B I O T E C H N O L O G I E
Der Konsolidierungsprozess ist in vollem Gang. Analysten sehen nach einem schwachen Vorjahr wieder Potenzial. Auch deutsche Firmen stellen sich neu auf.
Frankfurt am Main - Die Nachrichten von Übernahmen in der Biotech-Branche sprechen eine klare Sprache. Zuletzt traf es die Immunex Corp.: Der Biotech-Riese Amgen kauft den Konkurrenten für rund 16 Milliarden US-Dollar.
Der Zwang zum Wachstum gilt zwar für die gesamte Branche weltweit, doch werden die spektakulärsten Übernahmen aus den USA gemeldet. Die Gründe sind nach Meinung von Branchenkennern immer dieselben. Stets gehe es um den Zugang zu am Markt eingeführten Medikamenten und zu hoffnungsvollen Medikamenten-Kandidaten. Manchmal seien auch der Zugang zu Forschungsansätzen oder die liquiden Mittel sowie eine bereits bestehende Vertriebsstruktur von Bedeutung.
Amgen läßt Muskeln spielen
Die spektakulärste und bislang teuerste Übernahme in der Biotech-Branche kann sich der Vorstandschef des weltweit größten Biotech-Unternehmens Amgen, Kevin Sharer, auf seine Fahnen schreiben. Der 1980 gegründeten Biotech-Pionier sicherte sich durch den Kauf von Immunex den Zugriff auf "Enbrel": Dieses Arthritis-Medikament dürfte für einen Umsatz von 750 Millionen Dollar gut sein.
Beide Unternehmen, die es zusammen auf eine Marktkapitalisierung von 72 Milliarden Dollar bringen, sehen durch den Zusammenschluss im Jahr 2003 Einsparmöglichkeiten von 200 Millionen Dollar. Der gemeinsame Umsatz soll im laufenden Jahr bei 5,5 Milliarden Dollar liegen.
Amgen: Von Epogen zu Aransesp
In den vergangenen Jahren war bei Amgen der Nachschub an neuen Medikamenten ins Stocken geraten. Mehr als zwanzig Jahre wurde das Unternehmenswachstum von den beiden Hauptumsatzträgern "Epogen" gegen Blutarmut und "Neupogen" zur Stärkung der körpereigenen Abwehr nach einer Chemotherapie getragen. Mit "Aranesp", einer Weiterentwicklung von Epogen und Kineret sei Amgen auf dem richtigen Weg, urteilte Fondsmanagerin Nicole Körtge, die den DIT-Biotechnologie-Fonds für die Dresdner-Bank-Investmenttochter verwaltet.
In den letzten Wochen des Jahres 2001 kamen die Fusions- und Übernahme-Meldungen Schlag auf Schlag. Im größten Zusammenschluss in der Branche vor dem Amgen-Deal tauschte Millennium Pharmaceuticals Aktien für 1,71 Milliarden Dollar gegen sämtliche Papiere des in San Francisco ansässigen Unternehmens COR Therapeutics.
Mit hohem Aufschlag
Der Zugriff auf den Konkurrenten ist Millennium einen Aufschlag von 77 Prozent auf den letzten COR-Börsenkurs vor Bekanntgabe der Übernahme wert. Auch hier lockt der Zugang zu einem Medikament. Millennium sei besonders an dem vielversprechenden Blutverdünnungsmittel "Integrilin" interessiert, erklären die Analysten von Hornblower Fischer.
Millennium will seine jährlichen Umsätze damit auf rund 400 Millionen Dollar verdoppeln. Vorstandschef Mark Levin will Millennium langfristig zu einem führenden Mitkonkurrenten von Pharmagrößen wie Bristol-Myers Squibb Co. und Merck & Co. Inc. aufbauen. Millennium wolle mehr sein als ein Biotech-Unternehmen, das lediglich die viel versprechendsten Wirkstoffe an große Pharma-Firmen verkaufe.
Medimmune will Aviron kaufen
Nur wenige Tage vor dem Genomik-Unternehmen Millennium hatte das bereits profitable Biotechnologie-Unternehmen MedImmune den Kauf des Wettbewerbers Aviron angekündigt. MedImmune zahlt 1,3 Milliarden Dollar in Aktien für Aviron, der wegen seines Grippenmedikaments "Flumist" MedImmunes Interesse weckte. Die amerikanische Cephalon wiederum hat für 450 Millionen Dollar in bar den Pharmahersteller Group Lafon erworben.
"Fusionen und Allianzen sollten bei den Unternehmen weiterhin auf der Agenda stehen", rät Glenn Crocker von Ernst & Young. In den USA gelten als wahrscheinlichste Aufkäufer Unternehmen wie Biogen, Chiron und Millennium. Eine andere Gruppe könnte aus Unternehmen bestehen, die sich bisher allein mit der Sammlung gentechnischer Daten befasst haben und sich nun in Richtung Medikamenten-Anbieter entwickeln.
Prominentestes Beispiel ist nach Einschätzung von Analyst Christian Garbe von der DZ-Bank Celera Genomics. Experten handeln auch Incyte Genomics, Myriad Genetics oder Arena Pharmaceuticals als Kandidaten für Zukäufe.
"Viele Technologieunternehmen realisieren, dass das Geld woanders verdient wird", kommentiert Garbe die Entwicklung. Die am Neuen Markt notierten Biotechnologie-Unternehmen gelten Experten als sehr technologie- und wenig produktorientiert. Deshalb stehen auch hier Zukäufe zur Aufstockung der eigenen Produkt-Pipeline auf dem Programm: GPC Biotech und MediGene hätten mit Mitotix und Neurovir US-Unternehmen gekauft und sich somit den Zugriff auf weitere Medikamenten-Kandidaten gesichert.
Kritische Masse wird immer wichtiger
Auch die Hamburger Evotec habe sich mit dem Kauf von Oxford Asymmetry International Plc (OAI) für 474 Millionen Dollar auf eine deutlich breitere Technologiebasis gestellt, urteilt Garbe. Für Karl-Heinz Scheunemann vom Bankhaus Metzler könnten jedoch auch deutsche Biotech-Firmen zum Ziel von Übernahmen werden.
Für die europäischen Biotechs gelte, dass sie starke Allianzen bilden müssen, um die nötige kritische Masse zu erreichen. Deutsche Biotech-Unternehmen setzen neben dem Zukauf von Konkurrenten auch auf strategische Partnerschaften mit größeren Pharmafirmen: So beteiligte sich der Bad Homburger Pharma- und Chemiekonzern Altana mit mehr als acht Prozent an GPC Biotech. Dadurch fließen GPC mehr als 34 Millionen Euro zu.
"Pharmaunternehmen sind wieder eher bereit, viel für Biotech-Deals zu bezahlen", sagt Fondsmanager Markus Manns von Union Investment. Mit dem Zukauf sichern sich die Unternehmen den Zugang zu neuen Produkten ohne den Aufwand einer Integration. So beteiligte sich Bristol-Myers Squibb mit 2 Milliarden Dollar an dem Biotech-Unternehmen Imclone und erhielt im Gegenzug die Vermarktungsrechte an dem potenziellen Krebsmittel C225.
Für das laufende Jahr erwarten Analysten jedoch keine großen Kurssprünge. Am Neuen Markt hätten sich die Biotech-Titel wieder deutlich von ihren Tiefständen 2001 erholt, ohne dass wie bei den US-Pendants wichtige Unternehmensmeldungen dahinter gestanden hätten.
Elke Pfeiffer, dpa
Der Konsolidierungsprozess ist in vollem Gang. Analysten sehen nach einem schwachen Vorjahr wieder Potenzial. Auch deutsche Firmen stellen sich neu auf.
Frankfurt am Main - Die Nachrichten von Übernahmen in der Biotech-Branche sprechen eine klare Sprache. Zuletzt traf es die Immunex Corp.: Der Biotech-Riese Amgen kauft den Konkurrenten für rund 16 Milliarden US-Dollar.
Der Zwang zum Wachstum gilt zwar für die gesamte Branche weltweit, doch werden die spektakulärsten Übernahmen aus den USA gemeldet. Die Gründe sind nach Meinung von Branchenkennern immer dieselben. Stets gehe es um den Zugang zu am Markt eingeführten Medikamenten und zu hoffnungsvollen Medikamenten-Kandidaten. Manchmal seien auch der Zugang zu Forschungsansätzen oder die liquiden Mittel sowie eine bereits bestehende Vertriebsstruktur von Bedeutung.
Amgen läßt Muskeln spielen
Die spektakulärste und bislang teuerste Übernahme in der Biotech-Branche kann sich der Vorstandschef des weltweit größten Biotech-Unternehmens Amgen, Kevin Sharer, auf seine Fahnen schreiben. Der 1980 gegründeten Biotech-Pionier sicherte sich durch den Kauf von Immunex den Zugriff auf "Enbrel": Dieses Arthritis-Medikament dürfte für einen Umsatz von 750 Millionen Dollar gut sein.
Beide Unternehmen, die es zusammen auf eine Marktkapitalisierung von 72 Milliarden Dollar bringen, sehen durch den Zusammenschluss im Jahr 2003 Einsparmöglichkeiten von 200 Millionen Dollar. Der gemeinsame Umsatz soll im laufenden Jahr bei 5,5 Milliarden Dollar liegen.
Amgen: Von Epogen zu Aransesp
In den vergangenen Jahren war bei Amgen der Nachschub an neuen Medikamenten ins Stocken geraten. Mehr als zwanzig Jahre wurde das Unternehmenswachstum von den beiden Hauptumsatzträgern "Epogen" gegen Blutarmut und "Neupogen" zur Stärkung der körpereigenen Abwehr nach einer Chemotherapie getragen. Mit "Aranesp", einer Weiterentwicklung von Epogen und Kineret sei Amgen auf dem richtigen Weg, urteilte Fondsmanagerin Nicole Körtge, die den DIT-Biotechnologie-Fonds für die Dresdner-Bank-Investmenttochter verwaltet.
In den letzten Wochen des Jahres 2001 kamen die Fusions- und Übernahme-Meldungen Schlag auf Schlag. Im größten Zusammenschluss in der Branche vor dem Amgen-Deal tauschte Millennium Pharmaceuticals Aktien für 1,71 Milliarden Dollar gegen sämtliche Papiere des in San Francisco ansässigen Unternehmens COR Therapeutics.
Mit hohem Aufschlag
Der Zugriff auf den Konkurrenten ist Millennium einen Aufschlag von 77 Prozent auf den letzten COR-Börsenkurs vor Bekanntgabe der Übernahme wert. Auch hier lockt der Zugang zu einem Medikament. Millennium sei besonders an dem vielversprechenden Blutverdünnungsmittel "Integrilin" interessiert, erklären die Analysten von Hornblower Fischer.
Millennium will seine jährlichen Umsätze damit auf rund 400 Millionen Dollar verdoppeln. Vorstandschef Mark Levin will Millennium langfristig zu einem führenden Mitkonkurrenten von Pharmagrößen wie Bristol-Myers Squibb Co. und Merck & Co. Inc. aufbauen. Millennium wolle mehr sein als ein Biotech-Unternehmen, das lediglich die viel versprechendsten Wirkstoffe an große Pharma-Firmen verkaufe.
Medimmune will Aviron kaufen
Nur wenige Tage vor dem Genomik-Unternehmen Millennium hatte das bereits profitable Biotechnologie-Unternehmen MedImmune den Kauf des Wettbewerbers Aviron angekündigt. MedImmune zahlt 1,3 Milliarden Dollar in Aktien für Aviron, der wegen seines Grippenmedikaments "Flumist" MedImmunes Interesse weckte. Die amerikanische Cephalon wiederum hat für 450 Millionen Dollar in bar den Pharmahersteller Group Lafon erworben.
"Fusionen und Allianzen sollten bei den Unternehmen weiterhin auf der Agenda stehen", rät Glenn Crocker von Ernst & Young. In den USA gelten als wahrscheinlichste Aufkäufer Unternehmen wie Biogen, Chiron und Millennium. Eine andere Gruppe könnte aus Unternehmen bestehen, die sich bisher allein mit der Sammlung gentechnischer Daten befasst haben und sich nun in Richtung Medikamenten-Anbieter entwickeln.
Prominentestes Beispiel ist nach Einschätzung von Analyst Christian Garbe von der DZ-Bank Celera Genomics. Experten handeln auch Incyte Genomics, Myriad Genetics oder Arena Pharmaceuticals als Kandidaten für Zukäufe.
"Viele Technologieunternehmen realisieren, dass das Geld woanders verdient wird", kommentiert Garbe die Entwicklung. Die am Neuen Markt notierten Biotechnologie-Unternehmen gelten Experten als sehr technologie- und wenig produktorientiert. Deshalb stehen auch hier Zukäufe zur Aufstockung der eigenen Produkt-Pipeline auf dem Programm: GPC Biotech und MediGene hätten mit Mitotix und Neurovir US-Unternehmen gekauft und sich somit den Zugriff auf weitere Medikamenten-Kandidaten gesichert.
Kritische Masse wird immer wichtiger
Auch die Hamburger Evotec habe sich mit dem Kauf von Oxford Asymmetry International Plc (OAI) für 474 Millionen Dollar auf eine deutlich breitere Technologiebasis gestellt, urteilt Garbe. Für Karl-Heinz Scheunemann vom Bankhaus Metzler könnten jedoch auch deutsche Biotech-Firmen zum Ziel von Übernahmen werden.
Für die europäischen Biotechs gelte, dass sie starke Allianzen bilden müssen, um die nötige kritische Masse zu erreichen. Deutsche Biotech-Unternehmen setzen neben dem Zukauf von Konkurrenten auch auf strategische Partnerschaften mit größeren Pharmafirmen: So beteiligte sich der Bad Homburger Pharma- und Chemiekonzern Altana mit mehr als acht Prozent an GPC Biotech. Dadurch fließen GPC mehr als 34 Millionen Euro zu.
"Pharmaunternehmen sind wieder eher bereit, viel für Biotech-Deals zu bezahlen", sagt Fondsmanager Markus Manns von Union Investment. Mit dem Zukauf sichern sich die Unternehmen den Zugang zu neuen Produkten ohne den Aufwand einer Integration. So beteiligte sich Bristol-Myers Squibb mit 2 Milliarden Dollar an dem Biotech-Unternehmen Imclone und erhielt im Gegenzug die Vermarktungsrechte an dem potenziellen Krebsmittel C225.
Für das laufende Jahr erwarten Analysten jedoch keine großen Kurssprünge. Am Neuen Markt hätten sich die Biotech-Titel wieder deutlich von ihren Tiefständen 2001 erholt, ohne dass wie bei den US-Pendants wichtige Unternehmensmeldungen dahinter gestanden hätten.
Elke Pfeiffer, dpa