Börsenhistorie
§
Nomen est Omen
Woher der Begriff Börse kommt ist bis heute noch nicht eindeutig geklärt. Im 16. Jahrhundert tauchte das Wort Börs auf, abgeleitet von dem niederländischen Wort Beurs, welches das Gebäude bezeichnet in dem Kaufleute Waren handelten. Aber auch van der Beurs, eine Kaufmannsfamilie in Brügge oder der Lederbeutel für Wertsachen namens Bursa könnten für den Begriff Börse verantwortlich sein.
De Verenigde Oostindië Compagnie
Ende des 16. Jahrhundert hisste die mächtigste Handelsflotte der Welt die grün, rote Flagge Portugals, sehr zum Leidwesen der ehrgeizigen Holländer. Im Jahre des Herrn 1602 schlossen sich mehrere Gesellschaften zur Vereinigten Ostindien Kompanie (V.O.C.) zusammen. Gesellschaftsanteile der ersten globalen Unternehmung wurden öffentlich an der Börse angeboten und gehandelt. Jeder der Aktien kaufen konnte, wurde in das Aktionärsbuch eingetragen und Gesellschafter. Die Haftung begrenzte sich auf den Nominalwert der Aktie. Die V.O.C. gilt noch heute als erste Aktiengesellschaft moderner Prägung.
Damals waren Reisen gefährlich und Risikoreich. Die Beteiligungen verteilte die Gefahr einer Havarie nun auf viele. Bei jedem Kauf oder Verkauf von Aktien musste einer der 17 Gesellschaftsdirektoren seine Zustimmung geben; ein äußerst aufwendiger Vorgang. Dividenden wurden auch in Form von Naturalien ausgezahlt. In leistungsstarken Jahren erhielten Aktionäre der V.O.C. eine Ausschüttung von bis zu 75% (!) Es gab auch magere Jahre ohne Dividende, aber in der 198-jährigen Firmengeschichte wurden durchschnittlich 20% rentiert. Die Aktie hatte starke Kursschwankungen. Eine Woche nach ihrer Ausgabe verzeichnete sie ein Plus von über 100%, 118 Jahre später kostete sie das 12,5 fache, danach verlor sie allerdings den größten Teil ihres Wertes.
Quid hic speculare
Spekulation wird vom lateinischen speculatio/speculare abgeleitet und bedeutet soviel wie "das Ausspähen/nach Vorteilen Ausschau halten". Das 17. und 18. Jahrhundert dürfte die wohl spekulativste Epoche in der Börsengeschichte sein. Die ersten Tulpen wurden 1562 über den Seeweg nach Amsterdam importiert. Diese schöne und früher in Europa extrem seltene Blume katapultierte die Tulpenzwiebelpreise in astronomische Höhen. Einfache Knechte aber auch adlige beteiligten sich an der Spekulation. Am Ende des Tulpenbooms wurden, auf heutige Kaufkraft umgerechnet, 35.000 Euro für eine Tulpenzwiebel geboten. Natürlich hatten nur wenige so viel Geld. Es entwickelte sich der Handel mit Optionen statt mit realen Zwiebeln. Vereinfacht dargestellt funktioniert das wie folgt:
Der Händler erwartet einen Preisanstieg, will aber im Herbst 100 Tulpenzwiebeln zu je 1.000 Euro. Der Lieferant fürchtet einen Preis von 900 Euro je Zwiebel und akzeptiert das Angebot des Händlers. Der Händler kann sein Kaufrecht (Option) ausüben (oder auch nicht), der Lieferant muss liefern wenn es der Händler verlangt, er erhält dafür eine Optionsprämie.
Der Handel mit Optionen, Kauf- und Lieferrechten entwickelte sich schwungvoll. Im Jahr 1637 platzte endgültig die Tulpenspekulation. Die Preise stürzten ins Bodenlose. Viele Spekulanten verloren buchstäblich "Haus und Hof". Auch wenn es heute um Aktien- oder Devisenoptionen geht, Optionen gelten seither als dubios.
Finanzderivate sind für die einen hochspekulativ und damit unanständig, für die anderen sind sie ein moderates Mittel des modernen Risikomanagements. Mit Derivaten lässt sich viel Geld verdienen. Wer es richtig macht kann mit ihrer Hilfe Verluste absichern. Auch wenn Derivate klingende Namen wie Futures, Optionen und Swaps haben, es sind nichts anderes als Wetten. Sie haben alle das gleiche Grundmuster wie die Tulpenzwiebel-Option: Sie berechtigen zum Kauf oder Verkauf einer Menge von Basiswerten zu einem festen, im voraus vereinbarten Preis zu einem spätesten, fest vereinbarten Zeitpunkt. Der ursprüngliche Sinn ist klar: Es geht um die Absicherung des künftigen Preis. Derivate leben von der Unsicherheit der Zukunft und dem Wunsch etwas dagegen zu tun.
Landwirtschaftliche Produkte, Metall- und Devisenmärkte kennen seit vielen Jahren Zukunftslieferungen als Schutz gegen Preisschwankungen. Seit 1865 werden Warenterminkontrakte für Weizen, Kupfer und Schweinebäuche am Chicago Board of Trade (CBoT) regelmäßig gehandelt. Erst in den letzten 20 Jahren haben sich Termingeschäfte auf dem Kapitalmarkt etabliert. Heute übertrifft der Handel mit Finanzderivaten die Warentermingeschäfte um ein Vielfaches. Die weltweit größte Derivatbörse ist die EUREX. Das Geschäft mit der Unsicherheit verlangt profundes Wissen, starke Nerven und auch das Quäntchen Fortune. Viele Unternehmen haben ihre Firmenkassen in Profitcenter für hochspekulative Termingeschäfte verwandelt. Finanzderivate werden nicht länger ausschließlich zur Risikoabsicherung, sondern zur Gewinnerzielung eingesetzt.
...be invested
Der Einsame Samariter
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Nomen est Omen
Woher der Begriff Börse kommt ist bis heute noch nicht eindeutig geklärt. Im 16. Jahrhundert tauchte das Wort Börs auf, abgeleitet von dem niederländischen Wort Beurs, welches das Gebäude bezeichnet in dem Kaufleute Waren handelten. Aber auch van der Beurs, eine Kaufmannsfamilie in Brügge oder der Lederbeutel für Wertsachen namens Bursa könnten für den Begriff Börse verantwortlich sein.
De Verenigde Oostindië Compagnie
Ende des 16. Jahrhundert hisste die mächtigste Handelsflotte der Welt die grün, rote Flagge Portugals, sehr zum Leidwesen der ehrgeizigen Holländer. Im Jahre des Herrn 1602 schlossen sich mehrere Gesellschaften zur Vereinigten Ostindien Kompanie (V.O.C.) zusammen. Gesellschaftsanteile der ersten globalen Unternehmung wurden öffentlich an der Börse angeboten und gehandelt. Jeder der Aktien kaufen konnte, wurde in das Aktionärsbuch eingetragen und Gesellschafter. Die Haftung begrenzte sich auf den Nominalwert der Aktie. Die V.O.C. gilt noch heute als erste Aktiengesellschaft moderner Prägung.
Damals waren Reisen gefährlich und Risikoreich. Die Beteiligungen verteilte die Gefahr einer Havarie nun auf viele. Bei jedem Kauf oder Verkauf von Aktien musste einer der 17 Gesellschaftsdirektoren seine Zustimmung geben; ein äußerst aufwendiger Vorgang. Dividenden wurden auch in Form von Naturalien ausgezahlt. In leistungsstarken Jahren erhielten Aktionäre der V.O.C. eine Ausschüttung von bis zu 75% (!) Es gab auch magere Jahre ohne Dividende, aber in der 198-jährigen Firmengeschichte wurden durchschnittlich 20% rentiert. Die Aktie hatte starke Kursschwankungen. Eine Woche nach ihrer Ausgabe verzeichnete sie ein Plus von über 100%, 118 Jahre später kostete sie das 12,5 fache, danach verlor sie allerdings den größten Teil ihres Wertes.
Quid hic speculare
Spekulation wird vom lateinischen speculatio/speculare abgeleitet und bedeutet soviel wie "das Ausspähen/nach Vorteilen Ausschau halten". Das 17. und 18. Jahrhundert dürfte die wohl spekulativste Epoche in der Börsengeschichte sein. Die ersten Tulpen wurden 1562 über den Seeweg nach Amsterdam importiert. Diese schöne und früher in Europa extrem seltene Blume katapultierte die Tulpenzwiebelpreise in astronomische Höhen. Einfache Knechte aber auch adlige beteiligten sich an der Spekulation. Am Ende des Tulpenbooms wurden, auf heutige Kaufkraft umgerechnet, 35.000 Euro für eine Tulpenzwiebel geboten. Natürlich hatten nur wenige so viel Geld. Es entwickelte sich der Handel mit Optionen statt mit realen Zwiebeln. Vereinfacht dargestellt funktioniert das wie folgt:
Der Händler erwartet einen Preisanstieg, will aber im Herbst 100 Tulpenzwiebeln zu je 1.000 Euro. Der Lieferant fürchtet einen Preis von 900 Euro je Zwiebel und akzeptiert das Angebot des Händlers. Der Händler kann sein Kaufrecht (Option) ausüben (oder auch nicht), der Lieferant muss liefern wenn es der Händler verlangt, er erhält dafür eine Optionsprämie.
Der Handel mit Optionen, Kauf- und Lieferrechten entwickelte sich schwungvoll. Im Jahr 1637 platzte endgültig die Tulpenspekulation. Die Preise stürzten ins Bodenlose. Viele Spekulanten verloren buchstäblich "Haus und Hof". Auch wenn es heute um Aktien- oder Devisenoptionen geht, Optionen gelten seither als dubios.
Finanzderivate sind für die einen hochspekulativ und damit unanständig, für die anderen sind sie ein moderates Mittel des modernen Risikomanagements. Mit Derivaten lässt sich viel Geld verdienen. Wer es richtig macht kann mit ihrer Hilfe Verluste absichern. Auch wenn Derivate klingende Namen wie Futures, Optionen und Swaps haben, es sind nichts anderes als Wetten. Sie haben alle das gleiche Grundmuster wie die Tulpenzwiebel-Option: Sie berechtigen zum Kauf oder Verkauf einer Menge von Basiswerten zu einem festen, im voraus vereinbarten Preis zu einem spätesten, fest vereinbarten Zeitpunkt. Der ursprüngliche Sinn ist klar: Es geht um die Absicherung des künftigen Preis. Derivate leben von der Unsicherheit der Zukunft und dem Wunsch etwas dagegen zu tun.
Landwirtschaftliche Produkte, Metall- und Devisenmärkte kennen seit vielen Jahren Zukunftslieferungen als Schutz gegen Preisschwankungen. Seit 1865 werden Warenterminkontrakte für Weizen, Kupfer und Schweinebäuche am Chicago Board of Trade (CBoT) regelmäßig gehandelt. Erst in den letzten 20 Jahren haben sich Termingeschäfte auf dem Kapitalmarkt etabliert. Heute übertrifft der Handel mit Finanzderivaten die Warentermingeschäfte um ein Vielfaches. Die weltweit größte Derivatbörse ist die EUREX. Das Geschäft mit der Unsicherheit verlangt profundes Wissen, starke Nerven und auch das Quäntchen Fortune. Viele Unternehmen haben ihre Firmenkassen in Profitcenter für hochspekulative Termingeschäfte verwandelt. Finanzderivate werden nicht länger ausschließlich zur Risikoabsicherung, sondern zur Gewinnerzielung eingesetzt.
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Der Einsame Samariter
