Comroad-Emissionsbanken geraten in Erklärungsnot
Von Tim Bartz, Sabine Rössing und Claudia Wanner, Frankfurt
Der Betrugsfall Comroad bringt nicht nur den Wirtschaftsprüfer des Telematik-Unternehmens in Bedrängnis. Den an der Emission beteiligten Kreditinstituten Concord Effekten und Hauck & Aufhäuser drohen möglicherweise Prospekthaftungsklagen.
Geprellte Anleger könnten Schadenersatz fordern, wenn sich herausstellt, dass ihnen im Emissionsprospekt zum Börsengang wesentliche Informationen vorenthalten wurden.
Eine Sonderprüfung der Nürnberger Wirtschaftsprüfer Rödl & Partner hatte ergeben, dass der Hauptgeschäftspartner von Comroad, die Hongkonger VT Electronics, gar nicht existiert. Von den für 2001 ausgewiesenen Umsatzerlösen von 93,6 Mio. Euro konnten nur 1,3 Mio. Euro nachgewiesen werden. Die am Neuen Markt notierte Comroad-Aktie war daraufhin deutlich eingebrochen. Am Freitagnachmittag trieben Spekulanten den Kurs dann aber wieder um knapp 15 Prozent auf 0,31 Euro in die Höhe.
VT schon im Börsenprospekt als Auftragsproduzent genannt
Bereits die Bilanz des Jahres 1998, auf der der Emissionsprospekt beruht, weist auf eine enge Verbindung von Comroad zu VT Electronics hin. Comroad war im November 1999 an den Neuen Markt gegangen. VT wird im Börsenprospekt als einer von insgesamt zwei Auftragsproduzenten genannt. Comroad hatte demnach - mit der nicht existierenden - VT offenbar reichlich Geschäft abgewickelt. Ende 1998 beliefen sich die Verbindlichkeiten gegenüber VT Electronics auf 2,8 Mio. DM oder 67 Prozent der Bilanzsumme.
Auf die Idee, die Existenz des Hauses durch eine Anfrage in Hongkong zu überprüfen, kamen damals aber weder Prüfer noch Emissionsbanken. "Wenn das eine von 50 kleineren Vertriebsgesellschaften wäre, würde es sich um einen Schönheitsfehler handeln", sagte Rechtsanwalt Stephan Hutter von der Kanzlei Shearman & Sterling in Frankfurt. Bei wesentlicher Bedeutung für das Unternehmen sei das aber anders. Dann müsse genauer geprüft werden, um was für eine Gesellschaft es sich handelt - auf jeden Fall aber, ob sie existiert.
Passiere dies nicht, haften die Banken für die Vollständigkeit des Prospektes, sagte Hutter. Anleger hätten in diesem Fall eine Anspruchsgrundlage, von den Banken eine Entschädigung bis hin zum vollständigen Verlustbetrag einzuklagen. Eine Verjährung tritt bei der Prospekthaftung nach drei Jahren ein - im Fall Comroad also im November 2002.
Institute sehen kein Fehlverhalten
Die beteiligten Institute wollen ein Verfehlen allerdings nicht einräumen. "Grundlage der Börseneinführung war eine sorgfältige Prüfung ("Due Dilligence"), sowohl aus ökonomischer als auch aus rechtlicher Sicht", teilte Concord am Freitag mit. Bei dieser Prüfung durch Externe hätten sich keinerlei Anzeichen für vorgetäuschte Umsätze oder ähnliche Unregelmäßigkeiten ergeben, hieß es. Es habe keinen Anlass gegeben, an den Berichten zu zweifeln. Wer die "Due Dilligence" beim Börsengang vorgenommen hatte, war von Concord nicht zu erfahren.
Auch Dirk Lahmann, Geschäftsführer der für den Börsengang zuständigen Hauck & Aufhäuser-Tochter, sieht sich nicht in der Pflicht. "Wir sehen keinerlei Anlass für Prospekthaftungsansprüche", sagte er. Die Verhältnisse seien seinerzeit mit der gebotenen Sorgfalt geprüft worden. Im übrigen verwies Lahmann auf die Aussagen der konsortialführenden Bank Concord.
KPMG fühlt sich übel getäuscht
Noch weniger Grundlage für eine Handhabe sieht die HypoVereinsbank. Das Institut war nicht am Börsengang, allerdings an der Kapitalerhöhung im Jahr 2000 beteiligt. Dabei habe es sich jedoch um eine prospektlose Kapitalerhöhung gehandelt, sagte ein Sprecher. Diese ist dann möglich, wenn der Kapitalzufluss zehn Prozent des Eigenkapitals nicht überschreitet und die Papiere nicht an Privatanleger abgegeben werden. Auch eine "Due Dilligence" ist in diesem Fall nicht erforderlich, gleichwohl von der HypoVereinsbank dennoch vorgenommen worden. Allerdings schöpften die Prüfer in allen Fällen keinen Verdacht. KPMG-Chef Harald Wiedmann jedenfalls sieht seine Gesellschaft übel getäuscht. Die KPMG hatte seit 1996 die Bilanzen von Comroad testiert - bis sie im Februar nach dem Verdacht, dass VT Electronics womöglich nicht existiert, das Mandat niederlegte.
Fingierte Rechnungen und Geschäftsbeziehungen sowie Manager in verschiedenen Rollen habe es gegeben - alles aber professionell in Szene gesetzt, sagte Wiedmann. So hätten die Wirtschaftsprüfer sogar eine schriftliche Bestätigung von Aufträgen aus Fernost eingefordert und auch bekommen. Dass es sich um eine Täuschung handelt, habe man nicht vermuten können. Darüber hinaus lagen über alle Geschäftsvorgänge Telefax-Bestätigungen vor. Das Produkt habe es, anders als etwa im Betrugsfall Flowtex, ebenfalls gegeben. Der Vergleich von Unterschriften mit Handelsregister-Einträgen gehöre nicht zu den Standardaufgaben eines Prüfers und dürfe es auch nicht werden, sagte Wiedmann. Es habe daher aus seiner Sicht zunächst keinen Grund gegeben, die Saldenbestätigung des Unternehmens anzuzweifeln.
Verdacht geschöpft habe das KPMG-Prüfungsteam erst bei der Bilanz des Jahres 2001. Unrealistische Umsatzvolumina mit Lizenzverträgen hätten die Prüfer stutzig gemacht. Als sich der Schwindel herausstellte, habe die KPMG das Mandat umgehend niedergelegt - ein laut Wiedmann in Deutschland einmaliger Vorgang. Daraufhin hätten Aufsichtsbehörden und Staatsanwaltschaft sofort reagiert.
2002 Financial Times Deutschland
Von Tim Bartz, Sabine Rössing und Claudia Wanner, Frankfurt
Der Betrugsfall Comroad bringt nicht nur den Wirtschaftsprüfer des Telematik-Unternehmens in Bedrängnis. Den an der Emission beteiligten Kreditinstituten Concord Effekten und Hauck & Aufhäuser drohen möglicherweise Prospekthaftungsklagen.
Geprellte Anleger könnten Schadenersatz fordern, wenn sich herausstellt, dass ihnen im Emissionsprospekt zum Börsengang wesentliche Informationen vorenthalten wurden.
Eine Sonderprüfung der Nürnberger Wirtschaftsprüfer Rödl & Partner hatte ergeben, dass der Hauptgeschäftspartner von Comroad, die Hongkonger VT Electronics, gar nicht existiert. Von den für 2001 ausgewiesenen Umsatzerlösen von 93,6 Mio. Euro konnten nur 1,3 Mio. Euro nachgewiesen werden. Die am Neuen Markt notierte Comroad-Aktie war daraufhin deutlich eingebrochen. Am Freitagnachmittag trieben Spekulanten den Kurs dann aber wieder um knapp 15 Prozent auf 0,31 Euro in die Höhe.
VT schon im Börsenprospekt als Auftragsproduzent genannt
Bereits die Bilanz des Jahres 1998, auf der der Emissionsprospekt beruht, weist auf eine enge Verbindung von Comroad zu VT Electronics hin. Comroad war im November 1999 an den Neuen Markt gegangen. VT wird im Börsenprospekt als einer von insgesamt zwei Auftragsproduzenten genannt. Comroad hatte demnach - mit der nicht existierenden - VT offenbar reichlich Geschäft abgewickelt. Ende 1998 beliefen sich die Verbindlichkeiten gegenüber VT Electronics auf 2,8 Mio. DM oder 67 Prozent der Bilanzsumme.
Auf die Idee, die Existenz des Hauses durch eine Anfrage in Hongkong zu überprüfen, kamen damals aber weder Prüfer noch Emissionsbanken. "Wenn das eine von 50 kleineren Vertriebsgesellschaften wäre, würde es sich um einen Schönheitsfehler handeln", sagte Rechtsanwalt Stephan Hutter von der Kanzlei Shearman & Sterling in Frankfurt. Bei wesentlicher Bedeutung für das Unternehmen sei das aber anders. Dann müsse genauer geprüft werden, um was für eine Gesellschaft es sich handelt - auf jeden Fall aber, ob sie existiert.
Passiere dies nicht, haften die Banken für die Vollständigkeit des Prospektes, sagte Hutter. Anleger hätten in diesem Fall eine Anspruchsgrundlage, von den Banken eine Entschädigung bis hin zum vollständigen Verlustbetrag einzuklagen. Eine Verjährung tritt bei der Prospekthaftung nach drei Jahren ein - im Fall Comroad also im November 2002.
Institute sehen kein Fehlverhalten
Die beteiligten Institute wollen ein Verfehlen allerdings nicht einräumen. "Grundlage der Börseneinführung war eine sorgfältige Prüfung ("Due Dilligence"), sowohl aus ökonomischer als auch aus rechtlicher Sicht", teilte Concord am Freitag mit. Bei dieser Prüfung durch Externe hätten sich keinerlei Anzeichen für vorgetäuschte Umsätze oder ähnliche Unregelmäßigkeiten ergeben, hieß es. Es habe keinen Anlass gegeben, an den Berichten zu zweifeln. Wer die "Due Dilligence" beim Börsengang vorgenommen hatte, war von Concord nicht zu erfahren.
Auch Dirk Lahmann, Geschäftsführer der für den Börsengang zuständigen Hauck & Aufhäuser-Tochter, sieht sich nicht in der Pflicht. "Wir sehen keinerlei Anlass für Prospekthaftungsansprüche", sagte er. Die Verhältnisse seien seinerzeit mit der gebotenen Sorgfalt geprüft worden. Im übrigen verwies Lahmann auf die Aussagen der konsortialführenden Bank Concord.
KPMG fühlt sich übel getäuscht
Noch weniger Grundlage für eine Handhabe sieht die HypoVereinsbank. Das Institut war nicht am Börsengang, allerdings an der Kapitalerhöhung im Jahr 2000 beteiligt. Dabei habe es sich jedoch um eine prospektlose Kapitalerhöhung gehandelt, sagte ein Sprecher. Diese ist dann möglich, wenn der Kapitalzufluss zehn Prozent des Eigenkapitals nicht überschreitet und die Papiere nicht an Privatanleger abgegeben werden. Auch eine "Due Dilligence" ist in diesem Fall nicht erforderlich, gleichwohl von der HypoVereinsbank dennoch vorgenommen worden. Allerdings schöpften die Prüfer in allen Fällen keinen Verdacht. KPMG-Chef Harald Wiedmann jedenfalls sieht seine Gesellschaft übel getäuscht. Die KPMG hatte seit 1996 die Bilanzen von Comroad testiert - bis sie im Februar nach dem Verdacht, dass VT Electronics womöglich nicht existiert, das Mandat niederlegte.
Fingierte Rechnungen und Geschäftsbeziehungen sowie Manager in verschiedenen Rollen habe es gegeben - alles aber professionell in Szene gesetzt, sagte Wiedmann. So hätten die Wirtschaftsprüfer sogar eine schriftliche Bestätigung von Aufträgen aus Fernost eingefordert und auch bekommen. Dass es sich um eine Täuschung handelt, habe man nicht vermuten können. Darüber hinaus lagen über alle Geschäftsvorgänge Telefax-Bestätigungen vor. Das Produkt habe es, anders als etwa im Betrugsfall Flowtex, ebenfalls gegeben. Der Vergleich von Unterschriften mit Handelsregister-Einträgen gehöre nicht zu den Standardaufgaben eines Prüfers und dürfe es auch nicht werden, sagte Wiedmann. Es habe daher aus seiner Sicht zunächst keinen Grund gegeben, die Saldenbestätigung des Unternehmens anzuzweifeln.
Verdacht geschöpft habe das KPMG-Prüfungsteam erst bei der Bilanz des Jahres 2001. Unrealistische Umsatzvolumina mit Lizenzverträgen hätten die Prüfer stutzig gemacht. Als sich der Schwindel herausstellte, habe die KPMG das Mandat umgehend niedergelegt - ein laut Wiedmann in Deutschland einmaliger Vorgang. Daraufhin hätten Aufsichtsbehörden und Staatsanwaltschaft sofort reagiert.
2002 Financial Times Deutschland