"Im Salon Dame, im Taxi eine Hure"
Sterben die Blondinen aus? Sind sie die besseren Partnerinnen? Wirken sie wirklich dümmer? Der Mythos blond beschäftigt nicht mehr nur Männerphantasien und Friseure. Auch Psychologen, Anthropologen und Genetiker suchen nach dem gewissen Etwas der hellhaarigen Frauen.
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Sex-Symbol Marilyn Monroe
Können 1243 Menschen irren? So viele jedenfalls entschieden im Internet-Versuch der Universität in Saarbrücken, Fachrichtung Psychologie, Abteilung Attraktivitätsforschung, Projekt "Blondinen bevorzugt", eine der letzten relevanten Forschungsfragen der Menschheit mit "ja": Blondinen wirken dümmer - zumindest, wenn ihre Haare zu sehen sind.
Sind die Haare auf einem Foto verdeckt, wirkt die kahle Blondfrau immerhin intelligenter als die kahle Schwarzhaarige, nur wenig dümmlicher als eine Brünette mit Platte und genauso schlau wie eine glatzköpfige Rothaarige.
Wird weiter gefragt, ob die haarlosen Testfrauen gut aussehen, schneidet die Blonde schlechter ab als die Brünette. Ist ihr Schopf auch nur im Ansatz zu erkennen, wirkt sie sofort schöner - und wird gleichzeitig als ziemlich temperamentlos und unkreativ eingeschätzt.
Die Ergebnisse klingen abstrus und sind doch die Erkenntnisse seriöser Wissenschaft: Anhand von 72 Farbfotos, angewandter Statistik und Kriterien wie "attraktiv", "sinnlich", "temperamentvoll", "naiv", "zuverlässig", "kreativ", "selbstbewusst" untersuchten die Psychologen 14 Wochen lang, wie die Haarfarbe eines Menschen das Urteil anderer über ihn beeinflusst. Ob an der Saar, in Ulm, Kiel oder im schottischen Edinburgh - überall drängen Forscher nach Erkenntnis über Wesen, Wirkung und Beschaffenheit der Blondine: Ist sie cool oder blöd? Lässt sich Bettwäsche mit ihr besser vermarkten als Schokolade? Was will der gemeine Mann von ihr? Wie ist ihre Haut beschaffen? Taugt sie für eine Partnerschaft? Oder stirbt sie gar aus?
Anthropologen, Psychologen, Humangenetiker und Dermatologen arbeiten hart daran, den Schleier zu lüften: Dem "Mythos blond" droht die Entzauberung.
Dabei ist er gehegt worden wie kaum ein anderer. Dumme Sprüche - "`ne hübsche Blondine ist wie `ne hübsche Löwin" - oder Witze - "Was ist eine Blondine mit braun gefärbten Haaren? Künstliche Intelligenz" - konnten ihn so wenig beschädigen wie der dunkle Germanenwahn im 19. und 20. Jahrhundert. Elisabeth Nietzsche, die Schwester Friedrichs, verfrachtete schon 1886 eine kleine Gemeinschaft blonder Siedler für ein eugenisches Experiment in den Dschungel Paraguays. Noch heute heißt der Ort, bevölkert von zahlreichen Blondhaarigen und Blauäugigen, Nueva Germania. Hitler, der seinen Schäferhund "Blondi" rief, trieb die Perversion mit Entbindungsheimen des Vereins Lebensborn, wo Arierkinder aufwuchsen, auf die Spitze.
Doch der Mythos, befeuert durch Marlene Dietrich als unnahbare Schöne mit der Haarfarbe von Vanilleeis, überlebte den Zweiten Weltkrieg. Brigitte Bardot bediente ihre Zuschauer in den Sechzigern als Schnurrekätzchen mit Puppenaugen, Alfred Hitchcock besetzte seine Filme mit Blondschöpfen à la Grace Kelly, die, so der Meister, vor allem eine Qualität ausstrahlen mussten: "Im Salon eine Dame, im Taxi eine Hure." Andy Warhol setzte der blonden Ikone Marilyn Monroe gleich in Serie ein Denkmal. Madonna verkaufte sich in ihrer "Blond Ambition"-Tour 1990 aggressiv als neues Idol einer uralten Haarfarbe, die heute für Kinostoffe ("Natürlich blond") oder Talkshows ("Blond am Sonntag") herhalten muss - und plappernden Gewächsen wie Jenny Elvers fast so viele Fernsehauftritte verschafft wie dem Bundeskanzler.
Wer, wie Margaret Thatcher oder Hillary Clinton, Erfolg haben will, wird auf dem Weg nach oben sichtbar, wenn auch künstlich, heller. Denn blond, palavert der Münchner Psychologe, Biologe und Paartherapeut Stephan Lermer, ist das Helle, das Engelhafte, das Reine und die Sonne: "Nur Penner sitzen im Schatten. Im Licht thront der Potentat, inmitten Champagner und fruchtbarem Weizen."
Tatsächlich ist die Geschichte der Blonden die der Götter, Verführer und Gutmenschen: Botticellis Venus, die Männer mordende Loreley oder Eva - als Urmutter der Menschheit garantiert nicht hellhaarig, sondern afrikanisch schwarz - lächeln so blond von den Gemälden, wie die Märchenfrauen vom Schlage Rapunzels oder Aschenputtels ihre Ritter ums Blondhaar wickeln. Böse Hexen tragen schwarze oder rote Ponys; die gute Fee darf, gegeben von Franziska Reichenbacher, als blonde Lichtgestalt sogar die Ziehung der Lottozahlen präsentieren.
Warum nur dieses strahlende Image? In Wahrheit liegt es gar nicht an den Haaren selbst, glaubt Lermer herausgefunden zu haben. "Es sind die Pupillen", so der Psychologe. "Sie wirken bei den eher helläugigen Blonden größer als bei einer dunklen Iris. Sie scheinen Befindlichkeiten und Stimmungen ungetrübt auszudrücken. Insofern wirken Blonde ehrlicher und besser einschätzbar." Solche Augen, so die Botschaft, können nicht lügen.
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Popsängerin Madonna
Hans Wilhelm Jürgens, Anthropologe an der Universität Kiel, findet solche Stereotypen zwar grotesk, doch in seinen Untersuchungen immer wieder bestätigt. "Mir ist völlig unklar, warum blond etwas mit Wahrheit zu tun hat", sagt er. "In den blauen Augen Blonder stecken auch gar keine blauen, sondern braune, optisch geschickt gebrochene Pigmente." Blaue Augen, meint der Wissenschaftler, sind "eine permanente Täuschung wie der Blauschimmer eines …Öltropfens auf nassem Asphalt".
Seit über 20 Jahren betreut der Professor, der sich früher mit Themen wie "menschliche Rassenmischungen", "menschliche Typenkunde" und "Asozialität als biologisches und sozialbiologisches Problem" einen umstrittenen Ruf erworben hat, auch Arbeiten über "das Typenbild der Blondine" in der Werbung - und kann biedersinnige Ergebnisse präsentieren: Meister Proper und der General hätten ihren Weg ohne blonde Frauen nie gemacht.
"Wird es sinnlich und lustbetont, kommt die Brünette zum Einsatz", sagt Jürgens, "geht es um Sauber- und Langlebigkeit, ist garantiert eine Blondine im Spiel."
Allerdings taugt nicht jede gleichermaßen als Reinheitsapostolin. Platin- und Silbrigblonde wie Marlene Dietrich und Marilyn Monroe schließt der Anthropologe als Prototypen "größtmöglicher Luderhaftigkeit" ausdrücklich aus. "Gold- und Rotblonde hingegen stehen, auch beim Thema Heirat, für garantierte Qualität." Rund 260 Zuschriften hat der Wissenschaftler auf zwei fast gleich lautende, in mehreren überregionalen Tageszeitungen geschaltete Annoncen erhalten: "Medizinisch-Technische Assistentin, 26 Jahre alt, sucht passenden Ehepartner", hieß es da. Es gab nur einen Unterschied: In einer Version suchte eine blonde, blauäugige MTA einen Mann fürs Leben - in der anderen war es eine dunkelhaarige und dunkeläugige.
Ende Teil 1