EU-Ratsvorsitz "sehr zufrieden"
Trotz Kritik zieht Schüssel positive Bilanz: "Jeder konnte mit jedem reden."
Bis zuletzt haben die Staats- und Regierungschefs beim EU-Lateinamerika-Karibik-Gipfel am Freitag um ein Ergebnis gerungen. Der Ideologiestreit - Verstaatlichung vs. Liberalisierung - innerhalb des Lateinamerika-Karibik-Staatenblocks brachte eine Einigung fast zum Scheitern. Letztlich einigte man sich zumindest auf eine gemeinsame Schlusserklärung.
Freihandel mit Mittelamerika
Die Gespaltenheit der Gastländer führte jedoch dazu, dass die EU nur mit den Mittelamerika-Staaten Verhandlungen über eine Freihandelszone aufnehmen will, nicht jedoch mit der Anden-Staatengemeinschaft.
Die EU begründet das mit dem "inneren Zustand" dieser Gruppe, der unter anderem Venezuela angehört. Dessen Staatschef Hugo Chavez hat angekündigt, die Staatengemeinschaft verlassen zu wollen.
"Wirtschaftliche Annäherung gescheitert"
Überwiegend kritisch fiel eine erste Bewertung des Mammut-Gipfels auch in den internationalen Medien aus. Nach Ansicht der "Süddeutschen Zeitung" scheiterten die EU und Lateinamerika bei dem Versuch, einander wirtschaftlich näher zu kommen.
Das Treffen sei bis zum Schluss "überschattet" geblieben "vom Gegensatz zwischen zwei Gruppen innerhalb der lateinamerikanischer Länder". Den linksgerichteten Staatschefs Boliviens und Venezuelas, die den Einfluss ausländischer Investoren zurückdrängen wollen, und den Verfechtern des Freihandels wie etwa Mexikos Präsident Vicente Fox.
"Ein mangelhafter Erfolg"
Für die spanische Zeitung "El Pais" ist die lateinamerikanische Integration in einer Krise, die den Gipfel abgewertet habe. Der Gipfel sei bis zuletzt "am Rand des Scheiterns" gestanden.
"Erst in letzter Sekunde und nur mit einem Kraftakt" sei zumindest die Aufnahme von Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit den zentralamerikanischen Staaten zu Stande gekommen. Für "El Pais" ein "mangelhafter Erfolg".
Schüssel: "Gutes Gefühl"
Ganz anders sieht dagegen naturgemäß die Bilanz aus, die der EU-Ratsvorsitzende Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) zieht. Er zeigte sich am Samstag "sehr zufrieden" mit den Ergebnissen des Gipfels.
"Das wichtigste Ergebnis war, dass jeder mit jedem reden konnte", erklärte Schüssel in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso und der chilenischen Präsidentin Michelle Bachelet. "Jeder fährt von diesem Treffen mit einem guten Gefühl weg."
"Bis zu 300 Gespräche"
Während des Gipfels habe es 250 bis 300 bilaterale Gespräche gegeben, unterlegte Schüssel seine Erfolgsbilanz mit Zahlen, "es haben intensive Kontakte der Andengemeinschaft stattgefunden. Gerade in einer Zeit, wo wir Netzwerke brauchen, ist das Aufeinanderzugehen sehr wichtig."
Kanzler weist Kritik zurück
Bei dem Treffen seien auch neben der Entscheidung, mit den zentralamerikanischen Ländern Gespräche über ein Freihandelsabkommen aufzunehmen, sehr konkrete Ziele vereinbart worden, wehrte sich der Bundeskanzler gegen Kritik, wonach der Gipfel mangelhafte Ergebnisse gebracht habe.
"Vielleicht ist das nicht immer nach außen gedrungen." Man habe sich aber für den Weg der konkreten Arbeit entschieden, statt immer "nach draußen" zu informieren.
"Selbstverpflichtung" zu mehr Handel
Als Beispiele nannte Schüssel die "Selbstverpflichtung", das Handelsvolumen zwischen der EU und Lateinamerika innerhalb von fünf Jahren verdoppeln zu wollen. "Wenn wir 100 Millionen Arbeitsplätze schaffen, werden diese jungen Menschen zugute kommen."
Die Entwicklungsbank wolle Klein- und Mittelbetriebe fördern. Zudem gebe es Programme für die indigene Bevölkerung und für Minderheiten. "Die Kommission hat ambitiöse Ziele".
Plassnik: "Viel Konkretes"
Auch Außenministerin Ursula Plassnik (ÖVP)verteidigte das Ergebnis des Gipfels und sprach von vielen konkreten Ergebnissen in der Schlusserklärung.
In einer Sonder-ZiB meinte Plassnik in der Nacht auf Samstag, die EU habe den lateinamerikanischen Staaten "ein starkes Signal der Unterstützung gegeben".