Fast nur politisch korrekte Werbung
Jahresbilanz ergibt drei Rügen
Der Deutsche Werberat, das Selbstkontrollorgan der Wirtschaft, hat am Dienstag eine aus seiner Sicht erfreuliche Bilanz gezogen. Wie schon im Jahr 2000 wurden im vergangenen Jahr nur drei Unternehmen für ihre Anzeigen oder Kampagnen gerügt. "Zu 99 Prozent verhält sich die werbende Wirtschaft korrekt", sagte Ratsvorsitzender Jürgen Schrader.
Eine der drei Rügen ging an das nordrhein-westfälische Energiemanagement-Unternehmen Ultrafilter International. Als man dort im vergangenen Jahr die Anzeigenwerbung startete, hagelte es Beschwerden. Das Motiv: ein nackter, älterer Mann, auf seinem Schoß eine nackte junge Frau. Darunter war zu lesen: "Wer Energie verliert, verliert bald alles." Die Kampagne diskriminiere ältere Menschen, meinten die "Richter". Ultrafilter reagierte nicht. Deshalb folgte der Verweis - durch die öffentliche Diskussion ein Kratzer am Image.
Insgesamt erreichten den Rat, der aus neun Männern und drei Frauen aus Wirtschaft, Medien und Werbeagenturen besteht, 694 Eingaben. Sie betrafen 421 Werbemaßnahmen. In 116 dieser Fälle waren die Gerichte zuständig. Blieben 305.
In diesen Fällen entschieden die Mitglieder des Werberates 206 Mal für "Freispruch". Oft seien nämlich die Ansichten derer, die sich beschwert hatten, "überzogen" gewesen. Zum Beispiel hatte eine Protestlerin über die Radiowerbung eines Automobilunternehmens geschimpft, in der eine Frau, allerdings mit ironischem Unterton Sex anbietet. Frau als Lustobjekt? Nein, beschied der Rat. Ironie-Resistenz beim Zuhörer ist nicht der Fehler des Auftraggebers.
Überhaupt haben Beschwerden über sexuell diskriminierende Werbeaktionen mit 35 Prozent (108 Fälle) dem Rat die meiste Arbeit gemacht. Gewaltdarstellungen stehen an zweiter Stelle mit 13 Prozent (40 Fälle). Zum Beispiel diese: Ein Musical-Veranstalter bewirbt seine für vier Personen geltende Ermäßigung im Fernsehen. Zu sehen: Fünf Menschen spielen Frisbee, einer spielt mit Tellermine. Sein Mitspieler explodiert. Slogan: "Fünf ist einer zuviel." An Nummer Drei stehen Aktionen, die die Religiösität verletzen (35 Fälle). Dann folgt kindergefährdende Werbung (21 Fälle).
Dass der Werberat seine Aufgabe gut erfülle, so meinte Jürgen Schrader, sehe man daran, dass in den Fällen, die zur Beanstandung übrig geblieben sind - 99 an der Zahl - fast alle Unternehmen mit einer Einstellung der Werbemaßnahme reagiert haben. "Es bedarf keiner staatlichen Einmischung in die Kontrolle der Werbung", betonte Schrader. Die meint er zunehmend festzustellen. Zum Beispiel in der Absicht der Bundesregierung, "diskriminierende Werbung" zu verbieten.