Commerce One hat das Vertrauen verspielt

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Commerce One hat das Vertrauen verspielt

 
22.07.01 10:38
Commerce One hat das Vertrauen verspielt
 
Ein Kommentar von w:o-Redakteur Thorsten Sauter
 
Commerce One hat den Offenbarungseid geleistet. Der Verlust, den der Hersteller von Software für virtuelle Marktplätze im zweiten Quartal eingefahren hat, übertrifft selbst die schlimmsten Befürchtungen. Das Vertrauen der Anleger ist verspielt, der Kurs am Boden. Schade, denn die Branche hat Zukunft.

70,2 Mio.$ oder 31 Cent pro Aktie sind im abgelaufenen Quartal verbrannt worden, und zwar ohne Einmalbelastungen. Die Prognosen der Analysten beliefen sich auf 19 Cent. Im entsprechenden Vorjahresquartal waren es 16,2 Mio.$ oder 10 Cent pro Aktie. Rechnet man alle angefallenen Kosten hinzu, kommt ein Schwindel erregender Verlust von 2,06 Mrd.$ zusammen. Ein Jahr zuvor waren es 43,6 Mio.$.

Der Umsatz ist zwar weiter gestiegen, doch auch nicht ganz so stark wie vermutet. 101,3 Mio.$, prognostiziert waren 111,9 Mio.$, im Vorjahresquartal lagen die Sales bei 62,7 Mio.$. Und selbst das muss vor dem Hintergrund der Ergebniswarnung vom Monatsanfang gesehen werden. Damals hat Commerce One die Umsatzprognose um rund 30% auf 100 Mio.$ bis 120 Mio.$ revidiert, vorher wurden noch 162 Mio.$ angepeilt.

Es ist unglaubwürdig, wenn Mark Hoffman erneut nur andere für den Niedergang des einstigen Hoffnungsträgers verantwortlich macht: „Die wirtschaftliche Schwäche und der Wechsel von öffentlichen auf private Internet-Marktplätze“ hätten ein Loch in die Bilanzen des ersten Halbjahres gerissen. Hoffman kündigt gleichzeitig weitere Kosteneinsparungen an. Ob dafür erneut Mitarbeiter entlassen werden, ist noch nicht klar.

Nicht klar ist auch, wie es weitergeht. Selbst Commerce One gesteht, dass es im laufenden Quartal kein Umsatzwachstum mehr geben wird – für eine Company, deren Aktien alleine wegen ihrer Wachstumsvisionen gekauft werden, eigentlich der Todesstoß. Und Hoffmans Versprechen, dass in einem Jahr die Gewinnzone erreicht werden soll, entlockt Anlegern nur ein müdes Lächeln. Kein Mensch weiß, was Commerce One in einem Jahr macht.

Der B2B-Zug ist nicht entgleist, aber er fährt offenbar am C1-Bahnhof vorbei. SAP, die mittlerweile einen 20-prozentigen Anteil an den Kaliforniern halten, haben eine hervorragende Quartalsbilanz hingelegt. Es sieht danach aus, als würden wieder einmal die Großen das Rennen machen. Deren Atem ist lang genug. Der Markt virtueller Handelsplätze wird weiter wachsen. Dass die bisherige Entwicklung viele enttäuschte, liegt an den überzogenen Erwartungen, die vor ein paar Jahren an die Branche geknüpft wurden.

Commerce One jedoch hat viel Vertrauen verspielt, vielleicht zu viel. Das Management hat die Erwartungen im vergangenen Jahr bewusst in den Milliardenbereich hochgeschraubt, der Automarktplatz Covisint diente als ständiges Beispiel. Doch viele Firmen beklagen die schwindenden persönlichen Kontakte zwischen Autofirma und Zulieferer, die kein noch so ausgefeiltes Softwareprogramm bieten könne.

Sicher, Hoffman bleibt „zuversichtlich“, was die Zukunft seines Unternehmens angeht. Doch für SAP wäre es ein leichtes, den Laden zu übernehmen. Vielleicht ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis das Kürzel CMRC von den Kurszetteln verschwindet.

Autor: Thorsten Sauter, 10:04 22.07.01
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