscher kommt deshalb zum Schluß: "Die ungewisse Platinverfügbarkeit wird aus heutiger Sicht Pläne, Verbrennungsmotoren auf breiter Basis durch PEM-Brennstoffzellen zu ersetzen, scheitern lassen."
Doch nicht nur die Gefahr von Rohstoffverknappung und Rohstoffkriegen macht den Einsatz von Platin in der Energie- und Motorentechnik bedenklich. Der Abbau von Platin und seiner verwandten Metalle ist sehr aufwendig und umweltschädlich. Gleiches gilt für die notwendige Aufkonzentrierung des Edelmetalls. Die Gewinnung von Platin ist nach Ansicht des Wuppertal Instituts so umweltbelastend, daß selbst geringe Edelmetallgehalte in Produkten einen großen, negativen Einfluß auf deren Ökobilanz haben. Die Umweltschäden sind nicht auszudenken, wenn man tatsächlich den Platinbergbau verzehnfachen würde, um wenigstens annähernd den Bedarf einer globalen Brennstoffzellen-Industrie zu decken.
Billiger Wasserstoff mittels Wassergroßkraftwerken?
Daß Wasserstoff - wie in allen Werbebroschüren behauptet wird - eines Tages nur mit Hilfe umweltfreundlicher Solarenergie erzeugt wird, ist übrigens keineswegs sicher. Genauso wahrscheinlich und teilweise bereits Realität ist die Wasserstofferzeugung mit Hilfe von Atomkraftwerken oder umweltschädlichen Großstaudämmen. Schon seit einigen Jahren liegen in den Schubladen der Energie-Industrie Pläne von riesigen Staudämmen in Kanada, die der Erzeugung von preisgünstigem Wasserstoff für den Export dienen sollen. Teile dieses sogenannten James Bay-Projekts wurden bereits - mit drastischen, negativen Folgen für die in diesen Gebieten lebenden Ureinwohner - realisiert. Würden diese Pläne gänzlich Wirklichkeit, verlöre die Welt nicht nur einmalige Naturlandschaften, die kanadischen Cree-Indianer verlören auch einen Großteil ihres Lebensraumes und Existenzgrundlage.
Unabhängig von den hier aufgeführten Gefahren der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologie kam im übrigen das Umweltbundesamt in seiner Untersuchung "Brennstoffzellenfahrzeuge im Vergleich zu Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren" im vergangenen Jahr zum Schluß: "Aus Sicht des Umweltschutzes ist daher nach heutigem Kenntnisstand der Einsatz von Wasserstoff aufgrund der hohen Energieverluste bei der Herstellung und Aufbereitung des Energieträgers nicht zu befürworten." Der vehementen Werbung von Seiten der Industrie für die Brennstoffzelle als Fahrzeugantrieb, stehe "die detaillierte und sogar auf den optimistischen Annahmen von Herstellern basierende Analyse des Umweltbundesamtes gegenüber, die das Konzept der Brennstoffzelle derzeit aus Umweltsicht als nicht kosteneffizient betrachtet."