: Griechenland droht unregierbar zu werden
06.05.2012, 18:23 Uhr
Politisches Erdbeben in Griechenland: Die Wähler haben bei der Parlamentswahl am Sonntag ihrer Frustration über den Sparkurs und die steile wirtschaftliche Talfahrt Luft gemacht. Ultra-Nationalisten gelingt der Einzug.
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von Gerd Höhler
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In Griechenland gewinnen laut ersten Prognosen Parteien am rechten und linken Rand des politischens Spektrums. Quelle: dapd
In Griechenland gewinnen laut ersten Prognosen Parteien am rechten und linken Rand des politischens Spektrums. Quelle: dapd
AthenGewinner der Parlamentswahlwahl in Griechenland sind Parteien am linken und rechten Rand des politischen Spektrums. Nach ersten Prognosen, die sich auf Wählerbefragungen stützten, entfielen deutlich mehr als 50 Prozent der Stimmen auf Parteien, die den Sparkurs ablehnen oder sogar einen Abschied Griechenlands aus der Währungsunion und der EU propagieren. Massive Verluste zeichneten sich in den Prognosen für die Panhellenische Sozialistische Bewegung (Pasok) ab, die zwei Jahre lang einen strikten Sparkurs gesteuert hatte. Sie stürzte von 44 Prozent bei der Wahl von 2009 auf jetzt rund 16 Prozent ab. Gleichauf mit der Pasok lag in den ersten Prognosen das „Bündnis der radikalen Linken“.
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Das Ringen um die Macht
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Panhellenische Sozialistische Bewegung (Pasok)
Die bis vergangenen November regierenden Sozialisten unter ihrem neuen Chef Evangelos Venizelos (55) sind wie die Konservativen für den Verbleib Griechenlands in der Eurozone. Dafür müsse das Sparprogramm konsequent durchgesetzt werden. Umfragen zeigen, dass den Sozialisten schwere Verluste bevorstehen und sie nur noch zweitstärkste Kraft im neuen Parlament mit etwa 18 Prozent werden (2009: 44 Prozent).
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Kommunistische Partei Griechenlands (KKE)
Die Hardliner- Kommunisten sprechen sich offen für den „Austritt Griechenlands aus der Eurozone und der EU jetzt“ aus. Kein Cent solle an die Gläubiger gezahlt werden. Die Partei liegt in Umfragen bei etwa neun Prozent.
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Bündnis der Radikalen Linken (Syriza)
Ein buntes Bündel linker Bewegungen, das sogar mit der extrem Linken liebäugelt. Syriza ist zwar für den Verbleib in der EU und dem Euroland. Athen sollte aber einseitig erklären, es zahle seine Schulden nicht. Umfragen sehen das Bündnis bei etwa neun Prozent.
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Unabhängige Griechen (AE)
Ein Abspaltung aus der konservativen Nea Dimokratia. Die Führung der Unabhängigen Griechen meint, das Land sei „besetzt“ von den Geldgebern und müsse „befreit“ werden. Athen sollte nichts an die Banken zurückzahlen. Die Partei ist ausländerfeindlich und fordert zudem deutsche Reparationszahlungen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Umfragen zeigen, dass auch diese Partei bis etwa acht bis neun Prozent bekommen könnte.
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Demokratische Linke (DA)
Eine Abspaltung aus dem Bündnis der Linken. Die gemäßigten Linken setzen sich für den Verbleib im Euroland. Umfragen geben dieser Partei etwa acht Prozent.
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Völkische Orthodoxe Gesamtbewegung (LAOS)
Eine rechtsorientierte Partei. Sie ist für den Verbleib im Euroland. Das Sparprogramm muss aber neu ausgehandelt werden. Migranten sollten sofort das Land verlassen. Die Partei liegt in Umfragen bei etwa 4,5 Prozent.
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Goldene Morgenröte (XA)
Eine rassistische, ausländerfeindliche und faschistische Partei. Die Partei spricht sich für die „Vertreibung“ aller Migranten aus Griechenland aus. Viele ihrer Mitglieder sind gewaltbereit. Umfragen sehen die Ultrarechten bei 3 bis 4,5 Prozent.
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Einzug ins Parlament unsicher
Ökologen und die Demokratische Allianz der ehemaligen griechischen Außenministerin Dora Bakogianni müssen um den Einzug ins Parlament bangen. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Parteien und Protestbewegungen, wie etwa die griechischen Piraten, die bislang noch keinen Erfolg hatten, sowie Maoisten und andere linke und rechte Splitterparteien.
Die Partei plädiert dafür, dass Griechenland seine Staatsschulden einseitig streicht und die Rettungspakete aufkündigt. Im neuen Parlament werden möglicherweise zehn statt bisher fünf Parteien vertreten sein - unter ihnen die neofaschistische Partei Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte), die in den Prognosen bei sechs bis acht Prozent lag. Die konservative Nea Dimokratia (ND) wurde zwar stärkste Partei, büßte aber gegenüber 2009 die Hälfte ihrer Wähler ein und verfehlte, den Prognosen zufolge, mit etwa 17 Prozent Stimmenanteil ihr Wahlziel einer absoluten Mehrheit im neuen Parlament.
Griechisches Wahlrecht sorgt für klare Verhältnisse
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Extrabonus für stärkste Kraft
Für kleine politische Gruppierungen gilt es im Mutterland der Demokratie, eine Drei-Prozent-Hürde zu überwinden. Andererseits wird die stärkste Kraft im Parlament mit einem Extrabonus belohnt: Das Wahlrecht sichert der erfolgreichsten Partei 50 zusätzliche Sitze im insgesamt 300 Mandate umfassenden Parlament zu. Den Zuschlag gibt es jedoch nur für eine Einzelpartei, nicht für eine Parteienkoalition.
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Wann erreicht man die absolute Mehrheit?
Ausschlaggebend für das Erreichen einer eigenen absoluten Mehrheit im Parlament ist nicht nur die Zahl der Parteien, die den Einzug ins Parlament schaffen, sondern auch die prozentuale Stärke der Gruppierungen, die draußen bleiben. Praktisch bedeutet das nach einer Beispielrechnung des griechischen Generalkonsulats in Hamburg, dass die stärkste Partei einen Stimmenanteil zwischen 36,4 und 42,69 Prozent benötigt, um eine absolute Mehrheit zu erzielen. In einem Acht-Parteien-Parlament, in dem 2,5 Prozent der abgegebenen Stimmen nicht vertreten sind, würden der stärksten Partei somit 40,4 Prozent der gültigen Stimmen für eine absolute Mehrheit reichen.
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Nur eine Stimme pro Wähler
Anders als bei den Bundestagswahlen in Deutschland hat der Wähler in Griechenland nur eine Stimme. Laut Innenministerium sind 9,85 Millionen Bürger wahlberechtigt. Es herrscht Wahlpflicht - jedoch nur auf dem Papier. Wahlmuffel müssen keine Konsequenzen fürchten. Ein Fernbleiben von der Urne zieht keine strafrechtlichen oder verwaltungsrechtlichen Sanktionen nach sich.
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Meinungsumfragen
Die Veröffentlichung von Meinungsumfragen zwei Wochen vor der Wahl ist in Griechenland verboten. Laut den jüngsten Umfragen könnten bis zu zehn Parteien im nächsten Parlament vertreten sein. Eine Einparteiregierung scheint eher unwahrscheinlich. Seit dem Fall der Militär-Junta 1974 wird das politische System von zwei großen Parteien beherrscht: der bürgerlichen Nea Dimokratia (Neue Demokratie) und der linken Pasok (Panhellenistische Sozialistische Bewegung).
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Kleine Gruppierungen könnten klare Mehrheiten verhindern
Griechenland-Kenner Alexander Kritikos vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) geht wegen der speziellen Bestimmungen des Wahlgesetzes davon aus, dass die ND mit der Pasok eine stabile Mehrheit bilden kann. „Aber sicher ist das nicht“, fügt er hinzu. Wegen des Erstarkens kleinerer radikaler Gruppierungen könnte sich diesmal das Wahlsystem dennoch als nicht robust genug erweisen, um den etablierten Kräften eine klare Mehrheiten zu bescheren. „Es bleibt die Gefahr, dass Griechenland nach der Wahl unregierbar wird“, warnt Kostas Dimakopoulos vom griechisch-deutschen Kulturverein Exantas Berlin.
Erstmals ins Parlament kommt mit einem prognostizierten Stimmenanteil von etwa elf Prozent auch die ultra-nationalistische Partei „Unabhängige Griechen“, die Griechenlands Finanzprobleme mit deutschen Reparationen für die Nazi-Besatzung im zweiten Weltkrieg lösen will. Die Zersplitterung der politischen Landschaft dürfte die Bildung einer stabilen Regierung erschweren oder sogar unmöglich machen. Über die Sitzverteilung gaben die ersten Prognosen noch keinen Aufschluss. Aber ob es für die Parteien, die am Sparkurs festhalten wollen, eine parlamentarische Mehrheit gibt, erschien zweifelhaft.