+++ BUNDESTAGSWAHL 2002 +++

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+++ BUNDESTAGSWAHL 2002 +++

 
07.08.02 22:59

Highnoon live im Fernsehen


Wenn der Kanzler und sein Herausforderer erstmals in der deutschen Geschichte live im Fernsehen verbal die Klingen kreuzen, bleibt nichts dem Zufall überlassen. Generalstabsmäßig bereiten sich die gegnerischen Lager und die Fernsehsender auf das "Sommerevent" vor.

Berlin - Es ist für beide das erste TV-Duell. Die Augen der Kameras sind gnadenlos. Trocken und steif, aber sehr sachkundig steht der Konservative im Scheinwerferlicht. Jovial, schlagfertig, gut gekleidet und gebräunt lächelte der andere in Millionen Wohnzimmer. In den Umfragen am Tag danach überreichten die Zuschauer des ersten TV-Duells der Geschichte John F. Kennedy den Siegerkranz. Richard Nixon schnitt 1960 nur bei den Radiohörern gut ab - sie hatten ihn ja nicht live gesehen.

Auch beim ersten TV-Duell in der Geschichte der Bundesrepublik wissen die "Spin-Doctors" von CDU und SPD: Es ist nicht so wichtig, was du sagst, sondern wie du es sagst. Entsprechend groß ist der Aufwand, mit dem sich Kanzler, Herausforderer und die Sender auf das "Sommerereignis" vorbereiten. Im Vergleich zu der "TV-Schlacht" sind die beiden Print-Duelle kürzlich für "Bild" und kommende Woche für "Welt" und "Süddeutsche Zeitung" nur Trockenübungen: Lesestoff mit den üblichen Phrasen.

"Vielleicht könnten die in dieser Form für Deutschland neuen TV-Duelle von Bundeskanzler und Kanzlerkandidat noch etwas bewirken", sagt Dieter Roth von der Forschungsgruppe Wahlen. Denn die Meinungsforscher sind sich einig, dass trotz des großen Abstands zwischen Union und SPD das Rennen noch nicht gelaufen ist. Zur Begründung verweisen sie vor allem auf den Widerspruch in der Einschätzung von Parteipräferenzen und Kanzlerkandidaten. Zwar liegen bei den Befragungen jeweils die CDU vor der SPD und die FDP vor den Grünen. Andererseits liegt Schröder weiter deutlich vor Unionskandidat Edmund Stoiber. Einen solchen Widerspruch hat es bei der Wechselstimmung der Bundestagswahl 1998 nicht gegeben.

Deshalb ist das TV-Duell die große Chance: "Schröder muss die Zustimmung zu seiner Person in die Zustimmung zu seiner Partei ummünzen, Stoiber die Zustimmung zur Union in die Zustimmung zu seiner Person", beschreibt ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender die Herausforderung.

"Merkel, pardon Christiansen"

In der Endphase des Wahlkampfes schien die Rollenverteilung lange klar: Am Ende läuft es auf die Zuspitzung Schröder oder Stoiber hinaus. Die SPD setzt viele Hoffnungen auf ihren geübten Medienkanzler. Gerne erinnert man sich in der Kampa noch an die ersten Stolperinterviews des "Äh-äh-äh-Stoibers" bei "Merkel, pardon Christiansen".

Doch hat man in der Kampa aufmerksam registriert, dass Stoiber seitdem sicherer geworden ist in seinen TV-Auftritten: "Er wird professionell geschult", ist man sich bei den Genossen sicher. Zudem geht die Angst um, dass eine allzu joviale und überlegene Selbstdarstellung des SPD-Spitzenmannes beim Zuschauer als Überheblichkeit gewertet werden könnte: "Das wäre Gift", heißt es in der SPD-Zentrale.

Die gegnerischen Lager überlassen in der Vorbereitung nichts dem Zufall. Die Chefs der Sender Hans Mahr (RTL), Claus Larass (Sat.1), Nikolaus Brender (ZDF) und Hartmann von der Tann (ARD) haben mit den Wahlkampfleitern Matthias Machnig (Schröder) und Michael Spreng (Stoiber) jedes Detail abgesprochen.

Die Sender hätten gerne zum Auftakt die Nationalhymne abgespielt und die Kontrahenten wie Gladiatoren in die Arena einziehen lassen. Das war sowohl CDU als auch SPD zu dick aufgetragen. Bei der Bildregie meldeten die Politiker Sonderwünsche an: Aufnahmen der Hinterköpfe sind tabu. Für jedes Licht und jedes Mikrofon muss Ersatz bereit stehen. Keiner von beiden möchte bei der Live-Sendung plötzlich wortlos oder im schlechten Licht dastehen.

Mit acht Kameras alles im Blick

Die Duellanten wollen frontal in die Führungskameras blicken, also direkt in die Wohnzimmer sprechen. Kanzler und Kandidat stehen an verschiedenen Pulten, die Moderatoren sitzen. Peter Kloeppel (RTL) und Peter Limbourg (Sat.1), die am 25. August den ersten Schlagabtausch moderieren, sieht man ebenso wie zwei Wochen später das Duo Sabine Christiansen (ARD) und Maybrit Illner (ZDF) meist von hinten: Sie sollen niemandem die Show stehlen. Acht Kameras stellen sicher, dass jederzeit jeder im Bilde sein kann. Pro Frage haben Schröder und Stoiber maximal 90 Sekunden Zeit zur Antwort. Wird die Redezeit überschritten, mahnt eine orangefarbene Lampe. Nachfragen sind gestattet, aber maximal zwei, damit nicht zu lange bei einem Thema verharrt wird.

Auf dem Gelände des Adlerhofs in Berlin, von wo beide Duelle übertragen werden, verfolgen vor Ort 300 Journalisten auf einer Großbildleinwand den Schlagabtausch. Weil an einem solchen Tag offensichtlich jedes Detail interpretiert werden könnte, hat ZDF-Chef Brender schon mal vorsorglich die politisch korrekte Kleiderordnung vorgeschrieben: Illner darf auf keinen Fall Rot und Christiansen kein Schwarz tragen. Die privaten Männer-Moderatoren haben es leichter: Sie tragen beide dunkle Anzüge.

Die Sender sind die Gewinner

Ein Gewinner der Duelle steht schon mal fest. Die Sender. Die Öffentlich-Rechtlichen rechnen mit mindestens zehn Millionen Zuschauern. "Ich erwarte die Quote eines guten Fußballspiels", sagt Brender. Obwohl sie erst als Zweite zum Zuge kommen, ist Brender optimistisch, "weil unsere Sendung näher am Wahltermin dran ist".

Und auch die Privaten reiben sich schon die Hände: Werbespots rund um das Duell kosten doppelt so viel wie sonst zu dieser Sendezeit: 48.240 Euro für 30 Sekunden. Ein Kunde könnte ihnen schon sicher sein. Nachdem FDP-Chef Guido Westerwelle damit scheiterte, sich in das TV-Duell einzuklagen, überlegen die Liberalen nun vor und nach der Sendung Wahlspots zu schalten. Anders geht es kaum: Aus Sicherheitsgründen wird niemand, auch nicht Partei-Vize Jürgen W. Möllemann, über dem Adlershof mit dem Fallschirm abspringen dürfen.

spiegel.de
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