Ein Bombengeschäft
Spekulanten setzen auf einen schnellen Krieg – und ebenso schnelle Kursgewinne
Von Peter Weißenberg
Wollen Sie wissen, mit welchen Aktien, Fonds oder Optionsscheinen auch Sie vom Irak-Krieg profitieren können? Dann brauchen Sie nicht weiter zu lesen – Sie werden hier keine Tipps bekommen. Allerdings brauchen Sie auch nicht zu glauben, dass diese Frage niemanden interessiert. Leider bewegt derzeit nichts die globalen Finanzmärkte so wie der bevorstehende Waffengang. Die Moral an der Geschicht’? Sie interessiert Börsianer anscheinend nicht.
Im Gegenteil: Je wahrscheinlicher der Bombenhagel auf Bagdad wird, desto stärker steigen die Kurse. Nach der Ultimatum-Rede des US-Präsidenten legten alle großen Börsen-Indizes deutlich an Wert zu. Dahinter steckt folgendes Kalkül der Spekulanten: Schon im Golfkrieg 1990/91 schnellten die Kurse bei dessen Beginn rasant in die Höhe. Der Deutsche Aktienindex (Dax) etwa stieg in den vier Wochen danach um mehr als 20 Prozent.
„Der Krieg war noch nicht eingepreist“
Darauf spekulieren wohl viele Kurzzeit-Anleger, die zu Niedrigst-Kursen Aktien kaufen – um sie nach einem schnellen Sieg der Amerikaner wieder abzustoßen. Einschätzungen wie die der Anlegerzeitschrift „Börse Online“ dürften diese Stimmung noch anheizen: „Anfang des Jahres bei 3 100 Punkten war der Krieg anscheinend noch nicht in den Kursen eingepreist. Aber jetzt, da muss es soweit sein.“ Das Motto dabei: „Sauber das Tief erwischen, geschickt und mutig investieren und dann einen satten Gewinn einfahren.“ Sehr beliebt sind Rüstungsfirmen oder Termingeschäfte in Öl. Leid beiseite ...
Auf eine anhaltende Markterholung setzen diese Anleger nicht. Die ist aber wohl auch eher unwahrscheinlich. Die US-Investmentbank Salomon Smith Barney hat vor kurzem die Auswirkungen der fünf letzten großen Kriege, an denen die USA teilnahmen, auf den Börsen-Trend untersucht. Das Ergebnis der Studie: Kampfhandlungen haben eine Kursentwicklung nie umgedreht – oft sogar nur verstärkt.
Schon zu Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 jubelten nur Spekulanten. In den zwei Jahren davor war der Markt kräftig eingebrochen. Bald ging es aber weiter bergab. Im Dezember 1918 dümpelte der Dow-Jones-Index bei einem Stand, der um rund sieben Prozent unter dem von Ende 1912 lag. Diese Entwicklung ist auch im Zweiten Weltkrieg, dem Korea- oder Vietnam-Krieg nachzuverfolgen. Steigen die Kurse, steigen sie nach dem Krieg weiter – und umgekehrt.
Es besteht ohnehin derzeit kaum ein Anlass, auf die große Wende an den Finanzmärkten zu hoffen: Denn die wesentlichen Signale außerhalb des Kriegsgeschreis sind nach wie vor düster. Die Gewinne vor allem der US-Firmen gehen zurück, im vergangenen Jahr beutelte zudem eine spektakuläre Pleitewelle großer Konzerne wie Enron und Worldcom den Markt – deren Folgen sind noch nicht verdaut. Dazu kommt der Vertrauensverlust vieler Anleger nach Bilanz-Betrügereien. Auch die weltweite Konsum-Unlust ist ungebrochen schlecht. Einschlägige Messungen des Verbrauchervertrauens oder der Investitionsneigung etwa befinden sich im Keller. Und dass ausgerechnet der Irak-Krieg Lust auf Shopping macht, wird wohl auch der zynischste Zocker nicht erwarten.
Die Börse Bagdad boomt wie keine andere
Der einflussreiche amerikanische Unternehmensberater und Kolumnist Lawrence Kudlow allerdings sieht den Irak-Krieg offenbar als Konjunkturprogramm auf irakische Kosten: Der frühere Berater des Ex-Präsidenten Ronald Reagan und Freund von Vizepräsident Dick Cheney schwadroniert in einem Online-Artikel mit dem Titel „Den Markt zurückerobern – mit Gewalt“ über die „heilsame Schocktherapie“ für die Aktienmärkte und erhofft sich, dass der Krieg den Dow „um einige tausend Punkte“ voran bringen könnte. Auch andere Analysten und Volkswirte in den USA glauben an solche Wirkungen.
Langfristig profitiert hat allerdings bisher vor allem ein Börsenplatz vom bevorstehenden Krieg: der in Bagdad. Damit schließt sich quasi ein perverser Teufelskreis. Wie die „Neue Zürcher Zeitung“ vor kurzem analysierte, ist ausgerechnet die Börse am Kriegsschauplatz in bester Kondition. Seit Jahresbeginn stiegen die Kurse der dort notierten 114 Firmen im Schnitt um rund 50 Prozent.
Der Grund sind einmal mehr die Spekulanten: Die haben offenbar den Sturz Saddams bereits beschlossen – und hoffen darauf, dass danach das Handels-Embargo enden und Iraks Unternehmen wieder ein Bombengeschäft mit dem Ausland machen können. Zumindest jene, die es dann noch gibt.
Spekulanten setzen auf einen schnellen Krieg – und ebenso schnelle Kursgewinne
Von Peter Weißenberg
Wollen Sie wissen, mit welchen Aktien, Fonds oder Optionsscheinen auch Sie vom Irak-Krieg profitieren können? Dann brauchen Sie nicht weiter zu lesen – Sie werden hier keine Tipps bekommen. Allerdings brauchen Sie auch nicht zu glauben, dass diese Frage niemanden interessiert. Leider bewegt derzeit nichts die globalen Finanzmärkte so wie der bevorstehende Waffengang. Die Moral an der Geschicht’? Sie interessiert Börsianer anscheinend nicht.
Im Gegenteil: Je wahrscheinlicher der Bombenhagel auf Bagdad wird, desto stärker steigen die Kurse. Nach der Ultimatum-Rede des US-Präsidenten legten alle großen Börsen-Indizes deutlich an Wert zu. Dahinter steckt folgendes Kalkül der Spekulanten: Schon im Golfkrieg 1990/91 schnellten die Kurse bei dessen Beginn rasant in die Höhe. Der Deutsche Aktienindex (Dax) etwa stieg in den vier Wochen danach um mehr als 20 Prozent.
„Der Krieg war noch nicht eingepreist“
Darauf spekulieren wohl viele Kurzzeit-Anleger, die zu Niedrigst-Kursen Aktien kaufen – um sie nach einem schnellen Sieg der Amerikaner wieder abzustoßen. Einschätzungen wie die der Anlegerzeitschrift „Börse Online“ dürften diese Stimmung noch anheizen: „Anfang des Jahres bei 3 100 Punkten war der Krieg anscheinend noch nicht in den Kursen eingepreist. Aber jetzt, da muss es soweit sein.“ Das Motto dabei: „Sauber das Tief erwischen, geschickt und mutig investieren und dann einen satten Gewinn einfahren.“ Sehr beliebt sind Rüstungsfirmen oder Termingeschäfte in Öl. Leid beiseite ...
Auf eine anhaltende Markterholung setzen diese Anleger nicht. Die ist aber wohl auch eher unwahrscheinlich. Die US-Investmentbank Salomon Smith Barney hat vor kurzem die Auswirkungen der fünf letzten großen Kriege, an denen die USA teilnahmen, auf den Börsen-Trend untersucht. Das Ergebnis der Studie: Kampfhandlungen haben eine Kursentwicklung nie umgedreht – oft sogar nur verstärkt.
Schon zu Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 jubelten nur Spekulanten. In den zwei Jahren davor war der Markt kräftig eingebrochen. Bald ging es aber weiter bergab. Im Dezember 1918 dümpelte der Dow-Jones-Index bei einem Stand, der um rund sieben Prozent unter dem von Ende 1912 lag. Diese Entwicklung ist auch im Zweiten Weltkrieg, dem Korea- oder Vietnam-Krieg nachzuverfolgen. Steigen die Kurse, steigen sie nach dem Krieg weiter – und umgekehrt.
Es besteht ohnehin derzeit kaum ein Anlass, auf die große Wende an den Finanzmärkten zu hoffen: Denn die wesentlichen Signale außerhalb des Kriegsgeschreis sind nach wie vor düster. Die Gewinne vor allem der US-Firmen gehen zurück, im vergangenen Jahr beutelte zudem eine spektakuläre Pleitewelle großer Konzerne wie Enron und Worldcom den Markt – deren Folgen sind noch nicht verdaut. Dazu kommt der Vertrauensverlust vieler Anleger nach Bilanz-Betrügereien. Auch die weltweite Konsum-Unlust ist ungebrochen schlecht. Einschlägige Messungen des Verbrauchervertrauens oder der Investitionsneigung etwa befinden sich im Keller. Und dass ausgerechnet der Irak-Krieg Lust auf Shopping macht, wird wohl auch der zynischste Zocker nicht erwarten.
Die Börse Bagdad boomt wie keine andere
Der einflussreiche amerikanische Unternehmensberater und Kolumnist Lawrence Kudlow allerdings sieht den Irak-Krieg offenbar als Konjunkturprogramm auf irakische Kosten: Der frühere Berater des Ex-Präsidenten Ronald Reagan und Freund von Vizepräsident Dick Cheney schwadroniert in einem Online-Artikel mit dem Titel „Den Markt zurückerobern – mit Gewalt“ über die „heilsame Schocktherapie“ für die Aktienmärkte und erhofft sich, dass der Krieg den Dow „um einige tausend Punkte“ voran bringen könnte. Auch andere Analysten und Volkswirte in den USA glauben an solche Wirkungen.
Langfristig profitiert hat allerdings bisher vor allem ein Börsenplatz vom bevorstehenden Krieg: der in Bagdad. Damit schließt sich quasi ein perverser Teufelskreis. Wie die „Neue Zürcher Zeitung“ vor kurzem analysierte, ist ausgerechnet die Börse am Kriegsschauplatz in bester Kondition. Seit Jahresbeginn stiegen die Kurse der dort notierten 114 Firmen im Schnitt um rund 50 Prozent.
Der Grund sind einmal mehr die Spekulanten: Die haben offenbar den Sturz Saddams bereits beschlossen – und hoffen darauf, dass danach das Handels-Embargo enden und Iraks Unternehmen wieder ein Bombengeschäft mit dem Ausland machen können. Zumindest jene, die es dann noch gibt.