Ein überraschender Rückgang der deutschen Produktion im Juni belegt nach Einschätzung von Volkswirten die Schwäche der deutschen Wirtschaft im ersten Halbjahr. Die meisten Experten gehen nun endgültig davon aus, dass die Wirtschaftsleistung auch im zweiten Quartal geschrumpft ist und Deutschland damit in einer Rezession steckte.
rtr BERLIN. Das Produzierende Gewerbe stellte nach Angaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) vom Donnerstag im Juni saisonbereinigt 0,2 % weniger her als im Mai. „Wir sind praktisch am Boden der Talsohle“, sagte Manfred Kurz von der Bayerischen Landesbank. Bis zum Jahresende dürfte aber ein moderater Aufschwung eingesetzt haben. Während beim Einzelhandel schon die Zuversicht wächst, bleiben Unternehmen aus der Industrie für den Rest des Jahres skeptisch.
Nachdem die Produktion bereits im Mai um 0,9 % geschrumpft war, hatten von Reuters befragte Analysten im Schnitt einen Zuwachs der Erzeugung um 0,5 % im Juni erwartet. Die deutschen Standardaktien reagierten auf die unerwarteten Daten mit leichten Kursverlusten. „Der Streik in Ostdeutschland hat wohl doch eine größere Auswirkung als zunächst erwartet gehabt“, erklärte Bernd Weidensteiner von der DZ Bank das Produktionsminus. Die Industrie stellte dabei den BMWA-Angaben zufolge 0,9 % weniger her, wobei die Erzeugung von Investitionsgütern um 2,9 % abnahm. Im Bauhauptgewerbe zog die Produktion dagegen um 3,6 % und im Energiesektor um 2,8 % an.
Am Mittwoch hatte der unerwartet kräftige Anstieg des deutschen Auftragseingangs um 2,3 % im Juni wie zuvor schon andere Frühindikatoren Hoffnung auf eine baldige Wirtschaftsbelebung gemacht. Doch für das zweite Vierteljahr haben Experten das Thema Wirtschaftswachstum abgehakt. „Die Produktionsdaten bestätigen die Berechnung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, dass das Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal um 0,2 % gefallen ist und Deutschland damit im ersten Halbjahr in der Rezession steckte“, sagte Jörg Krämer von Invesco Asset Management.
Dabei ließen von April bis Juni offenbar die bisherigen Wachstumsmotoren die deutsche Wirtschaft im Stich. „Der Privatkonsum war ausnahmsweise mal stabilisierend, während Industrie und Export ihre Zugfunktion nicht wahrnehmen konnten“, sagte Weidensteiner. Die deutschen Einzelhändler können nach Einschätzung des Branchenverbands BAG bereits wieder auf ein Umsatzplus in diesem Jahr hoffen. „Das ist eine optimistische, aber doch einigermaßen realistisch fundierte Prognose“, sagte BAG-Präsident Walter Deuss am Donnerstag. Dabei setzt die Branche vor allem darauf, dass die auf 2004 vorgezogene Steuerentlastung schon in diesem Jahr die Deutschen mehr Geld ausgeben lässt. Weniger rosig bewerteten Unternehmen anderer Bereiche die nahe Zukunft. „Die vor uns liegenden Monate des Jahres 2003 werden schwierig bleiben“, sagte Jürgen Hambrecht, Chef des Chemiekonzerns BASF.
Generell erwarten Experten, dass sich die deutsche Wirtschaft im weiteren Jahresverlauf aus der Rezession lösen kann. Mit einem Aufschwung sei jedoch erst zum Jahreswechsel zu rechnen, sagte Andreas Rees von der HypoVereinsbank. „Im dritten Quartal dürfte es noch etwas holprig werden.“ Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) geht von einer Konjunkturbelebung im zweiten Halbjahr aus. Eine Beschleunigung auf ein Wachstum von zwei Prozent im kommenden Jahr wie von der Bundesregierung prognostiziert erscheine unverändert realistisch.
07.08.2003
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