boerse.de: Anleihenhausse in den USA

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boerse.de: Anleihenhausse in den USA

 
14.11.01 13:37
Dr. H.D. Schulz/Felix Pieplow:
Anleihenhausse in den USA
Im Oktober 2001 verbuchte die Automobilbranche die zweithöchste Absatzzahl in ihrer Geschichte. Die von zahlreichen Ökonomen gehegten Befürchtungen, dass die Terroranschläge des 11. September zu einer drastischen Einschränkung der Nachfrage seitens der amerikanischen Konsumenten führen würde, scheinen sich auf den ersten Blick nicht zu bestätigen. Der Automobilabsatz gilt als stellvertretender Indikator für die Kauflust der privaten Haushalte. Also alles im Lot und die Rezession schon vorüber?

Auf den zweiten Blick freilich muss man erkennen, dass die Umsatzausweitung des vergangenen Monats in den USA nur durch enorme Rabatte der Automobilhersteller zustande kam. Um die vollen Halden zu leeren, bot man Autokäufern neben Rabatten günstige Finanzierungen mit Effektivverzinsungen um Null Prozent. Das scheinbar so günstige Absatzwachstum kam unter sinkenden Preisen zustande. Dieser kleine Unterschied bei den Preisen hat für die Beurteilung der US-Wirtschaft weitreichende Folgen.

Seit 1984 sinken die realen (also inflationsbereinigten) Preise für Rohstoffe. Solange sich die produzierenden Unternehmen einer robusten Nachfrage gegenübersahen, konnten sie deshalb ihre Gewinnmarge erhöhen.
Nun könnte der Punkt gekommen sein, ab dem die privaten Haushalte mit den produzierenden Unternehmen das gleiche Spiel des Wartens auf fallende Preise spielen, das diese teilweise mit den Rohstoffproduzenten trieben. Während letztere zur Ausweitung ihres Angebotes neue Kapazitäten aufbauten, wuchs die Nachfrage nicht oder nur schleppend. Ein Rückgang der jeweiligen Preise war die Folge, wie etwa der Reuters Index für Britische Rohstoffpreise dokumentiert.

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Von Anfang der Achtziger Jahre bis heute haben sich Rohstoffe um ein Drittel verbilligt. Bereinigt man den Index um die Inflationsrate, so ergibt sich eine reale Verbilligung um weitere 50 Prozent. Die Psychologie der Deflation, die sich in einem Umfeld sinkender Preise aufbaut, ist folgende: Sowohl Endverbraucher als auch Unternehmen verschieben Kauf- und Investitionsentscheidungen in die Zukunft, da sie erwarten, dass sich der Trend sinkender Preise fortsetzt. Indem sie sich so verhalten, erfüllt sich ihre Erwartung von selbst.

In Japan geistert seit nunmehr zehn Jahren das Gespenst der Deflation durch die Wirtschaft. Was war dort geschehen? Bis zum Beginn der Neunziger Jahre wurden im wichtigsten Produktionszweig und Exportmotor, der Automobilbranche, die Kapazitäten erweitert. Dennoch erreichte die Produktion 1991 mit 13 Millionen Fahrzeugen pro Jahr ihr Maximum und verringerte sich seither stetig, bis auf rund 10 Millionen heute.
Die Nachfrage konnte mit dem Wachstum des Angebots nicht Schritt halten. Man hatte irrtümlicherweise die Zuwachsraten von 3 bis 5 Prozent p.a. fortgeschrieben und daher übermäßig in Produktionsanlagen investiert, die niemals voll genutzt wurden. Verkrustete Strukturen, eine vergleichsweise hohe Anzahl an Rentnern und die japanische Verschleppungsmentalität machte das Depressionsszenario komplett.

Kein Wunder also, dass Greenspan und die amerikanische Regierung mit aller Macht "den Anfängen wehren". Sie steuern so vehement gegen die bisher nur in einzelnen Branchen fühlbare Spirale der sinkenden Preise an, dass manche Beobachter schon gegen Ende nächsten Jahres wieder erste Überhitzerscheinungen befürchten. Doch angesichts der enormen Geschwindigkeit, mit der US-amerikanische Unternehmen in den vergangenen 12 Monaten quer durch alle Branchen Massenentlassungen durchführten, kann eine langanhaltende Rezession nicht ausgeschlossen werden. Tief sitzt die Angst vor einem rapiden Niedergang der Wirtschaft wie 1929, als die Deflation Börsenkurse und Konjunktur in einen Abwärtsstrudel riss, der bis zu 25 Prozent der Erwerbstätigen ihren Job kostete.

Den Konsum hoch halten

Die Maxime muss daher lauten, den Konsum unbedingt hoch zu halten. Zum einen bietet sich die Möglichkeit staatlicher Konjunkturprogramme, ganz im Sinne des britischen Ökonomen J.M. Keynes. Seit den Terroranschlägen Anfang September wurden bereits Konjunkturhilfen in dreistelliger Milliardenhöhe bewilligt.

Zum anderen gilt es, die psychisch angeschlagenen Konsumenten dazu zu bringen, unbesorgt wie eh und je zu konsumieren. Die Verunsicherung der amerikanischen Verbraucher kommt von zwei Seiten. Der Aktienmarkt, der im Boom die kaufkräftigen Amerikaner wohlhabend gemacht hat, hat diesen in den letzten beiden Jahren starke Kursverluste beschert. Seit dem Hoch im März 2000 wurden zwischen fünf und sieben Billionen Dollar an Börsenwert vernichtet. Der viel diskutierte Wohlstandseffekt kehrte sich zumindest für die, die zu spät kamen, in einen "Armutseffekt" um.

Kein Wunder also, dass bis hin zu fragwürdigen Tricks nichts unversucht bleibt, den Aktienmarkt soweit es geht zu stützen. Eine nachhaltige Trendwende sollten Anleger jedoch bei einem durchschnittlichen Kurs/Gewinn-Verhältnis der im S&P 500-Index gelisteten Aktien nicht erwarten. Es liegt nahe dem Allzeithoch bei ca. 38 *. Daher scheint bestenfalls eine Seitwärtsbewegung des Aktienmarktes realistisch.

Die zweite Quelle der Verunsicherung für den Verbraucher ist die hohe Privatverschuldung, die seit Jahrzehnten stetig wächst und im Mittel rund einem Nettojahreseinkommen pro Arbeitnehmer entspricht. Sollten die Amerikaner nun ernsthaft mit dem Sparen beginnen, wird die Wirtschaft nachhaltig belastet.

Da auch die zehnte Senkung der kurzfristigen Zinsen noch keine Trendwende in den Konjunkturfrühindikatoren zur Folge hatte, griff die Regierung nun auch direkt in das Zinsgefüge am "langen Ende" ein, wo sich die Rendite allein aus Angebot und Nachfrage ergibt. Das US-Schatzamt verkündete, keine neuen 30-jährigen Anleihen zu begeben. Es entstand eine regelrechte Kaufpanik bei US-Staatsanleihen, die die 10-jährigen Bonds nach oben und damit die Rendite nach unten katapultierte. Sie sank binnen weniger Tage um einen halben Prozentpunkt.

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Über den Umweg steigender Anleihekurse wurde einerseits erreicht, dass Aktien im Vergleich zu den Festverzinslichen attraktiver werden. Andererseits können sich die US-Privathaushalte angesichts sinkender Zinsen billiger refinanzieren. Dass dieses Angebot angenommen wird, zeigt die schubartige Nachfrageausweitung bei den Hypotheken seit Oktober. Durch die zukünftig niedrigeren Zinsdienste bei den Verbrauchern (und den nicht minder verschuldeten Unternehmen) erhofft man sich eine Wiederbelebung des Konsums. Wie stark dieser bereits eingeschlafen ist, zeigt eine aktuelle Studie der University of Michigan, nach der nur ein Fünftel der von der Bush-Regierung Anfang des Jahres erwirkten Steuergutschriften zum Konsum verwendet wurde. Vier Fünftel des im Vorfeld weltweit gelobten Steuergeschenks werden nur indirekt als Nachfrage wirksam, da es die Haushalte vorzogen, Schulden zu tilgen.

Sollte sich der Konsum nicht deutlich beleben, können Anleger immerhin mit dem Trend zur Anleihe Geld verdienen. Je mehr aus dem Aktienmarkt fliehen, desto höher klettern die Anleihekurse.

Ob es in den USA tatsächlich zu einer anhaltenden Rezession kommt, wird sich im kommenden Jahr zeigen. Noch zeigen die Frühindikatoren jedenfalls unverändert nach unten. Neben den Analogien zum traurigen Beispiel Japan, wo derzeit die vierte Rezession innerhalb einer Dekade zuschlägt, zeigen sich aber auch erhebliche Unterschiede.
Erstens kann man weder der FED noch der US-Regierung vorwerfen, allzu lange die Hände in den Schoß gelegt zu haben. Ein zweites stichhaltiges Argument, das gegen ein Abgleiten der USA in eine Phase der Depression spricht, ist der für die "ängstlichen Europäer" mitunter nur schwer nachvollziehbare pragmatischen Optimismus der US-Bevölkerung. Börsenkurse und Konjunkturentwicklung sind aber immer auch Spiegel der Mentalität und Psychologie der Marktteilnehmer. Was diesen Punkt betrifft, sind keine Parallelen zwischen den USA und Japan erkennbar.

Dr. H.D. Schulz/Felix Pieplow

vanSee:

interessant o.T.

 
14.11.01 14:46
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