Der Mythos \"Gewinnschwelle\"
Viele Wachstumsunternehmen schreiben über Jahre rote Zahlen. Das Erreichen der Gewinnzone erscheint oft wie der Einzug ins Gelobte Land. Dabei werden wichtige Kriterien und Fallstricke leicht übersehen, die manchmal für böse Überraschungen sorgen.
Unternehmen, die rote Zahlen schreiben, lassen sich noch schwerer bewerten als jene, die bereits Gewinne ausweisen können. Letztere lassen sich unter Heranziehung von Kurs/Gewinn-Verhältnis (KGV) und der jährlichen Gewinnsteigerung immerhin in Beziehung zu dem Preis setzen, der an der Börse bezahlt werden muss. Bei allen Unwägbarkeiten - insbesondere der Abhängigkeit von Prognosen für die Gewinn- und Umsatzentwicklung in den nächsten Jahren - kann so eine Einschätzung gewonnen werden.
Anders ist das bei Gesellschaften, die Verluste schreiben: Hier richtet sich der Blick auf den Zeitpunkt, da erstmals - oder wieder - Gewinne erzielt werden. Insbesondere im Internet-Sektor und bei den Biotech-Aktien, die wegen hoher Investitionen oder aggressiver Expansion über Jahre hinweg ein Minus ausweisen, sind solche Unternehmen anzutreffen. Die Größe spielt dabei keine Rolle: Branchenriese T-Online etwa braucht ebenso wie Internolix eine recht lange Zeit, um Gewinne auszuweisen zu können.
Dem Überschreiten der Gewinn-Schwelle kommt dabei eine besondere Bedeutung zu: Der Sprung aus den roten Zahlen hat dabei zu oft den Charakter des Eintrittes ins Gelobte Land. Nach dem Motto: "Alles wird gut", wenn erst einmal diese Hürde genommen ist. Nach der Erleichterung darüber, dass die Durststrecke überwunden werden konnte, folgt in vielen Fällen der Schock in Form eines astronomischen KGVs: Wenn nur ein Teil des Geschäftsjahres profitabel ausfällt, kommt unter dem Strich ein dünnes Ergebnis je Aktie zustande. Daraus ergibt sich schnell ein drei- oder gar vierstelliges KGV. Das verzerrt natürlich die Bewertung extrem. Ein Beispiel wäre Curasan: Analystenschätzungen zufolge ergibt sich aus dem Gewinn pro Aktie ein KGV im dreistelligen Bereich.
Die nächste potenzielle Einschätzungs-Falle ist nicht weit: Da im zweiten Jahr der schwarzen Zahlen sämtliche Quartale ihr Schärflein zum Gewinn beitragen, ist die Differenz bisweilen riesig. Zieht man auf dieser Basis das dynamische KGV (PEG) heran, welches das Gewinnwachstum in Beziehung zum KGV setzt, fällt das sehr niedrig aus. Daraus folgt scheinbar eine massive Unterbewertung. Da im darauf folgenden Jahr (im Beispiel 2003) das Gewinnwachstum deutlich nachlassen wird, ergibt sich wieder ein deutlich höheres PEG. Die scheinbare Unterbewertung löst sich in Luft auf. Eine Betrachtung des Gewinnwachstums über mehrere Jahre beinhaltet in solchen Fällen wieder die Unsicherheit der Prognosen, auf denen eine solche Einschätzung wohl oder übel erfolgen muss.
Man kann die Orientierung am Maßstab "Gewinnschwelle" auch bei jenen Aktien beobachten, die über diese magische Grenze hinweg gelangt sind: "Die schreiben schon schwarze Zahlen", heißt es dann in Abgrenzung zu jenen, die noch länger im Verlustbereich treiben. Jüngstes Beispiel dafür ist Qiagen: Der Branchenprimus im Biotech-Sektor arbeitet profitabel. Daher wunderten sich viele Marktbeobachter über den Abschlag, den der Wert nach Bekanntgabe der Zahlen hinnehmen musste, obwohl schon Gewinne geschrieben werden. Dabei wird oft übersehen, dass die Anleger für die Gewinne einen hohen Preis bezahlen, auch bei den aktuell deutlich zurück gekommenen Kursen. Und: Auch ein Musterunternehmen wie Qiagen steht unter dem Druck, die hohen Preise mit entsprechenden wirtschaftlichen Fortschritten zu rechtfertigen.
Der eigentliche Knackpunkt ist, dass ein Unternehmen nach Erreichen der Profitabilität erst unter Beweis stellen muss, dass es das zuvor gezeigte Wachstum fortsetzen kann. Letztlich bleibt das Ziel jeder Unternehmung die Optimierung des Gewinnes. Dabei kann zum Beispiel die aggressive Expansion zur Eroberung von Marktanteilen unter Inkaufnahme von hohen Verlusten ein Anfang sein. Das funktioniert allerdings nur, wenn der Übergang zur Profitabilität nicht mit dem Verlust von Marktanteilen im großen Umfang einhergeht. Den Beweis, das Wachstum mit gleichzeitigem Gewinn fortzusetzen, muss letztlich jedes Unternehmen erbringen.
Autor: Alexander Apel, 11:48 26.02.01
Viele Wachstumsunternehmen schreiben über Jahre rote Zahlen. Das Erreichen der Gewinnzone erscheint oft wie der Einzug ins Gelobte Land. Dabei werden wichtige Kriterien und Fallstricke leicht übersehen, die manchmal für böse Überraschungen sorgen.
Unternehmen, die rote Zahlen schreiben, lassen sich noch schwerer bewerten als jene, die bereits Gewinne ausweisen können. Letztere lassen sich unter Heranziehung von Kurs/Gewinn-Verhältnis (KGV) und der jährlichen Gewinnsteigerung immerhin in Beziehung zu dem Preis setzen, der an der Börse bezahlt werden muss. Bei allen Unwägbarkeiten - insbesondere der Abhängigkeit von Prognosen für die Gewinn- und Umsatzentwicklung in den nächsten Jahren - kann so eine Einschätzung gewonnen werden.
Anders ist das bei Gesellschaften, die Verluste schreiben: Hier richtet sich der Blick auf den Zeitpunkt, da erstmals - oder wieder - Gewinne erzielt werden. Insbesondere im Internet-Sektor und bei den Biotech-Aktien, die wegen hoher Investitionen oder aggressiver Expansion über Jahre hinweg ein Minus ausweisen, sind solche Unternehmen anzutreffen. Die Größe spielt dabei keine Rolle: Branchenriese T-Online etwa braucht ebenso wie Internolix eine recht lange Zeit, um Gewinne auszuweisen zu können.
Dem Überschreiten der Gewinn-Schwelle kommt dabei eine besondere Bedeutung zu: Der Sprung aus den roten Zahlen hat dabei zu oft den Charakter des Eintrittes ins Gelobte Land. Nach dem Motto: "Alles wird gut", wenn erst einmal diese Hürde genommen ist. Nach der Erleichterung darüber, dass die Durststrecke überwunden werden konnte, folgt in vielen Fällen der Schock in Form eines astronomischen KGVs: Wenn nur ein Teil des Geschäftsjahres profitabel ausfällt, kommt unter dem Strich ein dünnes Ergebnis je Aktie zustande. Daraus ergibt sich schnell ein drei- oder gar vierstelliges KGV. Das verzerrt natürlich die Bewertung extrem. Ein Beispiel wäre Curasan: Analystenschätzungen zufolge ergibt sich aus dem Gewinn pro Aktie ein KGV im dreistelligen Bereich.
Die nächste potenzielle Einschätzungs-Falle ist nicht weit: Da im zweiten Jahr der schwarzen Zahlen sämtliche Quartale ihr Schärflein zum Gewinn beitragen, ist die Differenz bisweilen riesig. Zieht man auf dieser Basis das dynamische KGV (PEG) heran, welches das Gewinnwachstum in Beziehung zum KGV setzt, fällt das sehr niedrig aus. Daraus folgt scheinbar eine massive Unterbewertung. Da im darauf folgenden Jahr (im Beispiel 2003) das Gewinnwachstum deutlich nachlassen wird, ergibt sich wieder ein deutlich höheres PEG. Die scheinbare Unterbewertung löst sich in Luft auf. Eine Betrachtung des Gewinnwachstums über mehrere Jahre beinhaltet in solchen Fällen wieder die Unsicherheit der Prognosen, auf denen eine solche Einschätzung wohl oder übel erfolgen muss.
Man kann die Orientierung am Maßstab "Gewinnschwelle" auch bei jenen Aktien beobachten, die über diese magische Grenze hinweg gelangt sind: "Die schreiben schon schwarze Zahlen", heißt es dann in Abgrenzung zu jenen, die noch länger im Verlustbereich treiben. Jüngstes Beispiel dafür ist Qiagen: Der Branchenprimus im Biotech-Sektor arbeitet profitabel. Daher wunderten sich viele Marktbeobachter über den Abschlag, den der Wert nach Bekanntgabe der Zahlen hinnehmen musste, obwohl schon Gewinne geschrieben werden. Dabei wird oft übersehen, dass die Anleger für die Gewinne einen hohen Preis bezahlen, auch bei den aktuell deutlich zurück gekommenen Kursen. Und: Auch ein Musterunternehmen wie Qiagen steht unter dem Druck, die hohen Preise mit entsprechenden wirtschaftlichen Fortschritten zu rechtfertigen.
Der eigentliche Knackpunkt ist, dass ein Unternehmen nach Erreichen der Profitabilität erst unter Beweis stellen muss, dass es das zuvor gezeigte Wachstum fortsetzen kann. Letztlich bleibt das Ziel jeder Unternehmung die Optimierung des Gewinnes. Dabei kann zum Beispiel die aggressive Expansion zur Eroberung von Marktanteilen unter Inkaufnahme von hohen Verlusten ein Anfang sein. Das funktioniert allerdings nur, wenn der Übergang zur Profitabilität nicht mit dem Verlust von Marktanteilen im großen Umfang einhergeht. Den Beweis, das Wachstum mit gleichzeitigem Gewinn fortzusetzen, muss letztlich jedes Unternehmen erbringen.
Autor: Alexander Apel, 11:48 26.02.01