|
FAZ
Euro in der Krise
Schwarzer Montag
Die Finanzminister der Euro-Gruppe wissen nicht mehr, was sie tun sollen. Ihre Hilflosigkeit schürt die Sorge; die Reaktion der Märkte ist nicht verwunderlich. Besonders irritierend handelt Wolfgang Schäuble. Ein Kommentar von Werner Mussler
12. Juli 2011
Die anderthalb Jahre währende Staatsschuldenkrise im Euroraum hat schon viele schwer nachvollziehbare politische Wendungen erlebt. Was sich die Eurogruppe aber am Montagabend geleistet hat, ist beispiellos. Die Erklärung, die ihr Vorsitzender Jean-Claude Juncker in der Nacht unter die Leute brachte, zeugt von einer Hilflosigkeit, die in diesem Ausmaß neu ist. Die Euro-Staaten sind sich offenbar nicht nur uneins. Es ist schlimmer: Die Minister wissen nicht mehr, was sie tun sollen - und sie sind sich nicht bewusst, welche Wirkungen ihre diffusen und widersprüchlichen Äußerungen haben. Die heftigen Reaktionen der Finanzmärkte am Dienstag verwundern daher wirklich nicht.
Die Erklärung der Eurogruppe hat einen allgemeinen und einen speziellen, Griechenland betreffenden Teil. Fatal wirkt sie hier wie dort. Im allgemeinen Teil haben es die Minister fertiggebracht, fast alle seit langem kontrovers diskutierten Instrumente der Krisenbewältigung - auch jene, die längst vom Tisch schienen - wieder in die Debatte zu werfen. Ob, wie, wann und mit welcher Begründung diese Instrumente beschlossen werden sollen, haben sie aber offen gelassen. Es heißt lediglich, „in Kürze“ würden den Ministern „Vorschläge präsentiert“. Wann diese beschlossen oder verworfen werden sollen, ist unklar. Es ist schwer vorstellbar, dass die Staats- und Regierungschefs auf einem möglichen Sondergipfel kurz all jene Streitpunkte aus dem Weg räumen, die sie anderthalb Jahre lang nicht lösen konnten.
Der Katalog der jetzt zur Debatte stehenden Instrumente reicht weiter, als sich das speziell die Bundesregierung bisher je vorstellen mochte. Erstens sollen die Flexibilität und der Aufgabenbereich des Euro-Krisenfonds EFSF ausgeweitet werden. Was aber ist gemeint? Will man „nur“ die Instrumente ausweiten (welche?) oder zusätzlich das Kreditvolumen der EFSF auf einen Billionenbetrag erhöhen? Zweitens soll die Laufzeit bestehender Kredite verlängert werden. Für welches Land und wie lange? Drittens sollen die Zinsen gesenkt werden. Für wen und auf welchen Wert? Was sagt der Internationale Währungsfonds (IWF) dazu? Diese Fragen sind nicht trivial. Es zeugt von großer Fahrlässigkeit, sie ohne Antwort in den Raum zu werfen.
Der Politik ist das Krisenmanagement entglitten
EU-Währungskommissar Olli Rehn hat unfreiwillig eingestanden, dass der Politik das Krisenmanagement entglitten ist. Die Beratungen der Eurogruppe hätten deshalb so lange gedauert, weil die Minister sehr besorgt seien, sagt Rehn. Wenn aus solcher Besorgnis eine derart hilflose Erklärung folgt, muss man sich um den Zustand der Währungsunion wirklich ernste Gedanken machen. Denn bei allem Streit über den sachlich richtigen Weg in der Krisenbewältigung leugnet hoffentlich niemand: Der meiste Schaden entsteht, wenn die Marktteilnehmer nicht mehr wissen, woran sie sind, wenn die Politik den Akteuren auf den Märkten jegliche Stabilisierung ihrer Erwartungen unmöglich macht.
Was die Minister zu Griechenland zu sagen haben, belegt ihre Hilflosigkeit nicht minder. Dokumentiert ist, dass die zentrale Frage der Beteiligung privater Gläubiger in einem neuen Kreditprogramm nicht im Ansatz gelöst ist. Die von den Staats- und Regierungschefs vor gut zwei Wochen gestellten drei Bedingungen - die Beteiligung Privater müsse freiwillig und substantiell sein, außerdem dürfe sie von den Ratingagenturen nicht als Zahlungsausfall eingestuft werden - lassen sich nicht unter einen Hut bringen. Die Europäische Zentralbank (EZB) gibt in der Erklärung zu Protokoll, dass sie auf keinen Fall einer Lösung zustimmen will, die einen Zahlungsausfall zur Folge hätte.
Es geht nur noch ums Prinzip
Von dieser Aussage haben die Minister die EZB in der Nacht erfolglos abzubringen versucht. Es ist in dieser Frage mittlerweile nicht mehr entscheidend, ob die Zentralbank in der Sache recht hat. Es geht nur noch ums Prinzip: Die EZB will ihre Unabhängigkeit gegenüber der Politik behaupten. Deshalb wird sie bei ihrer Linie bleiben - und die Politik am Ende zwingen, eine allenfalls symbolische Beteiligung Privater zu akzeptieren.
Besonders irritierend agiert der Bundesfinanzminister. Wolfgang Schäuble raunt vom großen „Instrumentenkasten“, den es jetzt zur Krisenbewältigung zu prüfen gelte. Dass dazu offenbar alles gehören soll, was die Bundesregierung bisher ausgeschlossen hat, ficht den Minister nicht an. Selbst die von Rehn angedeutete Option eines Aufkaufs von Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt durch die EFSF will Schäuble nicht ausschließen. Er orakelt vielmehr von einer „Gesamtlösung“, welche die Eurogruppe jetzt finden müsse.
Schäuble ignoriert dabei nicht nur die bisherige Beschlusslage in der Eurogruppe, die diese Art von Anleihenaufkauf ausschließt. Es ist ihm auch egal, dass der Anleihenaufkauf auf dem Sekundärmarkt - dieser liefe im Kern auf die von der Bundesregierung immer abgelehnten Euro-Anleihen hinaus - für den Koalitionspartner FDP ein rotes Tuch ist. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat sich dagegen in dieser Woche wieder für Euro-Bonds eingesetzt. Es ist schwer vorstellbar, dass Schäuble diesen innenpolitischen Hintergrund vergessen hat.
www.faz.net/artikel/C30638/...e-schwarzer-montag-30462120.html
Käme Italien wirklich in Schwierigkeiten, würde die europäische Integration zwangsweise einen großen Schrott vorwärts machen. Malko, A.D. 2011, #84425
Ich fürchte zwar, dass es sich hier nur um eine Freud'sche Fehlleistung handelt, die EuroBonds betreffend, doch cum grano salis wäre es richtig.
Euro-Bonds in einer "Haftungsgemeinschaft", die Pleite-Länder betreffend, wären der Super-Gau für die EMU. Man würde Dtl. für insolvent erklären. Dazu braucht es keinerlei Rating-Agentur, das erledigen wir im Land im Handumdrehen alleine. Mit Euro-Bonds würde die "deutsche Exposure" auf ein Mehrfaches der bisherigen Staatsschulden steigen. Völlig unlösbar, da die Bunds mit wesentlichen Renditesteigerungen zu rechnen hätten und die Euro-Bonds nochmal mit Risikoaufschlägen aufwarten dürften.
|
| Wertung | Antworten | Thema | Verfasser | letzter Verfasser | letzter Beitrag | |
| 29 | 3.792 | Banken & Finanzen in unserer Weltzone | lars_3 | youmake222 | 27.12.25 13:21 | |
| 469 | 156.444 | Der USA Bären-Thread | Anti Lemming | ARIVA.DE | 25.12.25 10:01 | |
| 55 | PROLOGIS SBI (WKN: 892900) / NYSE | 0815ax | ARIVA.DE | 19.10.25 10:00 | ||
| Daytrading 15.05.2024 | ARIVA.DE | 15.05.24 00:02 | ||||
| Daytrading 14.05.2024 | ARIVA.DE | 14.05.24 00:02 |