Das Airline-Desaster

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Das Airline-Desaster

 
15.05.04 13:57
Luftfahrt
Auf dem Flug ins Leere
Von Winand von Petersdorff

Alitalia, so wird geschätzt, verliert 50.000 Euro in der Stunde. Wird Alitalia also gerettet? Die Prognose lautet: Ja. Der italienische Staat hält 62 Prozent an der vom Kollaps bedrohten Fluggesellschaft. Und in Italien stehen Europa- und Regionalwahlen bevor. Die Regierung Silvio Berlusconi wird sich deshalb keine Blöße geben. Alitalia wird in irgendeiner Form fortgeführt, selbst wenn Rom dafür die Subventionsregeln der EU gewaltig dehnen muß.

Alitalia schreibt seit beinahe einer Dekade regelmäßig Verluste. Der Markt honoriert das Geschäftsmodell ganz offensichtlich nicht. Und trotzdem ist Alitalia noch da und bleibt es in irgendeiner Form.

Ebenso die daniedergewirtschaftete Swiss Air und die polnische Lot und notorische Verlustbringer jenseits des Atlantiks. Alle bleiben. Von den 15 Mitgliedern der von der Lufthansa geführten Star Alliance sind bis auf wenige alle Verlustbringer, unter Gläubigerschutz und/oder mitten in einer harten Sanierung.

Zu viel von allem

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den beiden konkurrierenden Luftfahrtallianzen. Die Airline-Industrie hat 2003 nach Rechnung der Internationalen Flug-Transport-Vereinigung Iata 6,5 Milliarden Dollar verloren. Die Luftfahrtorganisation führt die Verluste auf den Irak-Krieg, Sars und Terror zurück. Das stimmt, doch die Probleme liegen tiefer.

"Das grundlegende Problem sind Überkapazitäten. Es gibt zu viel von allem", sagt Michael Bair, Senior Vice President von Boeing, in Berlin, der eigentlich über jeden Kunden für seine Flugzeuge froh sein müßte: "Es gibt 600 Fluggesellschaften in der Welt. Vielleicht sogar noch mehr, aber wir kennen 600. Das ist einfach zuviel." Mit der Konsequenz, daß Boeing zwar ein großes Kundenpotential hat. Aber zu wenige solvente Kunden.

Vom Staat kontrolliert

Fast jedes Land leistet sich einen nationalen Carrier. Und rettet ihn, wenn es ihn zugrunde gemanagt hat. Das war übrigens auch bei der inzwischen wiedererstarkten Lufthansa nicht anders, die ihre schwere Krise ohne einen Kredit der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau nur schwer überlebt hätte.

Länderübergreifende Joint-ventures oder gar Fusionen sind die Ausnahme. Denn die Lande- und Startrechte auf den Großflughäfen gehören in der Regel den nationalen Fluggesellschaften. In bilateralen Verträgen haben viele Länder Start- und Landerechte ausgehandelt, die diktieren, welche Flugzeuge wo landen dürfen. Lufthansa würde furchtbar gerne von London Heathrow nach Amerika fliegen, doch die Rechte haben sich Virgin Express und British Airways gesichert. Regierungen legen fest, welche Fluggesellschaft fliegen darf und wo sie hinfliegen darf. Manche Regierungen bestimmen die Sitze per Flug und die Flughäufigkeit. Auch die Fusionsrechte sind eingeschränkt. So dürfen Nichtamerikaner nur bis zu 24,9 Prozent der Anteile an amerikanischen Fluggesellschaften erwerben. Die EU limitiert ausländischen Besitz an EU-Airlines bei 49 Prozent. Nicht erlaubt ist, daß Europäer einfach in Amerika zwei Städte verbinden.

Zusammenschluß nur auf dem Papier

Länderübergreifende Fusionen erfordern trickreiche rechtliche Konstruktionen. Selbst vielversprechende Ansätze wie der Zusammenschluß der niederländischen KLM und der Air France haben es schwer, sich bezahlt zu machen. KLM bleibt auch nach dem Zusammenschluß eine rechtlich selbständige Einheit mit eigenem Flugnetz, eigenem Hub und Slots. Vor allem die KLM-Landerechte in den Vereinigten Staaten bleiben so erhalten. Die Markennamen KLM und Air France leben ebenfalls weiter. Mit anderen Worten: Die Passagiere werden den Zusammenschluß gar nicht registrieren.

Und die Aktionäre? Beide Fluggesellschaften planen keine Stellenstreichungen über jene Kostensenkungsprogramme hinaus, die auch ohne Zusammenschluß schon eingeleitet worden waren. Das führt Analysten wie Fariba Alamdari, Chef der Air Transport Group an der britischen Cranfield University, zur Frage: "Wenn sie ihre Belegschaften nicht verkleinern, dann rationalisieren sie ihr Netzwerk auch nicht. Was soll dann das Ganze?"Solche Konstellationen mit zwei eigenständig bleibenden Sparten erhöhen die Möglichkeit des Scheiterns: "Oft bestehen die Rivalitäten weiter, was dazu führt, daß nur wenige mit diesem Rezept Erfolg hatten", analysiert Boeing-Manager Bair nüchtern.

Die einzige spektakuläre Pleite eines nationalen Carriers war der Zusammenbruch der belgischen Sabena 2001. Ohne den Ausleseprozeß des Marktes aber müssen gut geführte Airlines ständig gegen staatlich gepäppelte Wettbewerber antreten. "Es gibt wenige Industrien, die so viel Beharrungsvermögen haben wie unsere", sagt Friedrich-Wilhelm Weitholz, Chef von German Wings. "Und es gibt wenige, die so wenig Geld verdienen."


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