Hier mal der Doomsday aus anderer Sicht - im zerstrittenen, wirtschaftlich divergenten Euro-Land.
Die unterschiedliche Wirtschaftsentwicklung innerhalb der EU könnte dazu führen, dass die wirtschaftlich schwächeren Staaten - "Spanien, Griechenland, Portugal und sogar Frankreich" (Artikel unten) - aus dem Euro aussteigen, so wie vor einigen Jahren noch Italien mit der Rückkehr zur Lire gedroht hatte. Das würde dem Euro zu anderen Währungen einen ziemlichen Schlag versetzen. Selbst ein neuer Test des Allzeittiefs von 0,83 zum Dollar würde mich nicht wundern, wenn der Chart-Zug erst mal Fahrt aufnimmt.
Im folgenden die Begründung.
A.L.
manager-magazin.de, 30. Juli 2007, 07:50 Uhr
Die schwelende Euro-Krise
Von Henrik Müller
Es ist paradox: Endlich läuft die Wirtschaft in Europa mal so richtig, da steigen die Spannungen innerhalb des Eurolands. Während einige Mitgliedstaaten vor ökonomischer Kraft kaum laufen können, stecken andere in einer Krise. Hält die Währungsunion die kommenden Konflikte aus?
Auf den ersten Blick sieht es so aus, als ob der Euro endlich eine Erfolgsgeschichte würde. Erstmals seit Beginn der Währungsunion wird das Euroland in diesem Jahr schneller wachsen als die beiden anderen großen hochentwickelten Wirtschaftsräume, Nordamerika und Japan.
Solide scheint Europa dazustehen, solider als der Rest der Welt – mit einer Euroland-Leistungsbilanz, die annähernd ausgeglichen ist; mit sinkender Arbeitslosigkeit; mit einem insgesamt moderaten Staatsdefizit von nur 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Es kommt noch besser: Eine Studie für manager magazin, die wir in Heft 5 dieses Jahres gedruckt haben ( siehe: "Europa - Unser erstaunliches Comeback"), attestierte den ökonomischen Zentren der EU eine deutlich verbesserte Wettbewerbsfähigkeit, die dazu angetan ist, den Aufschwung noch einige Jahre zu tragen.
Von Helsinki bis Wien, von Dublin bis Luxemburg, von Stuttgart bis Paris – Europas Topstandorte spielen wieder vorn mit. Die lange Stagnation scheint überwunden zu sein, der Kontinent fundamental gesundet.
Zeit zum Durchatmen also? Zeit für ein neues Wirtschaftswunder?
Es klingt fast zu schön. Und das ist es auch. Denn bei näherem Hinsehen tun sich gefährliche Risse auf.
Die Zahlen für Euroland insgesamt verdecken die zunehmenden Spannungen innerhalb des Währungsgebiets, das nun mal reichlich heterogen ist. Es gliedert sich in drei Teile:
Da ist, erstens, der harte Kern, der in letzter Zeit enorm an Wettbewerbsfähigkeit und Dynamik gewonnen hat. Es sind Länder mit hohen, teils sehr hohen Leistungsbilanz- Überschüssen. Deutschland, Österreich, die Niederlande, Finnland, Luxemburg, Belgien – Volkswirtschaften, die in den vergangenen Jahren von Lohnzurückhaltung, von privater und staatlicher Sparsamkeit geprägt waren. Zufall oder nicht: Die meisten dieser Länder sind protestantisch geprägt.
Dann gibt es, zweitens, ein Mittelfeld aus Euro-Staaten, die partielle Probleme mit ihrer Wettbewerbsfähigkeit haben. Länder mit Leistungsbilanzdefiziten und unterdurchschnittlichem Wachstum. Dazu zählen insbesondere Frankreich und Italien. Auch Irland durchlebt, nach anderthalb Jahrzehnten spektakulären Wachstums, eine relative Schwächephase.
Und drittens sind da die Problemfälle, die mit schwindender Wettbewerbsfähigkeit und hohen Leistungsbilanzdefiziten zu kämpfen haben. Griechenland und Portugal, aber auch Spanien stecken in ernsten ökonomischen Schwierigkeiten.
Zwischen diesen drei Gruppen bahnen sich Konflikte um die Geld- und Währungspolitik. So kommt es zu der scheinbar paradoxen Situation, dass dem Euroland eine Zerreißprobe in einer Phase bevorsteht, da die Wirtschaftsdaten für den Wirtschaftsraum insgesamt gut sind. Einer Phase außerdem, in der der Euro als internationale Währung dem Dollar Marktanteile abnimmt.
Wie schlimm wird der Euro-Streit?
In den vergangenen Jahren hielten sich die Konflikte zwischen den Regierungen der inzwischen 13 Euro-Staaten in Grenzen. Der damals malade Kern, Deutschland zumal, war auf niedrige Zinsen angewiesen. Den übrigen Ländern war es recht: Die teils negativen Realzinsen entfachten vielerorts einen Immobilienboom – manche Leute wurden reich, viele fühlten sich zumindest reich.
Nun aber hat eine neue Phase begonnen: Der harte Kern nähert sich der Überhitzungsschwelle, weshalb die Europäische Zentralbank (EZB) dabei ist, die Zinsen zu erhöhen. Ein sehr starker Euro – mit weiterem Potenzial nach oben ( siehe: "Müllers Welt - Das Dollar-Kartell") – sorgt für zusätzliche Abkühlung, die in den Kernländern prinzipiell willkommen ist.
In jenen Volkswirtschaften aber, die derzeit eine Schwächephase durchleiden, drohen steigende Zinsen das Wachstum insgesamt abzuwürgen, weil die aufgepumpten Immobilienmärkte sensibel auf teurere Kreditkonditionen reagieren.
Es gibt also einen handfesten Interessenkonflikt um Geld und Währung. Und der kann jederzeit eskalieren.
Einen Vorgeschmack darauf gaben bereits die Einlassungen des neuen französischen Präsidenten Nikolas Sarkozy, der kürzlich mal wieder die alte Idee einer "Wirtschaftsregierung" vorbrachte. Sie soll, so die Vorstellung in Paris, als ein politisches Gegengewicht zur EZB dafür sorgen, dass die Notenbanker sich nicht nur um Inflationseindämmung, sondern auch um Wachstum kümmern.
Was wohl heißen soll: Die Wirtschaftsregierung soll sich um einen schwächeren Außenwert des Euro bemühen (denn die Wechselkurspolitik ist nach EU-Vertrag die einzige geldpolitische Stellschraube, auf die die Regierungen der Mitgliedstaaten, die im Ecofin-Rat zusammensitzen, direkt Einfluss nehmen können).
Bislang sind es nur verbale Scharmützel. Aber wenn nicht nur das kleine Portugal, derzeit der Euro-Staat in der schlechtesten Verfassung, leidet, sondern ein relativ großes Land wie Spanien in eine tiefe Wirtschaftskrise rutschen sollte, dann könnte sich die Stimmung drehen. In Italien kokettierte bereits vor zwei Jahren die Regierung Berlusconi mit der Idee, die Währungsunion zu verlassen.
Derartige Sezessionsbewegungen wären auch in anderen Ländern denkbar: Spanien, Griechenland, Portugal, sogar Frankreich – sie alle könnten lautstark über ein Ausscheiden aus dem Euro-Verbund nachsinnen. Und machen wir uns nichts vor: Auch in Deutschland wäre die Wiedereinführung der D-Mark nach wie vor populär; glücklicherweise verleiht einer solchen Forderung hierzulande niemand eine politische Stimme. Bislang jedenfalls. (Wie wär’s, Herr Lafontaine?)
Die wiederkehrenden Ausstiegsdrohungen zeigen, wie schwach die europäische Identität ist. Europa ist (noch?) keine Supranation mit starkem Zusammengehörigkeitsgefühl.
Die EU und auch die Währungsunion sind Zweckbündnisse, die, wenn sie ihren Zweck nicht mehr zu erfüllen scheinen, Legitimationsprobleme bekommen. Entsprechend groß ist die potenzielle Sprengkraft der derzeitigen ökonomischen Verspannungen.
Wackelig wie die politische Lage nun mal ist in Europa – mit einer umstrittenen Verfassung, mit einem Wiederaufleben nationalstaatlicher Egoismen – dürften die Konflikte um Geld und Währung durch wachsweiche Kompromisse gelöst werden. Im Zweifel werden die Regierungen eher versuchen, die EZB zu einem lascheren Kurs zu drängen, als die gemeinsame Währung zu gefährden.
Der US-Ökonom Kenneth Rogoff prophezeite vor ein paar Monaten in einem Interview, "dass in zehn Jahren einige Länder nicht mehr der Eurozone angehören werden". Dieses Risiko werden die Europäer nicht eingehen wollen.
© manager-magazin.de 2007
Quelle: www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/...8,496759,00.html
Die unterschiedliche Wirtschaftsentwicklung innerhalb der EU könnte dazu führen, dass die wirtschaftlich schwächeren Staaten - "Spanien, Griechenland, Portugal und sogar Frankreich" (Artikel unten) - aus dem Euro aussteigen, so wie vor einigen Jahren noch Italien mit der Rückkehr zur Lire gedroht hatte. Das würde dem Euro zu anderen Währungen einen ziemlichen Schlag versetzen. Selbst ein neuer Test des Allzeittiefs von 0,83 zum Dollar würde mich nicht wundern, wenn der Chart-Zug erst mal Fahrt aufnimmt.
Im folgenden die Begründung.
A.L.
manager-magazin.de, 30. Juli 2007, 07:50 Uhr
Die schwelende Euro-Krise
Von Henrik Müller
Es ist paradox: Endlich läuft die Wirtschaft in Europa mal so richtig, da steigen die Spannungen innerhalb des Eurolands. Während einige Mitgliedstaaten vor ökonomischer Kraft kaum laufen können, stecken andere in einer Krise. Hält die Währungsunion die kommenden Konflikte aus?
Auf den ersten Blick sieht es so aus, als ob der Euro endlich eine Erfolgsgeschichte würde. Erstmals seit Beginn der Währungsunion wird das Euroland in diesem Jahr schneller wachsen als die beiden anderen großen hochentwickelten Wirtschaftsräume, Nordamerika und Japan.
Solide scheint Europa dazustehen, solider als der Rest der Welt – mit einer Euroland-Leistungsbilanz, die annähernd ausgeglichen ist; mit sinkender Arbeitslosigkeit; mit einem insgesamt moderaten Staatsdefizit von nur 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Es kommt noch besser: Eine Studie für manager magazin, die wir in Heft 5 dieses Jahres gedruckt haben ( siehe: "Europa - Unser erstaunliches Comeback"), attestierte den ökonomischen Zentren der EU eine deutlich verbesserte Wettbewerbsfähigkeit, die dazu angetan ist, den Aufschwung noch einige Jahre zu tragen.
Von Helsinki bis Wien, von Dublin bis Luxemburg, von Stuttgart bis Paris – Europas Topstandorte spielen wieder vorn mit. Die lange Stagnation scheint überwunden zu sein, der Kontinent fundamental gesundet.
Zeit zum Durchatmen also? Zeit für ein neues Wirtschaftswunder?
Es klingt fast zu schön. Und das ist es auch. Denn bei näherem Hinsehen tun sich gefährliche Risse auf.
Die Zahlen für Euroland insgesamt verdecken die zunehmenden Spannungen innerhalb des Währungsgebiets, das nun mal reichlich heterogen ist. Es gliedert sich in drei Teile:
Da ist, erstens, der harte Kern, der in letzter Zeit enorm an Wettbewerbsfähigkeit und Dynamik gewonnen hat. Es sind Länder mit hohen, teils sehr hohen Leistungsbilanz- Überschüssen. Deutschland, Österreich, die Niederlande, Finnland, Luxemburg, Belgien – Volkswirtschaften, die in den vergangenen Jahren von Lohnzurückhaltung, von privater und staatlicher Sparsamkeit geprägt waren. Zufall oder nicht: Die meisten dieser Länder sind protestantisch geprägt.
Dann gibt es, zweitens, ein Mittelfeld aus Euro-Staaten, die partielle Probleme mit ihrer Wettbewerbsfähigkeit haben. Länder mit Leistungsbilanzdefiziten und unterdurchschnittlichem Wachstum. Dazu zählen insbesondere Frankreich und Italien. Auch Irland durchlebt, nach anderthalb Jahrzehnten spektakulären Wachstums, eine relative Schwächephase.
Und drittens sind da die Problemfälle, die mit schwindender Wettbewerbsfähigkeit und hohen Leistungsbilanzdefiziten zu kämpfen haben. Griechenland und Portugal, aber auch Spanien stecken in ernsten ökonomischen Schwierigkeiten.
Zwischen diesen drei Gruppen bahnen sich Konflikte um die Geld- und Währungspolitik. So kommt es zu der scheinbar paradoxen Situation, dass dem Euroland eine Zerreißprobe in einer Phase bevorsteht, da die Wirtschaftsdaten für den Wirtschaftsraum insgesamt gut sind. Einer Phase außerdem, in der der Euro als internationale Währung dem Dollar Marktanteile abnimmt.
Wie schlimm wird der Euro-Streit?
In den vergangenen Jahren hielten sich die Konflikte zwischen den Regierungen der inzwischen 13 Euro-Staaten in Grenzen. Der damals malade Kern, Deutschland zumal, war auf niedrige Zinsen angewiesen. Den übrigen Ländern war es recht: Die teils negativen Realzinsen entfachten vielerorts einen Immobilienboom – manche Leute wurden reich, viele fühlten sich zumindest reich.
Nun aber hat eine neue Phase begonnen: Der harte Kern nähert sich der Überhitzungsschwelle, weshalb die Europäische Zentralbank (EZB) dabei ist, die Zinsen zu erhöhen. Ein sehr starker Euro – mit weiterem Potenzial nach oben ( siehe: "Müllers Welt - Das Dollar-Kartell") – sorgt für zusätzliche Abkühlung, die in den Kernländern prinzipiell willkommen ist.
In jenen Volkswirtschaften aber, die derzeit eine Schwächephase durchleiden, drohen steigende Zinsen das Wachstum insgesamt abzuwürgen, weil die aufgepumpten Immobilienmärkte sensibel auf teurere Kreditkonditionen reagieren.
Es gibt also einen handfesten Interessenkonflikt um Geld und Währung. Und der kann jederzeit eskalieren.
Einen Vorgeschmack darauf gaben bereits die Einlassungen des neuen französischen Präsidenten Nikolas Sarkozy, der kürzlich mal wieder die alte Idee einer "Wirtschaftsregierung" vorbrachte. Sie soll, so die Vorstellung in Paris, als ein politisches Gegengewicht zur EZB dafür sorgen, dass die Notenbanker sich nicht nur um Inflationseindämmung, sondern auch um Wachstum kümmern.
Was wohl heißen soll: Die Wirtschaftsregierung soll sich um einen schwächeren Außenwert des Euro bemühen (denn die Wechselkurspolitik ist nach EU-Vertrag die einzige geldpolitische Stellschraube, auf die die Regierungen der Mitgliedstaaten, die im Ecofin-Rat zusammensitzen, direkt Einfluss nehmen können).
Bislang sind es nur verbale Scharmützel. Aber wenn nicht nur das kleine Portugal, derzeit der Euro-Staat in der schlechtesten Verfassung, leidet, sondern ein relativ großes Land wie Spanien in eine tiefe Wirtschaftskrise rutschen sollte, dann könnte sich die Stimmung drehen. In Italien kokettierte bereits vor zwei Jahren die Regierung Berlusconi mit der Idee, die Währungsunion zu verlassen.
Derartige Sezessionsbewegungen wären auch in anderen Ländern denkbar: Spanien, Griechenland, Portugal, sogar Frankreich – sie alle könnten lautstark über ein Ausscheiden aus dem Euro-Verbund nachsinnen. Und machen wir uns nichts vor: Auch in Deutschland wäre die Wiedereinführung der D-Mark nach wie vor populär; glücklicherweise verleiht einer solchen Forderung hierzulande niemand eine politische Stimme. Bislang jedenfalls. (Wie wär’s, Herr Lafontaine?)
Die wiederkehrenden Ausstiegsdrohungen zeigen, wie schwach die europäische Identität ist. Europa ist (noch?) keine Supranation mit starkem Zusammengehörigkeitsgefühl.
Die EU und auch die Währungsunion sind Zweckbündnisse, die, wenn sie ihren Zweck nicht mehr zu erfüllen scheinen, Legitimationsprobleme bekommen. Entsprechend groß ist die potenzielle Sprengkraft der derzeitigen ökonomischen Verspannungen.
Wackelig wie die politische Lage nun mal ist in Europa – mit einer umstrittenen Verfassung, mit einem Wiederaufleben nationalstaatlicher Egoismen – dürften die Konflikte um Geld und Währung durch wachsweiche Kompromisse gelöst werden. Im Zweifel werden die Regierungen eher versuchen, die EZB zu einem lascheren Kurs zu drängen, als die gemeinsame Währung zu gefährden.
Der US-Ökonom Kenneth Rogoff prophezeite vor ein paar Monaten in einem Interview, "dass in zehn Jahren einige Länder nicht mehr der Eurozone angehören werden". Dieses Risiko werden die Europäer nicht eingehen wollen.
© manager-magazin.de 2007
Quelle: www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/...8,496759,00.html
