Deutsche Börse unter Zugzwang
Von Andreas Krosta, Guido Warlimont und Ina Bauer
Gerhard Schmid, Chef des Nemax-50-Unternehmen Mobilcom, hält dem Neuen Markt zwar noch die Treue. Aber er droht mit einem Segmentwechsel, wenn die Deutsche Börse die Regeln in den nächsten Wochen nicht verschärft.
"Wir wollen nicht heute oder morgen aus dem Neuen Markt heraus, aber wir wollen ganz stark Druck machen, dass sich etwas ändert", sagte er im Gespräch mit der Financial Times Deutschland. Schmid hat bereits mehrmals das Vorhaben geäußert, den Neuen Markt zu verlassen.
Akuten Handlungsbedarf seitens der Börse sehen auch die Emissionsbanken. "Es muss und soll jetzt etwas passieren, damit der Neue Markt als Finanzierungsquelle für junge Unternehmen erhalten bleibt", sagte ein Investmentbanker eines angelsächsischen Hauses. Er begrüßte das Vorhaben der Börse, eine Regel einzuführen, wann Unternehmen automatisch vom Kurszettel verschwinden (Delisting). Als weitere Punkte in der Diskussion um eine Regelwerk-Verschärfung nannte er: die Mindestgröße des Emissionsvolumens, der erforderliche Streubesitz gemessen an der Aktien-Stückzahl, die Unabhängigkeit von Analysten, die Qualität der Emissionsbanken bei der Betreuung der Emittenten und das Verhalten des Unternehmens-Managements. Diese Diskussion solle die Börse aber gemeinsam mit potenziellen Börsenkandidaten, Banken und notierten Firmen führen.
Regelwerk
Am Dienstag hatte die Deutsche Börse mit der Ankündigung, das Regelwerk des Neuen Marktes zu verschärfen, auf das nicht enden wollende Kursdesaster reagiert. Unternehmen, die sich in Insolvenz befinden oder deren Aktien für einen bestimmten Zeitraum unter 1 Euro notieren (Pennystocks), sollen vom Kurszettel des Wachstumssegments gestrichen werden. Am Donnerstag betonte die Börse, dass sie sich bei den geplanten Regelwerksänderungen im Abstimmungsprozess mit Marktteilnehmern befinde.
Zu den Pionieren unter diesen Teilnehmern am Neuen Markt zählt der Mobilcom-Chef. Er hatte sein Unternehmen 1997 als einer der ersten an das neue Segment gebracht. Der Erlös aus dem Börsengang finanzierte das Unternehmenswachstum von 400 Mio. DM auf heute rund 4 Mrd. DM. Derzeit leidet Schmid als Großaktionär mit einem Anteil von 40 Prozent an seinem Unternehmen unter der Technologieschwäche. Der Kurs der Mobilcom-Papiere ist seit Ende Juli 2000 von 140 Euro auf derzeit rund 12 Euro abgestürzt.
Schrumpft die Marktkapitalisierung eines Unternehmens deutlich, wird es für Fondsmanager uninteressant. "Für einen institutionellen Anleger lohnt es nur noch, sich mit 20 von den rund 340 notierten Neue-Markt-Firmen zu beschäftigen", sagte ein Aktienstratege einer großen deutschen Bank. Dies habe Konsequenzen für die Research-Abteilungen der Banken, die in der Hochphase des Neuen Markts erweitert worden seien. "Als Analyst für den Neuen Markt muss man sich schon Gedanken machen, wenn die Marktkapitalisierung, die man betreut, genauso groß ist wie die eines Einzelunternehmens einer Branche. So kann man seine Kosten nicht decken."
In die Debatte um die Zukunftssicherung des Neuen Markts wurde am Donnerstag die Bundesregierung mit hineingezogen. Sie musste schließlich eine Meldung dementieren, wonach sie Neue-Markt-Firmen Finanzhilfen zugesagt hätte. Kanzleramtsminister Martin Bury hatte sich mit Vorständen von Neue-Markt-Firmen getroffen, allerdings im Rahmen der von der SPD gegründeten Organisation "Netzwerk 2010". An diesem regelmäßig stattfindenden Treffen hatte Bury nicht als Kanzleramtsminister, sondern als SPD-Mitglied teilgenommen.
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Abstimmungsprozess
Druck auf die Börse übt nicht nur Mobilcom-Chef Gerhard Schmid aus. Auch die Emissionsbanken wollen Taten sehen. Die angemahnten Regelverschärfungen sollen dafür sorgen, dass sich der Neue Markt zum europäischen Pendant der Nasdaq entwickelt.
Beratend wirkt das Primary Markets Advisory Committee auf die Börse. Das Gremium wurde im März 2001 gegründet und trifft sich jedes Quartal. Ihm gehören Vertreter von Emissionsbanken, Investoren und Emittenten an. Sie können der Börse nur Vorschläge machen, aber keine Entscheidungen treffen.
© 2001 Financial Times Deutschland
Von Andreas Krosta, Guido Warlimont und Ina Bauer
Gerhard Schmid, Chef des Nemax-50-Unternehmen Mobilcom, hält dem Neuen Markt zwar noch die Treue. Aber er droht mit einem Segmentwechsel, wenn die Deutsche Börse die Regeln in den nächsten Wochen nicht verschärft.
"Wir wollen nicht heute oder morgen aus dem Neuen Markt heraus, aber wir wollen ganz stark Druck machen, dass sich etwas ändert", sagte er im Gespräch mit der Financial Times Deutschland. Schmid hat bereits mehrmals das Vorhaben geäußert, den Neuen Markt zu verlassen.
Akuten Handlungsbedarf seitens der Börse sehen auch die Emissionsbanken. "Es muss und soll jetzt etwas passieren, damit der Neue Markt als Finanzierungsquelle für junge Unternehmen erhalten bleibt", sagte ein Investmentbanker eines angelsächsischen Hauses. Er begrüßte das Vorhaben der Börse, eine Regel einzuführen, wann Unternehmen automatisch vom Kurszettel verschwinden (Delisting). Als weitere Punkte in der Diskussion um eine Regelwerk-Verschärfung nannte er: die Mindestgröße des Emissionsvolumens, der erforderliche Streubesitz gemessen an der Aktien-Stückzahl, die Unabhängigkeit von Analysten, die Qualität der Emissionsbanken bei der Betreuung der Emittenten und das Verhalten des Unternehmens-Managements. Diese Diskussion solle die Börse aber gemeinsam mit potenziellen Börsenkandidaten, Banken und notierten Firmen führen.
Regelwerk
Am Dienstag hatte die Deutsche Börse mit der Ankündigung, das Regelwerk des Neuen Marktes zu verschärfen, auf das nicht enden wollende Kursdesaster reagiert. Unternehmen, die sich in Insolvenz befinden oder deren Aktien für einen bestimmten Zeitraum unter 1 Euro notieren (Pennystocks), sollen vom Kurszettel des Wachstumssegments gestrichen werden. Am Donnerstag betonte die Börse, dass sie sich bei den geplanten Regelwerksänderungen im Abstimmungsprozess mit Marktteilnehmern befinde.
Zu den Pionieren unter diesen Teilnehmern am Neuen Markt zählt der Mobilcom-Chef. Er hatte sein Unternehmen 1997 als einer der ersten an das neue Segment gebracht. Der Erlös aus dem Börsengang finanzierte das Unternehmenswachstum von 400 Mio. DM auf heute rund 4 Mrd. DM. Derzeit leidet Schmid als Großaktionär mit einem Anteil von 40 Prozent an seinem Unternehmen unter der Technologieschwäche. Der Kurs der Mobilcom-Papiere ist seit Ende Juli 2000 von 140 Euro auf derzeit rund 12 Euro abgestürzt.
Schrumpft die Marktkapitalisierung eines Unternehmens deutlich, wird es für Fondsmanager uninteressant. "Für einen institutionellen Anleger lohnt es nur noch, sich mit 20 von den rund 340 notierten Neue-Markt-Firmen zu beschäftigen", sagte ein Aktienstratege einer großen deutschen Bank. Dies habe Konsequenzen für die Research-Abteilungen der Banken, die in der Hochphase des Neuen Markts erweitert worden seien. "Als Analyst für den Neuen Markt muss man sich schon Gedanken machen, wenn die Marktkapitalisierung, die man betreut, genauso groß ist wie die eines Einzelunternehmens einer Branche. So kann man seine Kosten nicht decken."
In die Debatte um die Zukunftssicherung des Neuen Markts wurde am Donnerstag die Bundesregierung mit hineingezogen. Sie musste schließlich eine Meldung dementieren, wonach sie Neue-Markt-Firmen Finanzhilfen zugesagt hätte. Kanzleramtsminister Martin Bury hatte sich mit Vorständen von Neue-Markt-Firmen getroffen, allerdings im Rahmen der von der SPD gegründeten Organisation "Netzwerk 2010". An diesem regelmäßig stattfindenden Treffen hatte Bury nicht als Kanzleramtsminister, sondern als SPD-Mitglied teilgenommen.
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Abstimmungsprozess
Druck auf die Börse übt nicht nur Mobilcom-Chef Gerhard Schmid aus. Auch die Emissionsbanken wollen Taten sehen. Die angemahnten Regelverschärfungen sollen dafür sorgen, dass sich der Neue Markt zum europäischen Pendant der Nasdaq entwickelt.
Beratend wirkt das Primary Markets Advisory Committee auf die Börse. Das Gremium wurde im März 2001 gegründet und trifft sich jedes Quartal. Ihm gehören Vertreter von Emissionsbanken, Investoren und Emittenten an. Sie können der Börse nur Vorschläge machen, aber keine Entscheidungen treffen.
© 2001 Financial Times Deutschland