Elektrosportwagen im Selbstversuch
Papageien: Bei den Elektrosportlern Irmscher und Tesla
schreien Farben statt Motoren.
Faszinieren Elektro-Sportwagen genauso wie
konventionelle? Wie bergstraßen-kompatibel ist die
Technik? Was hört der Fahrer, wenn nicht den
Motor? Ein Versuch im Irmscher 7 Selectra und Tesla
Roadster.
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Schlaftrunken purzelt ein Tourist aus seinem Dacia Logan
MCV, in dem er am Fuß des Wendelsteins übernachtet hat.
Rissen ihn die beiden soeben angerollten, spektakulären
Sportwagen mit lautem Motorengebrüll aus seinen Luis-
Trenker-Träumen? Eher nicht, denn in Irmscher 7 Selectra
und Tesla Roadster Sport arbeiten mild zirpende
Elektroantriebe.
Wie der Wanderer wollen sie heute noch hoch hinaus –
Bestandsaufnahme. Wetter: trocken. Temperaturen: auf
Kühlschrank-Niveau. Verkehr: keiner. Fahrzeuge: zwei
Roadster mit jeweils wenig Platz, wenig Dach, wenig
Fahrkomfort, aber hoher Agilität, hoher Leistung und
hohem Wert.
Irmscher 7 Selectra ohne Türen
Beim Irmscher 7 Selectra kommen noch zwei Aspekte
hinzu: wenig Karosserie und hohe Exklusivität. Da das
Einzelstück sich konzeptionell so weit in die Vergangenheit
zurücklehnt, dass es auf den Lotus Seven stößt, stehen die
Räder vorne frei und lassen ihre handwerklich kunstvollen
Aufhängungen den Fahrtwind filetieren. Zudem fehlen
Türen im klassischen Sinne, der lappige Ersatz aus
Kunststoff bleibt besser gleich zu Hause – was die
Einstiegsprozedur erheblich erleichtert. Dennoch kostet es
etwas Mühe, bis 1,92-Meter-Fahrer eingefädelt und
artgerecht verstaut sind.
Jetzt wiegt der laut Hersteller nur 900 Kilogramm schwere
Irmscher 7 Selectra nochmals 95 mehr, was den 175
Kilowatt starken Elektromotor hoffentlich nur wenig stört.
Aus der 20 Kilowattstunden leistenden Lithium-Eisen-
Phosphat-Batterie versorgt er sich mit Futter, angeblich
rund 360 Kilometer lang. Heute sicher nicht, doch das
macht nichts. Zwei Handgriffe stellen die Startbereitschaft
her, eine Warmlaufphase entfällt, schließlich funktionieren
Akkus am besten, solange sie kühl sind.
Irmscher 7 Selectra mit 800 Nm Drehmoment
Für Reifen gilt das allerdings noch nicht, weshalb die
ersten, schattig gelegenen Kehren noch nicht Volley
genommen werden. Auf der Geraden ziehen 800
Newtonmeter sofort verfügbares Drehmoment die
Gesichtshaut ein Stück Richtung Hinterkopf, realisieren eine
Beschleunigung so gewaltig wie das vor der planen
Windschutzscheibe auftauchende Bergpanorama – das
zugleich die Rolle des Infotainments übernimmt. An Bord
des Irmscher 7 Selectra informieren lediglich fünf
Rundinstrumente, und der einzige relevante Drehregler ist
das winzige Lenkrad.
Tesla Roadster im Vergleich sehr komfortabel[/b]
Statt eines Verbrenners spielt im Irmscher 7 Selectra der
Fahrtwind auf, angereichert um den Soundtrack der Natur,
der üblicherweise schnorcheliges Ansaugen und
donnerndes Auspuffen übertönt. Deshalb läuft auch im
Tesla Roadster keine andere Musik, wenngleich es in der
großzügiger ausgeführten und zumindest den Grundsätzen
der Aerodynamik entsprechenden Karosserie deutlich
weniger stürmt. Überhaupt verhält sich der Tesla Roadster
Sport zum Irmscher 7 Selectra wie ein
Studentenwohnheimzimmer zu einer neuen Vierzimmer-
Wohnung in bester Innenstadtlage. Na, besser Dreizimmer-
Wohnung, denn wirklich üppig fällt der Platz für Fahrer und
Beifahrer nicht aus. Und dass Komfort jemals in Verbindung
mit einem auf dem Lotus Elise basierenden Fahrzeug
gebracht wird – wer hätte es gedacht?
Doch im Vergleich mit dem radikalen Irmscher 7 Selectra
trifft das zu, ohne dass der Tesla nennenswert harmloser
beschleunigen und behäbiger einlenken würde. Dafür
sorgen der 215 kW starke E-Motor, den ein 53 kWh
leistender Akku speist, sowie das leichte Chassis, das sich
auf ein einstellbares Sportfahrwerk stützt. Schmatzend
saugen sich die Reifen an den Asphalt, ermöglichen so mit
der hecklastigen Gewichtsverteilung haftcremeartige
Traktion. Beim Herausbeschleunigen aus engen Ecken hilft
zusätzlich die sensible Elektronik, damit die 400 Nm
maximales Drehmoment nicht fahrtrichtungsbestimmend
wirken, wenn sie unkontrolliert über die Hinterräder
herfallen.
Nur Kurven, kein Schalten[/b]
Weiterhin erste Kontrollinstanz: der Fahrer. Wie im Irmscher
7 Selectra muss er sich nicht auf Schaltvorgänge
konzentrieren, kann stattdessen auf den Punkt Anbremsen
und Einlenken üben. Alternative: Karbon-Hardtop drauf und
Klimaanlage an und so tun, als sei der Tesla Roadster Sport
ein ganz normales – teures – Auto. Geht auch, macht aber
weniger Spaß und zieht noch mehr Strom.
Ohnehin reduziert sich die Reichweite nach einem halben
Tag energieintensiver Fahrten im oberbayerischen Sudelfeld
deutlich, im Tesla Roadster weniger, im Irmscher 7 Selectra
mehr. So wirkt nicht der Antrieb selbst, sondern der
Energiespeicher als Spaßbremse, denn zum Aufladen
müssten beide Sportwagen für mindestens dreieinhalb
Stunden an die Steckdose – bei optimaler Infrastruktur.
Dem Wanderer genügen dagegen Wasser und Würstel auf
der Alm.
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Quelle: 2012 Motor-Presse Stuttgart