Internet: Web wird intelligenter und benutzerfreundlicher – Neue Chancen und Anwendungsmöglichkeiten für das E-Business
VDI nachrichten, 24.1.2003
Die Entwicklung des Internets und die Nutzung seiner Möglichkeiten ist noch lange nicht soweit voran geschritten, wie vielerorts geglaubt wird. Claus Weyrich, Forschungschef bei Siemens in München und Sprecher des Feldafinger Kreises, sieht noch riesiges Potential.
VDI nachrichten: Blicke in die Glaskugel werfen viele Analysten. Warum sollten die Trendaussagen des Feldafinger Kreises größeres Gewicht erhalten?
Weyrich: Die hervorragende Kombination von Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft im Kernteam und der gut strukturierte Prozess, mit dem die Ergebnisse des Feldafinger Kreises erarbeitet wurden, sind wohl die beiden entscheidenden Merkmale und Gütesiegel, die diesen Trendaussagen und Empfehlungen besonderes Gewicht verleihen.
VDI nachrichten:: Was unterscheidet Ihr Vorgehen von dem der Zukunftsspezialisten der Delphi-Studie?Weyrich: Bei Delphi-Studien werden natürlich auch eine große Anzahl von Experten befragt. Die Abfrage geschieht aber individuell bei jedem Einzelnen, meist mit Hilfe eines fest vorgegebenen Fragebogens, wobei kein Dialog mit anderen Experten vorgesehen ist. Bei unserem Prozess haben wir den vom Kernteam formulierten ersten Entwurf der acht Trendaussagen im Internet einer Community von rund dreihundert Wissenschaftlern und Praktikern zugänglich gemacht, deren Kommentare, Verbesserungen und Veränderungen aufgegriffen und mit ihnen in den Workshops unseres Symposiums „Forschen für die Internetgesellschaft“ in kleinen Gruppen diskutiert und damit die Möglichkeit geschaffen, die Expertenmeinungen sozusagen zu dynamisieren, jeweils eine Schleife neuer Erkenntnis zu ermöglichen. Auf dieser Basis entstanden dann auch die übergeordneten und die spezifischen Empfehlungen.
VDI nachrichten: Sie beschreiben das Internet als eine der wichtigsten Infrastrukturen der künftigen Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft. Was macht Sie so sicher, wo der ursprüngliche Hype rund ums Netz doch die momentane Krise mit ausgelöst hat?
Weyrich: Zweifellos haben wir eine Phase der übereilten Euphorie für alle möglichen Internet-basierten Anwendungen und Geschäftsmöglichkeiten hinter uns. Einige sagen, dass wir uns nach dem rasanten Sinkflug der Anfangseuphorie nun im „Tal der Tränen“ befinden. Dies trifft vor allem auf die Internet-Companies der „New Economy“ zu, während interessanterweise auch in der Krise die weitere Entwicklung des Nutzens und der Nutzung des Internets kontinuierlich fortgeschritten ist. Ähnliche Beobachtungen eines anfänglichen Hype können Sie übrigens fast immer bei der Einführung neuer Technologien machen, wenn die anfängliche Begeisterung alle ansteckt. Es sind die nach wie vor vorhandenen ungeheuren Ratio-Potentiale, welche die Nutzung und der Ausbau des Internets bieten, die uns darauf vertrauen lassen, dass bei wissenschaftlich fundierter, systematischer Entwicklung Internet-basierte Anwendungen vor allem auch in der Wirtschaft weiter eine breite und ständig wachsende Nutzung erfahren werden.
VDI nachrichten: Was sind die wichtigsten Veränderungen, die das Internet mit sich bringt?
Weyrich: Lassen Sie mich hierzu einige unserer Trendaussagen herausgreifen: Das Internet unterstützt mobile Anwendungen, d.h. multimediale Informationen und Dienste werden mit unterschiedlichsten Endgeräten an jedem Ort zu jeder Zeit verfügbar. Intelligente Softwareassistenten übernehmen Routineaufgaben – es entstehen verteilte Systeme, mit personalisierten Informationsdiensten und hochwertigen Telekooperationsfunktionen. Das semantische Web wird den Übergang von Information zu Wissen ermöglichen – indem durch inhaltliche Indexierung und linguistische Analyse benutzeradaptive, gezielte Zusammenfassungen von Inhalten möglich werden. Schließlich wird auch durch die intuitive Bedienung das Internet für alle nutzbar werden und auch ein entscheidendes Werkzeug zur Verbesserung unseres Bildungssystems sein.
VDI nachrichten: Wie können Wirtschaft, Wissenschaft und Politik besser gemeinsam daran arbeiten, die vom Feldafinger Kreis ausgemachten Potentiale tatsächlich zu verwirklichen?
Weyrich: Alle Beteiligten nehmen synchronisiert diese Herausforderungen an: Wissenschaft und Wirtschaft sind im intensiven Dialog zu gemeinsamen Handlungsempfehlungen gekommen. Wir hatten bewusst auch Vertreter der Politik zu unserem Symposium geladen, und nehmen ihre Beteiligung als ein deutliches Zeichen dafür, dass Staat, Wissenschaft und Wirtschaft an einem Strang ziehen.
VDI nachrichten: Wie wird der Feldafinger Kreis seine Arbeit fortsetzen?
Weyrich: Wir haben bereits einen festen Termin für das nächste Treffen unseres Kernteams im Sommer. Wir werden die Umsetzung unserer Empfehlungen analysieren und uns neuen Entwicklungen gegenüber weiter positionieren.
Quelle: VDI Nachrichten