Wer sich heute Aktien ins Depot holt, könnte das schon am Montag zu Börsenbeginn bereuen. Natürlich wird es irgendwann auch wieder nachhaltig bergauf gehen, die Menschheit wird diese Pandemie überstehen und es wird auch wieder "business as usual" geben. Aber noch ist es nicht so weit. Wer dieser Tage Aktien kauft, sollte sich mMn folgende Fragen stellen:
Haben die Börsen bereits vollständig eingepreist, dass ...
... die Pandemie in der EU und Nordamerika erst am Anfang einer monatelangen Entwicklung steht?
... bereits übers Wochenende neue verstörende Nachrichten aus den derzeit am dynamischsten betroffenen Ländern auftauchen könnten und auftauchen werden?
... auch in Spanien, Frankreich, Deutschland, Österreich, Schweiz, Niederlande, Belgien, Schweden, Norwegen, Kanada und Teilen der USA ein wochenlanger oder monatelanger Lock-down wie in Italien bevorsteht?
... noch völlig ungewiss ist, wie lange die einzelnen Lock-downs dauern werden?
... selbst nach erfolgreichem Lock-down die Pandemie aus anderen Ländern jederzeit wieder importiert werden kann?
... derzeit weder qualitativ noch quantitativ ein zuverlässiges Testverfahren weltweit in ausreichendem Maße vorhanden ist, um Erkrankte schnell zu identifizieren und zu isolieren?
... es derzeit noch nicht ansatzweise eine Impfung oder medikamentöse Behandlung gegen die Erkrankung gibt?
... selbst wenn eine Impfung erfunden würde, es weitere Quartale(!) dauern würde, um genug Impfdosen für die Bevölkerung allein der Industriestaaten herzustellen? Von den Entwicklungsländern will ich diesbezüglich gar nicht sprechen!
... das Virus große und nicht ganz unwichtige Länder wie Indonesien, Indien, Russland, Mexiko und Brasilien noch gar nicht wirklich erreicht hat?
... ein wochenlanger oder monatelanger Lock-down wichtiger Volkswirtschaften bedeutet, dass einzelne Branchen dieser Volkswirtschaften wochenlang oder monatelang keinerlei Umsatz machen werden? Dies betrifft sämtliche Restaurants, Friseure, Ladenketten für Güter nicht täglichen Bedarfs, Fitnessclubs, Kinos, Theater, Freizeitparks, Massagepraxen, Clubs, Bars, Cafés, Sportvereine, Spielhallen und sicher noch einiges, das mir jetzt gar nicht einfällt. Ebenfalls schwer betroffen sein werden Hotels, alle Arten von Beherbergungsbetrieben, Fluglinien, Anbieter von Busreisen und Reisebüros.
... ein Staat, der mit Notkrediten oder Geldgeschenken versucht, diese betroffenen Branchen 1-2 Monate über Wasser zu halten, sehr schnell selbst an seine finanziellen Grenzen stoßen wird?
... ein Staat wie Italien keinerlei finanziellen Spielraum für solche Stützungsmaßnahmen hat?
... angesichts dessen die Märkte auf die Idee kommen könnten, die Solvenz einzelnen Staaten zu hinterfragen?
... es trotz aller Stützungsmaßnahmen zu einer massiven Insolvenzwelle in den genannten Branchen kommen könnte?
... eine solche Insolvenzwelle massive Kreditausfälle in der Bankenbranche auslösen würde?
... der historische Börseneinbruch der vergangenen 3(!) Wochen den ein oder anderen großen Spieler auf dem komplett falschen Fuß erwischt haben könnte, mögliche Insolvenz inklusive?
... Pandemien oft in mehreren Wellen auftreten bzw. über Jahre(!) andauern?
Wer glaubt, dass all diese Fragen bereits ausreichend in den Aktienkursen eingepreist sind, mag sich das Depot voll laden. Ich habe bei der ein oder anderen Frage noch so meine Zweifel.