Börsenpsychologie: Wie umgehen mit den Launen der Märkte? (08.05.2003)
Internetboom und Irakkrieg haben es gezeigt: Euphorie und Ängste bestimmen zu einem Gutteil das Geschehen an den Börsen. Wer die Mechanismen aber durchschaut und mit System investiert, kann die Psychofallen umgehen.
Die Börse ist ein buntes Gemisch aus Tausenden von Fakten und Meinungen. Entwickelt sich daraus eine dauerhaft schlechte Stimmung, dann haben in der Sprache der Börsianer die „Bären“ das Ruder übernommen. Die europäischen Börsen durchlebten in den letzten Jahren sogar den längsten Bärenmarkt ihrer Nachkriegsgeschichte. Vorläufiges Resultat: Der Deutsche Aktienindex DAX war bei seinem Tiefpunkt im Februar nur noch gut ein Drittel der einstigen Höchststände von über 8000 Punkten wert. Die Geschichte lehrt uns, dass gerade Phasen der Übertreibung, in denen ein Großteil der Anleger der Börse bereits den Rücken gekehrt hat, besondere Chancen bieten. Wer jetzt nicht die Geduld verliert und die niedrigen Kurse vorsichtig für Zukäufe nutzt, kann von der Lage mittelfristig sogar profitieren. Vom Tiefststand bis heute erholte sich der DAX schon wieder um bis zu 30 Prozent.
Früher oder später jedenfalls werden die Investoren nach all der Aufregung der letzten Monate die Lage wieder nüchtern analysieren: Steht die Wirtschaft heute wirklich um so vieles schlechter da als noch vor drei Jahren? Oder ist vielleicht die Stimmung nur schlechter als die Lage? Sicher ist, dass die Märkte vorübergehend zu extremen Ausschlägen neigen. Und die wiederum haben zu einem Gutteil mit der Macht der Gefühle zu tun, die sich offenbar in der Masse gegenseitig verstärken.„Kurz- und mittelfristig macht die Psychologie 90 Prozent der Börse aus“, wusste schon der legendäre Aktienguru André Kostolany. Langfristig aber, auch das lehrt uns die Geschichte, glätten sich die Wogen der Übertreibung wieder. Es rücken dann verstärkt die so genannten fundamentalen Daten, wie etwa das Wachstum der Wirtschaft und der Unternehmensgewinne, in den Vordergrund – wie seit dem Ende des Irakkriegs zu beobachten ist. Denn die Psychologie ist eben nur einer der Bestimmungsfaktoren für das Geschehen an den Aktienmärkten.
Von Zeit zu Zeit spielen die Märkte verrückt...
Kein Wunder, denn das Börsengeschehen wird von Millionen von Menschen geprägt, und damit fließen auch deren Hoffnungen und Ängste in ihre Entscheidungen ein.
Das zeigt die euphorische Entwicklung Ende der 90er Jahre bis zum Frühjahr 2000 ebenso wie die Situation des folgenden „Crash auf Raten“. Bis vor kurzem herrschte eine Stimmung, die zeitweise schon in einen fast grenzenlosen Pessimismus ausartete. Ein typisches Kennzeichen solcher kollektiven mentalen Tiefs ist es, wenn Illustrierte ihre Titelseiten dem Börsengeschehen widmen und in großen Lettern Schreckensmeldungen verkünden. Doch wohl dem, der auch in solchen Phasen besonnen bleibt. Denn extreme Kursbewegungen und schlechte Stimmung sind nicht selten das erste Signal für eine baldige Trendwende. Schon im direkt nach dem „Schwarzen Oktober 1987“ folgenden Jahr etwa legten die Aktien an der Wall Street wieder um 26 Prozent zu. Doch ist heute die Zeit bereits reif für neue Investments? Soll man an Engagements jetzt weiter festhalten? Garantien für die künftige Entwicklung kann niemand geben. Das psychologische Umfeld und die mittlerweile historisch niedrigen Bewertungen sprechen jedoch dafür, dass die Chancen inzwischen größer sind als die Risiken.„Wir sind überzeugt, dass wir wieder in einer Phase der negativen Übertreibung angelangt sind“, sagt Stefan Günther, Co-Leiter des Aktienfondsmanagements.
Gerade deshalb werden die kommenden Jahre, so glaubt der Profi, aus Anlegersicht besonders interessant werden.
Masse gibt Sicherheit, kostet aber Informationsvorsprung
Die systematische Beobachtung des Anlegerverhaltens gibt immer mehr Analysten aufschlussreiche Signale. Dabei lässt sich mitunter ein regelrechter Herdentrieb beobachten. Einen wissenschaftlichen Beleg dafür lieferte im vergangenen Jahr ein unter anderem von der Unternehmensberatung McKinsey initiiertes Experiment. Auf der Basis von Fallbeispielen waren rund 6000 Studenten online zum Investieren aufgerufen. Ergebnis des Versuchs: Die Probanten orientierten sich in den meisten Fällen deutlich an den Entscheidungen ihrer Kommilitonen, suchten also die Rückversicherung durch die Gruppe. Ebenso interessant wie dieser Nachahmereffekt war die Reihenfolge der Sieger. Die besten Gewinne erzielten eindeutig die Studenten der Fachrichtung Psychologie, die offensichtlich auf einer beobachtenden Metaebene auch das Verhalten ihrer Mitentscheider berücksichtigten und flexibel agierten.
Dass psychologisch bedingte Verhaltensweisen System haben, zeigt die Vergangenheit. So kann man in der jüngsten Börsenentwicklung – wie oben erwähnt – fast schon ein perfektes Spiegelbild des Geschehens im Frühjahr 2000 erkennen. Nur eben mit umgekehrten Vorzeichen: Herrscht heute Katzenjammer, so war die Stimmung damals von einer schier grenzenlosen Euphorie geprägt. Nach längeren Phasen positiver Erfahrungen, so sagt uns die Psychologie, übersieht der Mensch bei Überbewertung der Chancen in gleichem Maße die Risiken seiner Entscheidungen. Doch selbst wer die Risiken bedenkt, legt sich für ein eigentlich leichtsinniges Handeln stets eine scheinbar vernünftige Begründung zurecht. Die Zeit der New Economy und des Internetbooms liefert dafür eindrucksvolle Beweise. Um zum Kauf von bereits außergewöhnlich teuren Aktien zu ermuntern, verkündeten in jener Aktienhochzeit eine wachsende Zahl von Analysten den Anbruch eines neuen Zeitalters. Das wiederum würde immer weiter steigende Aktienbewertungen rechtfertigen, die aber tatsächlich längst weit über die historischen Durchschnitte hinausgeschossen waren.
Geduld zahlt sich aus
Typische Anlegerreaktionen prägen auch die Entscheidungen, wenn der Trend an den Börsen wieder nach unten zeigt. Dann gewinnt das Prinzip der Vorsicht wieder ganz deutlich an Gewicht. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass der Mensch schon in der Normalsituation das Risiko weit höher bewertet als die Erfolgsaussicht. Die Gewinnchance muss demnach das abzuschätzende Risiko um das Dreifache übertreffen. Will heißen: Wer mit einem Investment 60 Prozent gewinnen kann, mag dafür nur ein Verlustrisiko von 20 Prozent eingehen. In diesen Tagen dürfte das Verhältnis weiter in Richtung Risikoaversion verschoben sein. Aber die Launen der Märkte lassen sich glätten, wenn man sich den Börsen diszipliniert nähert. Das heißt, grundsätzlich einen langfristigen Anlagehorizont wählen und regelmäßig investieren – das gleicht kurzfristige Schwankungen aus. Besondere Sorgfalt bei der Auswahl der Fonds walten zu lassen und auf die Ausgewogenheit des Depots zu achten, ist unverzichtbar. Dabei sollten Fonds und Depotstruktur nicht nur zur jeweiligen Marktlage, sondern auch zur eigenen Risikobereitschaft passen. Denn auch Investmentanleger müssen ihre eigene Psyche kennen und beispielsweise bei einem chancenorientierten Aktienportfolio auch einmal Zeiten mit Verlusten verkraften können. Langfristig macht sich die Geduld, jedenfalls belegt das die historische Erfahrung, allemal bezahlt.
Psychologie erobert die Wirtschaftswissenschaften
Nicht ohne Grund macht unter dem Namen „Behavioral Finance“ heute eine moderne Analysemethode Furore, die sich explizit auf die Zusammenführung von Psychologie und Ökonomie stützt. Joachim Goldberg beispielsweise, Geschäftsführer der Finanzagentur „cognitrend“, erforscht auf dieser Basis in seiner täglichen Arbeit das Zusammenspiel von Markt und Menschen. Er weiß aus seinen Beobachtungen, dass vor allem auch der Umgang mit einmal eingetretenen Verlusten zu dramatischen Fehlentwicklungen führen kann. Der Grund: Die Psyche drängt den Menschen, sich gemachte Fehler nicht einzugestehen. „Viele steigen zu spät aus und müssen deshalb immer höhere Verluste in Kauf nehmen“, sagt Goldberg. Irgendwann lohnt der Ausstieg meist nicht mehr, denn wer im Keller des Bärenmarkts verkauft, macht bekanntlich den größten Verlust.
Nach länger währenden Enttäuschungen verblasst aber die Erinnerung an die Einstiegskurse. Und weil der Mensch nun einmal das Wohlbefinden sucht, empfindet er dann schon kleinere Aufwärtstrends als Gewinn. Prompt entschließt sich der Investor nun zum Verkauf, obwohl sein Wertpapier noch immer weit unter dem ursprünglichen Kaufpreis notiert. Dabei wäre es gerade in solchen Situationen mitunter klüger, die Anlagestrategie zu überprüfen, die eigenen Bestände durch Zukäufe zu den jetzt günstigeren Kursniveaus aufzustocken, den Anlagehorizont zu verlängern und so die eigene Position zu verbessern.
Mit Disziplin die Psychofallen umgehen
Die Psychologie legt also den Schluss nahe, den auch ein alte Börsenweisheit zieht: Die günstigsten Einstiegspreise winken immer dann, wenn der Pessimismus am größten ist. Wann dieser Zeitpunkt gekommen ist, lässt sich im Voraus allerdings nie exakt bestimmen. Darüber hinaus bedarf es einer gehörigen Portion Mut, in einem negativ gestimmten Umfeld tatsächlich auch zu kaufen. Eine systematische Strategie aber macht es immerhin leichter, diese psychische Hürde zu überspringen. Es müssen ja zum Beispiel nicht immer alle vorhandenen Mittel auf einmal investiert werden. Schon mit einer Anlage zwischen 1.000 oder 5.000 Euro kann jetzt zu historisch relativ günstigen Preisen der Grundstein für eine langfristig attraktive Rendite an den Aktienbörsen gelegt werden. Denn nur wer investiert ist, kann überhaupt von einem Aufschwung profitieren. Dass es dabei immer wieder auch zu stärkeren Kursschwankungen kommen wird, muss gerade den Fondsanleger nicht irritieren. Denn der kann, auf seinem Grundinvestment aufbauend, durch die regelmäßige Einzahlung auch kleinerer Beträge sein Risiko zusätzlich abfedern. Wer also in der Baisse mit System investiert – etwa über Sparpläne –,kann Psychofallen umgehen und den Märkten ein Schnippchen schlagen.
Die fünf wichtigsten Psychoregeln
1. Regel: Langer Anlagehorizont glättet Risiken und betont Chancen!
Starke Übertreibungen nach unten wie oben sind an der Börse in der Regel kurzfristiger Natur. Bei langem Horizont verliert sich die börsenbelastende Wirkung von Crashs, Kriegen, Krisen und Konjunkturflauten. Die Wachstumskräfte der Wirtschaft überlagern deutlich die negativen Faktoren. So wären aus einer Einmalanlage von 10.000 Euro im Aktienfonds ADIG Fondak in den letzten 20 Jahren (Stichtag: 31.12.2002) rund 56.000 Euro geworden – trotz des schwarzen Montags von 1987 und trotz des derzeit größten Bärenmarkts der Nachkriegsgeschichte!
2. Regel: Wer immer der Masse folgt, verhält sich ungünstig!
Wer sich stark prozyklisch verhält – also investiert, wenn alle es tun, und verkauft, wenn die Mehrheit den Markt verlässt –,investiert „teuer“ und realisiert „billig“. Deshalb ist es ratsam, sich weder von einer Goldgräberstimmung noch einer kollektiven Depression anstecken zu lassen!
3. Regel: Verluste werden stärker empfunden als Gewinne!
Deshalb steigt in Bärenmärkten die Risikoaversion weit über das normale Maß hinaus. Der Blick für die Chancen, die gerade bei Börsentiefständen winken, geht verloren. Solange man auf der „Käuferseite“ ist, sind „billige“ Märkte in der Baisse aber allemal sinnvoller als „teure“ Kurse in der Hausse.
4. Regel: Wenn die Stimmung am Tiefpunkt ist, sind die Gewinnchancen meist besonders groß!
Allerdings gilt diese Regel vor allem in der Theorie. Denn der Tiefpunkt einer Baisse ist natürlich immer erst im Nachhinein festzustellen. Daher empfiehlt sich, bei getroffener Anlageentscheidung nicht alles auf eine Karte zu setzen und den vorgesehenen Anlagebetrag in mehreren „Portionen“ zu investieren – am besten an „schwachen“ Tagen.
5. Regel: „Reale“ oder „gerechte“ Bewertungen sind an der Börse selten!
Denn die Aktienmärkte neigen zur Übertreibung – nach „unten“ wie nach „oben“. Deshalb sollte der Anleger die kurzfristigen Launen der Märkte in einem ausgewogenen Depot ausbalancieren, um im Bedarfsfall liquide zu sein. Nicht nur über die gezielte Streuung seiner Aktieninvestments, sondern auch über die ergänzende Wahl defensiverer Anlageformen wie Renten- oder Geldmarktfonds.
jobar.p9.org.uk/weiter2.gif" style="max-width:560px" >
Internetboom und Irakkrieg haben es gezeigt: Euphorie und Ängste bestimmen zu einem Gutteil das Geschehen an den Börsen. Wer die Mechanismen aber durchschaut und mit System investiert, kann die Psychofallen umgehen.
Die Börse ist ein buntes Gemisch aus Tausenden von Fakten und Meinungen. Entwickelt sich daraus eine dauerhaft schlechte Stimmung, dann haben in der Sprache der Börsianer die „Bären“ das Ruder übernommen. Die europäischen Börsen durchlebten in den letzten Jahren sogar den längsten Bärenmarkt ihrer Nachkriegsgeschichte. Vorläufiges Resultat: Der Deutsche Aktienindex DAX war bei seinem Tiefpunkt im Februar nur noch gut ein Drittel der einstigen Höchststände von über 8000 Punkten wert. Die Geschichte lehrt uns, dass gerade Phasen der Übertreibung, in denen ein Großteil der Anleger der Börse bereits den Rücken gekehrt hat, besondere Chancen bieten. Wer jetzt nicht die Geduld verliert und die niedrigen Kurse vorsichtig für Zukäufe nutzt, kann von der Lage mittelfristig sogar profitieren. Vom Tiefststand bis heute erholte sich der DAX schon wieder um bis zu 30 Prozent.
Früher oder später jedenfalls werden die Investoren nach all der Aufregung der letzten Monate die Lage wieder nüchtern analysieren: Steht die Wirtschaft heute wirklich um so vieles schlechter da als noch vor drei Jahren? Oder ist vielleicht die Stimmung nur schlechter als die Lage? Sicher ist, dass die Märkte vorübergehend zu extremen Ausschlägen neigen. Und die wiederum haben zu einem Gutteil mit der Macht der Gefühle zu tun, die sich offenbar in der Masse gegenseitig verstärken.„Kurz- und mittelfristig macht die Psychologie 90 Prozent der Börse aus“, wusste schon der legendäre Aktienguru André Kostolany. Langfristig aber, auch das lehrt uns die Geschichte, glätten sich die Wogen der Übertreibung wieder. Es rücken dann verstärkt die so genannten fundamentalen Daten, wie etwa das Wachstum der Wirtschaft und der Unternehmensgewinne, in den Vordergrund – wie seit dem Ende des Irakkriegs zu beobachten ist. Denn die Psychologie ist eben nur einer der Bestimmungsfaktoren für das Geschehen an den Aktienmärkten.
Von Zeit zu Zeit spielen die Märkte verrückt...
Kein Wunder, denn das Börsengeschehen wird von Millionen von Menschen geprägt, und damit fließen auch deren Hoffnungen und Ängste in ihre Entscheidungen ein.
Das zeigt die euphorische Entwicklung Ende der 90er Jahre bis zum Frühjahr 2000 ebenso wie die Situation des folgenden „Crash auf Raten“. Bis vor kurzem herrschte eine Stimmung, die zeitweise schon in einen fast grenzenlosen Pessimismus ausartete. Ein typisches Kennzeichen solcher kollektiven mentalen Tiefs ist es, wenn Illustrierte ihre Titelseiten dem Börsengeschehen widmen und in großen Lettern Schreckensmeldungen verkünden. Doch wohl dem, der auch in solchen Phasen besonnen bleibt. Denn extreme Kursbewegungen und schlechte Stimmung sind nicht selten das erste Signal für eine baldige Trendwende. Schon im direkt nach dem „Schwarzen Oktober 1987“ folgenden Jahr etwa legten die Aktien an der Wall Street wieder um 26 Prozent zu. Doch ist heute die Zeit bereits reif für neue Investments? Soll man an Engagements jetzt weiter festhalten? Garantien für die künftige Entwicklung kann niemand geben. Das psychologische Umfeld und die mittlerweile historisch niedrigen Bewertungen sprechen jedoch dafür, dass die Chancen inzwischen größer sind als die Risiken.„Wir sind überzeugt, dass wir wieder in einer Phase der negativen Übertreibung angelangt sind“, sagt Stefan Günther, Co-Leiter des Aktienfondsmanagements.
Gerade deshalb werden die kommenden Jahre, so glaubt der Profi, aus Anlegersicht besonders interessant werden.
Masse gibt Sicherheit, kostet aber Informationsvorsprung
Die systematische Beobachtung des Anlegerverhaltens gibt immer mehr Analysten aufschlussreiche Signale. Dabei lässt sich mitunter ein regelrechter Herdentrieb beobachten. Einen wissenschaftlichen Beleg dafür lieferte im vergangenen Jahr ein unter anderem von der Unternehmensberatung McKinsey initiiertes Experiment. Auf der Basis von Fallbeispielen waren rund 6000 Studenten online zum Investieren aufgerufen. Ergebnis des Versuchs: Die Probanten orientierten sich in den meisten Fällen deutlich an den Entscheidungen ihrer Kommilitonen, suchten also die Rückversicherung durch die Gruppe. Ebenso interessant wie dieser Nachahmereffekt war die Reihenfolge der Sieger. Die besten Gewinne erzielten eindeutig die Studenten der Fachrichtung Psychologie, die offensichtlich auf einer beobachtenden Metaebene auch das Verhalten ihrer Mitentscheider berücksichtigten und flexibel agierten.
Dass psychologisch bedingte Verhaltensweisen System haben, zeigt die Vergangenheit. So kann man in der jüngsten Börsenentwicklung – wie oben erwähnt – fast schon ein perfektes Spiegelbild des Geschehens im Frühjahr 2000 erkennen. Nur eben mit umgekehrten Vorzeichen: Herrscht heute Katzenjammer, so war die Stimmung damals von einer schier grenzenlosen Euphorie geprägt. Nach längeren Phasen positiver Erfahrungen, so sagt uns die Psychologie, übersieht der Mensch bei Überbewertung der Chancen in gleichem Maße die Risiken seiner Entscheidungen. Doch selbst wer die Risiken bedenkt, legt sich für ein eigentlich leichtsinniges Handeln stets eine scheinbar vernünftige Begründung zurecht. Die Zeit der New Economy und des Internetbooms liefert dafür eindrucksvolle Beweise. Um zum Kauf von bereits außergewöhnlich teuren Aktien zu ermuntern, verkündeten in jener Aktienhochzeit eine wachsende Zahl von Analysten den Anbruch eines neuen Zeitalters. Das wiederum würde immer weiter steigende Aktienbewertungen rechtfertigen, die aber tatsächlich längst weit über die historischen Durchschnitte hinausgeschossen waren.
Geduld zahlt sich aus
Typische Anlegerreaktionen prägen auch die Entscheidungen, wenn der Trend an den Börsen wieder nach unten zeigt. Dann gewinnt das Prinzip der Vorsicht wieder ganz deutlich an Gewicht. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass der Mensch schon in der Normalsituation das Risiko weit höher bewertet als die Erfolgsaussicht. Die Gewinnchance muss demnach das abzuschätzende Risiko um das Dreifache übertreffen. Will heißen: Wer mit einem Investment 60 Prozent gewinnen kann, mag dafür nur ein Verlustrisiko von 20 Prozent eingehen. In diesen Tagen dürfte das Verhältnis weiter in Richtung Risikoaversion verschoben sein. Aber die Launen der Märkte lassen sich glätten, wenn man sich den Börsen diszipliniert nähert. Das heißt, grundsätzlich einen langfristigen Anlagehorizont wählen und regelmäßig investieren – das gleicht kurzfristige Schwankungen aus. Besondere Sorgfalt bei der Auswahl der Fonds walten zu lassen und auf die Ausgewogenheit des Depots zu achten, ist unverzichtbar. Dabei sollten Fonds und Depotstruktur nicht nur zur jeweiligen Marktlage, sondern auch zur eigenen Risikobereitschaft passen. Denn auch Investmentanleger müssen ihre eigene Psyche kennen und beispielsweise bei einem chancenorientierten Aktienportfolio auch einmal Zeiten mit Verlusten verkraften können. Langfristig macht sich die Geduld, jedenfalls belegt das die historische Erfahrung, allemal bezahlt.
Psychologie erobert die Wirtschaftswissenschaften
Nicht ohne Grund macht unter dem Namen „Behavioral Finance“ heute eine moderne Analysemethode Furore, die sich explizit auf die Zusammenführung von Psychologie und Ökonomie stützt. Joachim Goldberg beispielsweise, Geschäftsführer der Finanzagentur „cognitrend“, erforscht auf dieser Basis in seiner täglichen Arbeit das Zusammenspiel von Markt und Menschen. Er weiß aus seinen Beobachtungen, dass vor allem auch der Umgang mit einmal eingetretenen Verlusten zu dramatischen Fehlentwicklungen führen kann. Der Grund: Die Psyche drängt den Menschen, sich gemachte Fehler nicht einzugestehen. „Viele steigen zu spät aus und müssen deshalb immer höhere Verluste in Kauf nehmen“, sagt Goldberg. Irgendwann lohnt der Ausstieg meist nicht mehr, denn wer im Keller des Bärenmarkts verkauft, macht bekanntlich den größten Verlust.
Nach länger währenden Enttäuschungen verblasst aber die Erinnerung an die Einstiegskurse. Und weil der Mensch nun einmal das Wohlbefinden sucht, empfindet er dann schon kleinere Aufwärtstrends als Gewinn. Prompt entschließt sich der Investor nun zum Verkauf, obwohl sein Wertpapier noch immer weit unter dem ursprünglichen Kaufpreis notiert. Dabei wäre es gerade in solchen Situationen mitunter klüger, die Anlagestrategie zu überprüfen, die eigenen Bestände durch Zukäufe zu den jetzt günstigeren Kursniveaus aufzustocken, den Anlagehorizont zu verlängern und so die eigene Position zu verbessern.
Mit Disziplin die Psychofallen umgehen
Die Psychologie legt also den Schluss nahe, den auch ein alte Börsenweisheit zieht: Die günstigsten Einstiegspreise winken immer dann, wenn der Pessimismus am größten ist. Wann dieser Zeitpunkt gekommen ist, lässt sich im Voraus allerdings nie exakt bestimmen. Darüber hinaus bedarf es einer gehörigen Portion Mut, in einem negativ gestimmten Umfeld tatsächlich auch zu kaufen. Eine systematische Strategie aber macht es immerhin leichter, diese psychische Hürde zu überspringen. Es müssen ja zum Beispiel nicht immer alle vorhandenen Mittel auf einmal investiert werden. Schon mit einer Anlage zwischen 1.000 oder 5.000 Euro kann jetzt zu historisch relativ günstigen Preisen der Grundstein für eine langfristig attraktive Rendite an den Aktienbörsen gelegt werden. Denn nur wer investiert ist, kann überhaupt von einem Aufschwung profitieren. Dass es dabei immer wieder auch zu stärkeren Kursschwankungen kommen wird, muss gerade den Fondsanleger nicht irritieren. Denn der kann, auf seinem Grundinvestment aufbauend, durch die regelmäßige Einzahlung auch kleinerer Beträge sein Risiko zusätzlich abfedern. Wer also in der Baisse mit System investiert – etwa über Sparpläne –,kann Psychofallen umgehen und den Märkten ein Schnippchen schlagen.
Die fünf wichtigsten Psychoregeln
1. Regel: Langer Anlagehorizont glättet Risiken und betont Chancen!
Starke Übertreibungen nach unten wie oben sind an der Börse in der Regel kurzfristiger Natur. Bei langem Horizont verliert sich die börsenbelastende Wirkung von Crashs, Kriegen, Krisen und Konjunkturflauten. Die Wachstumskräfte der Wirtschaft überlagern deutlich die negativen Faktoren. So wären aus einer Einmalanlage von 10.000 Euro im Aktienfonds ADIG Fondak in den letzten 20 Jahren (Stichtag: 31.12.2002) rund 56.000 Euro geworden – trotz des schwarzen Montags von 1987 und trotz des derzeit größten Bärenmarkts der Nachkriegsgeschichte!
2. Regel: Wer immer der Masse folgt, verhält sich ungünstig!
Wer sich stark prozyklisch verhält – also investiert, wenn alle es tun, und verkauft, wenn die Mehrheit den Markt verlässt –,investiert „teuer“ und realisiert „billig“. Deshalb ist es ratsam, sich weder von einer Goldgräberstimmung noch einer kollektiven Depression anstecken zu lassen!
3. Regel: Verluste werden stärker empfunden als Gewinne!
Deshalb steigt in Bärenmärkten die Risikoaversion weit über das normale Maß hinaus. Der Blick für die Chancen, die gerade bei Börsentiefständen winken, geht verloren. Solange man auf der „Käuferseite“ ist, sind „billige“ Märkte in der Baisse aber allemal sinnvoller als „teure“ Kurse in der Hausse.
4. Regel: Wenn die Stimmung am Tiefpunkt ist, sind die Gewinnchancen meist besonders groß!
Allerdings gilt diese Regel vor allem in der Theorie. Denn der Tiefpunkt einer Baisse ist natürlich immer erst im Nachhinein festzustellen. Daher empfiehlt sich, bei getroffener Anlageentscheidung nicht alles auf eine Karte zu setzen und den vorgesehenen Anlagebetrag in mehreren „Portionen“ zu investieren – am besten an „schwachen“ Tagen.
5. Regel: „Reale“ oder „gerechte“ Bewertungen sind an der Börse selten!
Denn die Aktienmärkte neigen zur Übertreibung – nach „unten“ wie nach „oben“. Deshalb sollte der Anleger die kurzfristigen Launen der Märkte in einem ausgewogenen Depot ausbalancieren, um im Bedarfsfall liquide zu sein. Nicht nur über die gezielte Streuung seiner Aktieninvestments, sondern auch über die ergänzende Wahl defensiverer Anlageformen wie Renten- oder Geldmarktfonds.
jobar.p9.org.uk/weiter2.gif" style="max-width:560px" >