Die Spekulationen um NRW-Ministerpräsidenten Wolfgang Clement als Superminister sorgen in Berlin und Düsseldorf für Aufregung und Verstimmung. Zwar will Kanzler Gerhard Schröder seinen Parteifreund für den Job gewinnen. Doch die nun durchgesickerte Personalie war noch lange nicht spruchreif und setzt alle Beteiligten unter kräftigen Zugzwang.
Berlin/Düsseldorf - Sowohl das Berliner Kanzleramt als auch die Düsseldorfer Staatskanzlei hüllten sich offiziell in Schweigen über die am Wochenende kursierenden Meldungen. Clement selber sagte im Fernsehen, über Personalien werde erst ganz am Ende entschieden. Sein Amt stehe für Spekulationen nicht zur Verfügung, so der NRW-Landesvater. Gleichwohl wies er die Gerüchte um seine Person keinesfalls in der ihm sonst durchaus zu Gebote stehenden klaren Sprache als Unsinn oder frei erfunden zurück.
Die Zurückhaltung ist verständlich. Schröder scheint nun doch fest entschlossen, die von seinem CSU-Herausforderer Edmund Stoiber ersonnene Idee eines Superministeriums mit den gebündelten Kompetenzen des bisherigen Arbeits- und des Wirtschaftsministeriums umzusetzen. So will der Kanzler die Umsetzung der Hartz-Vorschläge zur Reform des Arbeitsmarkts anpacken. Er braucht einen entscheidungsstarken Mann auf diesem Stuhl, der sowohl das Vertrauen der Wirtschaft, als auch das der Gewerkschaften hat.
Indirekte Entlassung für Riester und Müller
Über den Umweg der gezielt indiskretionierten Clement-Personalie erfuhren nun auch Arbeitsminister Walter Riester (SPD) und der parteilose Wirtschaftsminister Werner Müller definitiv, dass Schröder sie gern loswerden würde. Für Riester ist das keine Überraschung: Sein Ressort hatte der Kanzler schon dem nordrhein-westfälischen Arbeitsminister Harald Schartau (SPD) angeboten. Der allerdings hatte abgelehnt: Er sei jetzt gerade erst als NRW-Parteichef angetreten, um die derangierte SPD an Rhein und Ruhr wieder auf Kurs zu bringen, argumentierte er. Auch Clement intervenierte und nannte Schartau unentbehrlich.
Das Nein von Schartau wiederum soll den Namen Wolfgang Clement als Kandidat auf die Tagesordnung gebracht haben. Aus dem Kanzleramt ist zu hören, dass Schröder recht schnell an Clement für den Posten dachte. "Wenn du mir den Schartau nicht gibst, dann musst du es eben selbst machen", soll Schröder zu Clement gesagt haben. Aus der "anfänglichen Frotzelei" (ein Kanzlerberater) wurden dann gegen Ende der vergangenen Woche ernsthafte Gespräche. Eine Entscheidung ist aber noch nicht gefallen.
Schröder will Clement unbedingt
Clement zögert vor allem deshalb, weil er die Diadochenkämpfe fürchtet, die nach seinem Abgang in Nordrhein-Westfalen losbrechen würden. SPD-Parteichef Schartau kann nicht Ministerpräsident werden, weil er dem Landtag nicht angehört. Clement traut seinem Finanzminister Peer Steinbrück die Aufgabe zwar zu, aber er wisse nicht, heißt es aus seiner Umgebung, ob der in der Partei und auch beim grünen Koalitionspartner durchsetzbar sei. Deshalb könne es durchaus sein, dass die von Schröder gewünschte Veränderung nicht stattfindet.
Schröder wiederum, so hört man aus Berlin, versucht Clement mit dem Argument zu ködern, wenn es nicht gelänge, die Hartz-Vorschläge erfolgreich umzusetzen, könne Clement seine Wiederwahl im Jahr 2005 vergessen. Von der Reform des Arbeitsmarktes hänge nicht nur seine, Schröders, politische Zukunft ab, sondern die der gesamten SPD. Käme Clement nach Berlin, wäre er der mächtigste Sozialdemokrat nach dem Kanzler - so wie einst der Schröder-Rivale Oskar Lafontaine.
Von Hartmut Palmer
Quelle: Spiegel-Online
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