Der Kleinanleger wird geködert

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maxperforma.:

Der Kleinanleger wird geködert

 
30.07.02 09:30
Der Kleinanleger wird geködert
(aus: Günter Hannich, Börsenkrach und Weltwirtschaftskrise)

Doch auch die Börse kann nicht ewig so weiterwachsen, deshalb werden zunehmend die normalen Geldanleger, durch großangelegte Werbung, für das Börseninvestment begeistert. Von Expertenseite wird erklärt, daß wir uns in einer andauernden Aufschwungphase befänden, es wird von der »Besten aller Welten« geredet. Kritische Stimmen werden als »Pessimisten« abgetan. In der breiten Bevölkerung wird dadurch, wenn man die Gesetze der Massenpsychologie anwendet, der Eindruck erweckt, daß die Entwicklung immer so weitergehen würde. Je mehr in den Medien scheinbar hohe Aktiengewinne herausgestellt werden, um so mehr tendiert der Normalbürger dazu, bei diesem Spiel auch dabeisein zu wollen. Scheinbar mühelos ließen sich hier Gewinne machen, für welche man sonst jahrelang arbeiten müßte, so wird argumentiert.

Der erste größere Schlag, um die Kleinanleger zu ködern, erfolgte mit der Telekom-Aktie im Sommer 1997. Die T-Aktie wurde im weiteren Verlauf langsam nach oben spekuliert, um Ende 1998, ohne fundamentalen Grund, zu explodieren. Seit Herbst 1999 konnte sich die T-Aktie zum größten Marktwert im DAX entwickeln. Da diese Aktie bei den Finanzkrisen im Herbst 1997 und 1998 nicht massiv abstürzte, wurde bei der Masse der Eindruck erweckt, daß man Aktien im Krisenfall keineswegs verkaufen dürfe, sondern diese nur lange genug halten müsse, weil sie später noch viel schneller wachsen würden.

Eine neue Manipulation der breiten Massenmeinung erfolgte durch die Ausgabe der Infineon-Aktie Anfang des Jahres 2000. Vor dem geplanten Börsengang hieß die Firma Siemens-Halbleiter und wurde vom Mutterkonzern abgestoßen, weil die Sparte nur Verluste einfuhr. Durch Werbeexperten wurde der Name »Infineon« geschaffen und eine großangelegte Werbung sorgte dafür, daß ein lebhaftes Interesse bei der Masse erzeugt wurde. Die Nachfrage nach dem früher verschmähten Pleiteunternehmen wuchs so stark an, daß allein bei der Stadtsparkasse München in der Zeichnungsphase jeden Tag über 1100 neue Depots eröffnet wurden, 90 % nur wegen dieser einen Aktie.238 Die Aktie war am Ende über dreißigfach überzeichnet. Die Enttäuschung folgte am Ausgabetag, als bekannt wurde, daß nur jeder Sechste überhaupt das Papier erhalten werde. Vom massenpsychologischen Standpunkt war die Aktion trotzdem ein voller Erfolg, da der breiten Bevölkerung damit gelehrt wurde, daß einmal Aktien schon am ersten Tag ansteigen (Infineon verdoppelte sich) und daß es sich lohne, einen möglichst hohen Betrag der Papiere zu zeichnen, da man am Ausgabetag nur einen Bruchteil der georderten Menge überhaupt erhalte. Die Maßnahmen zeigten Erfolg: Im März 2000 vertraten bereits 56 Prozent der Menschen die Meinung, daß man an der Börse reich werde. 239

Nach einer Studie des Deutschen Aktieninstitutes waren 1999 erstmals mehr als 5 Mio. Anleger im Besitz von Aktien. Insgesamt legten 8,2 Mio. Deutsche ihr Geld in Aktien oder Fonds an.240 Immer mehr Aktien werden in gieriger Erwartung riesiger Gewinne von der Bevölkerung aufgekauft. In diesem Umfeld führen sogar negative Meldungen, entgegen jeder Vernunft, zu Kurssteigerungen. So führte eine katastrophale Meldung im Oktober 1999, welche besagte, daß IBM vor sinkenden Gewinnen stehe, bei den Börsianern zu Optimismus. Es wurde argumentiert, daß wenn solch eine schlechte Nachricht nicht zu einem Crash geführt habe, dieser deshalb gänzlich ausgeschlossen sei. 241 Doch der Boom beginnt erst. So konnten Anfang 2000 schon mehr als doppelt so viele Aktien an der Börse plaziert werden, wie im Vorjahreszeitraum. »Der Markt legt einen so furiosen Start hin, weil die Leute so wild darauf sind, neue Aktien mit Kurszuwächsen von 60, 80, 100 oder noch mehr Prozent in die Hände zu bekommen«, erklärte David Menlow, Präsident von Ipofinancial.com. »Der Gierfaktor beherrscht alles. Der durchschnittliche Kursgewinn am ersten Tag soll im Jahr 2000 mit 101 Prozent noch höher als 1999 mit 68 Prozent liegen.« 242

Auch der Staat möchte in diesem Umfeld, daß möglichst viel Geld an die Börse fließt. In Zukunft sollen Aktien zwangsweise in die breite Bevölkerung gestreut werden. Dazu will man die Arbeitnehmer, nach Plänen der Bundesregierung, stärker an ihr Unternehmen binden. Die Beschäftigten sollen dann einen Barlohn und einen Sparlohn in Form von Aktien erhalten. Mit Recht haben sich die Gewerkschaften bisher immer dagegen gesträubt, neben dem Lohn- und Arbeitsplatzrisiko auch noch das Kapitalrisiko übernehmen zu müssen.243 Die breite Bevölkerung wird also in Zukunft freiwillig oder unfreiwillig noch mehr bereit sein, viel Geld im Aktienmarkt zu investieren, da der Eindruck vorherrscht, daß man nur gewinnen könne. Dies ist jedoch genau die Gelegenheit, welche die Reichen suchen, um langsam aus dem Aktienmarkt auszusteigen. Bei einem Crash wird dann das gesamte Vermögen der Mittelschicht nach oben umverteilt.


Hat irgendeiner das Buch gelesen?
Ist da was dran oder handelt es sich um Populärschund?
wahnschaffe:

Der Börsenschwindel

 
30.07.02 10:37
Ich habe zwar nicht dieses Buch, aber ein ähnliches, gelesen.

Es heißt "Der Börsenschwindel" und ist von Günther Ogger.

Er zeigt unter anderem auch am Beispiel der T-Aktie oder EM-TV, wie Banken in Zusammenarbeit mit sogenannten Analysten den Kleinanleger systematisch und bewusst abzocken. Wenn ein Analyst eine Aktie empfiehlt, dann möchte er lediglich den Kurs hochtreiben, weil die Banken verkaufen wollen und umgekehrt. Analysten empfehlen nur dann Aktien zum Kauf, NACHDEM diese gestiegen sind, wenn also die Banken schon drin sind. Umgekehrt wird eine Aktie immer erst NACH einem markanten Kursverlust zum Verkauf empfohlen, wenn die Banken schon raus sind.

Die Kaufempfehlung eines Analysten, die wir hier im Board "ganz frisch" lesen, ging schon Stunden oder Tage vorher unter der Hand an Banken und Investoren. Der Kleinanleger treibt dann noch schön den Kurs hoch und die Banken können die Ernte einfahren.

Nur weniges davon wird bekannt. Wir erinnern uns, als der Analyst einer großen Bank eine Kaufempfehlung für die Deutsche Telekom aussprach und kurz darauf eben diese Bank soviele Telekomaktien verkauft hat, dass der Kurs dramatisch absackte. Die Empörung in der Bevölkerung war groß, heute spricht niemand mehr davon. Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus.

Auch auf den Schwindel mit Aktienfonds geht Ogger ein. An denen verdienen eigentlich nur die Banken.

Das Buch ist absolut lesenswert, weil hier nicht nur Behauptungen in den Raum gestellt werden, sondern die Thesen nachvollziehbar mit täglichen Beispielen an der Börse (die man selbst kennt) untermauert werden.

Um auf die Frage zurückzukommen "Ist da was dran...?":
Ja, genau so läuft das Spiel. Wer Gewinne an der Börse machen will, muss seine Entscheidungen eigenständig treffen. Die meisten Kleinanleger tun dies nicht und werden gnadenlos ausgenommen. Ich habe diese Erfahrung in meinen ersten Jahren auch machen müssen.


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