Die nachstehende Meldung dürfte den Kurs der Post belasten und die Aufgabe des Briefmonopols zum 01. 01.08 wirksam werden lassen.
DJ UPDATE: Neue Studie widerspricht Sozialdumping im Postsektor
18:39 21.05.07
(NEU: Reaktionen vom Netzagentur-Beirat und den Deutsche-Post-Wettbewerbern)
Von Stefan Mechnig und Andreas Heitker
Dow Jones Newswires
BONN/DÜSSELDORF (Dow Jones)--Die Konkurrenten der Deutschen Post AG auf dem inländischen Briefmarkt zahlen im Durchschnitt mehr als den vorgeschlagenen gesetzlichen Mindestlohn. Zu diesem Schluss kommt eine am Montag veröffentlichte Studie im Auftrag der Bundesnetzagentur. Der Ex-Monopolist sprach dagegen von einem nicht repräsentativen Gutachten. Und auch der Beirat der Bonner Behörde warnte vor voreiligen Schlüssen.
Anlass der Untersuchung ist die Diskussion um angebliche Dumpinglöhne im Briefsektor, die zu Forderungen nach einer Verschiebung der vollständigen Marktöffnung geführt hat. Bislang ist vorgesehen, dass die Exklusivlizenz der Post Anfang nächsten Jahres endet. Netzagentur-Präsident Matthias Kurth sagte nach Vorstellung der Studie, Behauptungen, im Briefbereich herrsche in weiten Teilen eine prekäre Beschäftigung vor, werde durch die Erhebung nicht gestützt.
In Einzelfällen liege die Bezahlung allerdings unter dem Minimum, und es herrsche ein deutlicher Abstand zu den Gehältern bei der Post. Bei den zahlreichen Subunternehmen, die der Ex-Monopolist einsetzt, sei das mittlere Lohnniveau jedoch geringer als bei den alternativen Anbietern, so die Regulierungsbehörde.
In den wirtschaftlich stärkeren Regionen Deutschlands brauche man sich um die Entlohnung keine Sorgen zu machen, unterstrich Kurth. Im Schnitt gebe es bei den Wettbewerbern 8,44 EUR die Stunde und damit mehr als den von der Gewerkschaft ver.di verlangten branchenübergreifenden Mindestlohn von 7,50 EUR. In Ballungsräumen hätten es die alternativen Anbieter sogar schwer, Mitarbeiter zu bekommen.
Das so genannten "Aktionsforum Mehr Farbe im Postmarkt" - ein Zusammenschluss von Wettbewerbern der Deutschen Post - forderte angesichts der Studien-Ergebnisse SPD und ver.di auf, ihren Widerstand gegen die von der Bundesregierung beschlossene Öffnung des Postmarktes zum Jahresende aufzugeben. Der Marktöffnung stehe nichts mehr im Wege, erklärte der Sprecher des Forums, Bernd Jäger, am Montag. Es gehe jetzt darum, den Übergang vom Monopol zum Wettbewerb aktiv und konstruktiv zu begleiten.
Nach Angaben der Netzagentur zeigt die neue Studie, dass der Mindestlohn vornehmlich in strukturschwachen Gebieten mit hoher Arbeitslosigkeit, wo zahlreiche Wettbewerber tätig seien, nicht erreicht werde. Der Erhebung zufolge herrscht bei den etwa 750 aktiven Post-Konkurrenten ein erhebliches Lohngefälle. Ein Briefzusteller zum Beispiel verdient zwischen 5,50 und 13,00 EUR. Die Post zahlt ihren eigenen Leuten 10,14 bis 12,72 EUR.
Bei den mehr als 1.800 Subunternehmen, die für den Bonner Konzern tätig sind, liegt der Durchschnittslohn für alle Tätigkeiten jedoch nur bei 8,00 EUR. Mit beispielsweise 6,00 EUR für Taxifahrer, die im Auftrag der Post Briefkästen leeren, wird auch hier der Mindestlohn teilweise unterschritten. Nach Einschätzung des Wissenschaftlichen Instituts für Infrastruktur und Kommunikationsforschung (wik), das für die Netzagentur die 100 größten Unternehmen im Markt befragte, hat die Post in den vergangenen zehn Jahren 20.000 bis 25.000 Vollzeitstellen ausgelagert. So seien rund 80% der stationären Einrichtungen outgesourct.
Ein Sprecher der Deutschen Post AG warf der Netzagentur am Montag jedoch vor, mit der jetzt veröffentlichten "sehr angreifbaren Studie" wolle die Behörde offenbar nur "ihre verfehlte Regulierungspraxis rechtfertigen". Die Studie sei nicht repräsentativ, weil sich nur 38 von 750 Lizenznehmern beteiligt hätten. Die ermittelten Durchschnittswerte seien zudem eher theoretischer Natur, weil die meisten Wettbewerber Stücklöhne zahlten, die zahlreichen Berichten zufolge so gar nicht zu erreichen seien.
Der Post-Sprecher verwies zugleich darauf, dass das Gutachten trotzdem einen dringenden Handlungsbedarf der Netzagentur zeige, weil es zu dem Ergebnis komme, dass die Wettbewerber mindestens 35% weniger Lohn zahlten als die Deutsche Post. Und die Regulierungsbehörde habe vor kurzem selbst ein anderes Gutachten vorgelegt, in dem sie feststelle, dass sie bei einer Abweichung von 10% aktiv werden müsse.
Auch der Beirat der Bundesnetzagentur äußerte sich am Montag auffallend zurückhaltend. Der Vorsitzende des Gremiums, Klaus Barthel, erklärte, die Studie beleuchte ebenso wie auch andere Gutachten "nur Teilaspekte und Einzelmeinungen zur Problematik des Lohn- und Sozialdumpings im Postsektor". Eine erste Befragung der Gutachter durch die Beiratsmitglieder habe erheblichen Klärungsbedarf über die Erhebungsmethoden, die Repräsentativität und die Schlussfolgerungen zutage gefördert.
Der Beirat, dem 16 Vertreter der Bundesländer sowie weitere 16 Abgeordneten aus dem Bundestag angehören, ist eine Art politischer Aufsichtsrat der Netzagentur. Der SPD-Politiker Barthel steht dem Gremium seit Ende Januar vor. In seiner Erklärung am Montag hieß es, er habe die Netzagentur gebeten, "keine voreiligen Schlüsse zu ziehen und sich nicht von einseitigen Interpretationen leiten zu lassen." Vielmehr müsse gemeinsam mit dem Beirat nach Wegen gesucht werden, im Postsektor wirksam Arbeitsbedingungen zu verhindern, die wesentlich unter den branchenüblichen lägen.
Insgesamt beschäftigt die Deutsche Post knapp 150.000 Mitarbeiter im Briefbereich, der ertragsstärksten Sparte. Ihre Konkurrenten kommen auf mehr als 46.000 Beschäftigte, davon über 27.000 Minijobber. Auch Netzagentur-Präsident Kurth unterstrich, dass die Gehälter der Post nicht als Maßstab dessen genommen werden könnten, was im Briefsektor üblich sei. Um Lohndumping feststellen und einschreiten zu können, sei eine weitere, detaillierte geographische Untersuchung erforderlich. Der grobe bundesweite Durchschnitt sei dazu nicht geeignet.