Immer mehr Marktteilnehmer sind überzeugt, dass der Euro die Schuldenkrise nur überleben könne, wenn sich die Europäische Zentralbank zu unlimitierten Eingriffen bereit erkläre.
Ug. ⋅ Die Krise der Euro-Staatsschulden und der Euro-Banken verschärft sich immer mehr. Die Refinanzierung von Staatsschulden verläuft trotz indirekter Hilfe der Europäischen Zentralbank (EBZ) zunehmend zähflüssig, wie die von Frankreich und Spanien vorgenommenen Anleihenauktionen zeigten, die nur mit Rekordrenditen abzuwickeln gewesen waren. Gleichzeitig steigen die Geld-Brief-Spannen, was eine sich ausweitende Illiquidität andeutet. Und da die Renditen deutscher Anleihen stagnieren, während Anleihen von peripheren Euro-Staaten trotz der Beruhigung gegen Ende der Woche einen steigenden Zinstrend haben, schliessen manche Analytiker, dass Anleger verstärkt Euro-Papiere meiden; noch vor einigen Wochen hatte der bis dahin sinkende Trend deutscher Kapitalmarktrenditen darauf gedeutet, dass Anleger lediglich innerhalb der Euro-Zone umschichten, statt sie zu verlassen.
Drucken oder untergehen
Trotz dem in öffentlichen Äusserungen immer wieder bestätigten Widerstand der EZB und der in der Sicht der Märkte gegenwärtig den Ton angebenden deutschen Regierung gegen verstärkte, unlimitierte Eingriffe der Notenbank sehen immer mehr Marktteilnehmer nur noch diesen Ausweg. Andernfalls seien ein Kollaps des Euro und die Wiedereinführung nationaler Währungen unvermeidbar und nur eine Frage der Zeit. Dutzende von Kommentatoren kommen aus den verschiedensten Blickwinkeln heraus zu diesem Schluss. Nun kann man einwenden, dass viele Analysen nicht unabhängig sind, weil sie im Rahmen von Banken verfasst wurden, in deren Interesse es ist, dass die Schuldenkrise durch «Bail-outs» von Staaten und damit auf Kosten der Steuerzahler endet. Aber von Bedeutung ist letztlich nur, dass die Analysen den steigenden Druck der Märkte auf die EZB zeigen.
Stellvertretend für die eine aggressive Ausweitung des Engagements der EZB fordernden Stimmen – allerdings gibt es an den Märkten natürlich auch warnende Äusserungen – soll hier die Haltung des US-Kommentators und Investors John Mauldin stehen. Er fasst seine Gedanken unter dem Titel «Print or Perish» zusammen: Europas Staaten haben zu viele Schulden, von denen zu viele in den Büchern der im Prinzip insolventen Banken lagern; ausserdem bestehen enorme Handelsungleichgewichte zwischen peripheren und zentralen Euro-Ländern. Alle drei Probleme müssen gelöst werden, andernfalls implodiert die Euro-Zone in einer deflationären Spirale. Austerität ist keine Lösung, da es für ein Land unmöglich ist, gleichzeitig die Defizite von Regierung und Privatsektor auszugleichen, während ein Handelsbilanzdefizit besteht. Den Aufwand für den «Haircut» von Staatsschulden und die Verluste der Banken beziffert Mauldin auf 3 Bio. € – oder auch 2 Bio. oder 6 Bio. €.
Die für die Sanierung des Euro-Anleihen-Marktes notwendigen hohen Summen kann nur die EZB bereitstellen, da allein sie Euro in unlimitierter Höhe «drucken» kann. Als Hüterin der Währung ist es ihr aber untersagt, Staatsdefizite durch Käufe von Anleihen am Primärmarkt zu finanzieren. Selbst die laufenden Interventionen am Sekundärmarkt zur Kontrolle der Renditen sind umstritten. Bundesbankpräsident Jens Weidmann argumentiert, dass die oft vorgeschlagene Ausweitung der Käufe am Sekundärmarkt nicht nur unratsam, sondern sogar illegal sei. Eine anscheinend beim Internationalen Währungsfonds (IMF) und bei Regierungen diskutierte Möglichkeit, der legalen Zwangsjacke zu entkommen, sieht vor, dass die EZB dem IMF Geld ausleiht, das dieser dann an bedrängte Euro-Staaten oder den Rettungsschirm EFSF weiterreicht. Während manche Beobachter von dieser indirekten Finanzierung eine Linderung der Schuldenkrise erwarten, sprechen andere von Schnapsidee und Taschenspielertrick.
«Chapter 11» für Europa?
Eine andere Route empfiehlt der Chefökonom der Saxo Bank, Steen Jacobsen. Durch einen «Chapter 11»-Bankrott könne der politische Apparat vom Marktdruck befreit werden und Zeit und Raum für eine nachhaltige Krisenlösung finden. Ein totaler «Bankfeiertag» schaffe den notwendigen Freiraum, um die Druckpresse der Europäischen Zentralbank anzuwerfen und – im Gegenzug – einen strikteren Stabilitätspakt durchzusetzen.
Aber alle Lösungsvorschläge kranken am zentralen Punkt, den Stephen Lewis von Monument Securities in Erinnerung ruft: Das Euro-Projekt litt und leidet daran, dass aus politischen Gründen eine gemeinsame Währung ungleichen Staaten übergestülpt worden ist.
www.nzz.ch/finanzen/nachrichten/...rreissprobe_1.13373076.html
Ug. ⋅ Die Krise der Euro-Staatsschulden und der Euro-Banken verschärft sich immer mehr. Die Refinanzierung von Staatsschulden verläuft trotz indirekter Hilfe der Europäischen Zentralbank (EBZ) zunehmend zähflüssig, wie die von Frankreich und Spanien vorgenommenen Anleihenauktionen zeigten, die nur mit Rekordrenditen abzuwickeln gewesen waren. Gleichzeitig steigen die Geld-Brief-Spannen, was eine sich ausweitende Illiquidität andeutet. Und da die Renditen deutscher Anleihen stagnieren, während Anleihen von peripheren Euro-Staaten trotz der Beruhigung gegen Ende der Woche einen steigenden Zinstrend haben, schliessen manche Analytiker, dass Anleger verstärkt Euro-Papiere meiden; noch vor einigen Wochen hatte der bis dahin sinkende Trend deutscher Kapitalmarktrenditen darauf gedeutet, dass Anleger lediglich innerhalb der Euro-Zone umschichten, statt sie zu verlassen.
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Trotz dem in öffentlichen Äusserungen immer wieder bestätigten Widerstand der EZB und der in der Sicht der Märkte gegenwärtig den Ton angebenden deutschen Regierung gegen verstärkte, unlimitierte Eingriffe der Notenbank sehen immer mehr Marktteilnehmer nur noch diesen Ausweg. Andernfalls seien ein Kollaps des Euro und die Wiedereinführung nationaler Währungen unvermeidbar und nur eine Frage der Zeit. Dutzende von Kommentatoren kommen aus den verschiedensten Blickwinkeln heraus zu diesem Schluss. Nun kann man einwenden, dass viele Analysen nicht unabhängig sind, weil sie im Rahmen von Banken verfasst wurden, in deren Interesse es ist, dass die Schuldenkrise durch «Bail-outs» von Staaten und damit auf Kosten der Steuerzahler endet. Aber von Bedeutung ist letztlich nur, dass die Analysen den steigenden Druck der Märkte auf die EZB zeigen.
Stellvertretend für die eine aggressive Ausweitung des Engagements der EZB fordernden Stimmen – allerdings gibt es an den Märkten natürlich auch warnende Äusserungen – soll hier die Haltung des US-Kommentators und Investors John Mauldin stehen. Er fasst seine Gedanken unter dem Titel «Print or Perish» zusammen: Europas Staaten haben zu viele Schulden, von denen zu viele in den Büchern der im Prinzip insolventen Banken lagern; ausserdem bestehen enorme Handelsungleichgewichte zwischen peripheren und zentralen Euro-Ländern. Alle drei Probleme müssen gelöst werden, andernfalls implodiert die Euro-Zone in einer deflationären Spirale. Austerität ist keine Lösung, da es für ein Land unmöglich ist, gleichzeitig die Defizite von Regierung und Privatsektor auszugleichen, während ein Handelsbilanzdefizit besteht. Den Aufwand für den «Haircut» von Staatsschulden und die Verluste der Banken beziffert Mauldin auf 3 Bio. € – oder auch 2 Bio. oder 6 Bio. €.
Die für die Sanierung des Euro-Anleihen-Marktes notwendigen hohen Summen kann nur die EZB bereitstellen, da allein sie Euro in unlimitierter Höhe «drucken» kann. Als Hüterin der Währung ist es ihr aber untersagt, Staatsdefizite durch Käufe von Anleihen am Primärmarkt zu finanzieren. Selbst die laufenden Interventionen am Sekundärmarkt zur Kontrolle der Renditen sind umstritten. Bundesbankpräsident Jens Weidmann argumentiert, dass die oft vorgeschlagene Ausweitung der Käufe am Sekundärmarkt nicht nur unratsam, sondern sogar illegal sei. Eine anscheinend beim Internationalen Währungsfonds (IMF) und bei Regierungen diskutierte Möglichkeit, der legalen Zwangsjacke zu entkommen, sieht vor, dass die EZB dem IMF Geld ausleiht, das dieser dann an bedrängte Euro-Staaten oder den Rettungsschirm EFSF weiterreicht. Während manche Beobachter von dieser indirekten Finanzierung eine Linderung der Schuldenkrise erwarten, sprechen andere von Schnapsidee und Taschenspielertrick.
«Chapter 11» für Europa?
Eine andere Route empfiehlt der Chefökonom der Saxo Bank, Steen Jacobsen. Durch einen «Chapter 11»-Bankrott könne der politische Apparat vom Marktdruck befreit werden und Zeit und Raum für eine nachhaltige Krisenlösung finden. Ein totaler «Bankfeiertag» schaffe den notwendigen Freiraum, um die Druckpresse der Europäischen Zentralbank anzuwerfen und – im Gegenzug – einen strikteren Stabilitätspakt durchzusetzen.
Aber alle Lösungsvorschläge kranken am zentralen Punkt, den Stephen Lewis von Monument Securities in Erinnerung ruft: Das Euro-Projekt litt und leidet daran, dass aus politischen Gründen eine gemeinsame Währung ungleichen Staaten übergestülpt worden ist.
www.nzz.ch/finanzen/nachrichten/...rreissprobe_1.13373076.html