Blondinen am Schredder und Haifisch-Sushi

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Happy End:

Blondinen am Schredder und Haifisch-Sushi

 
07.01.03 13:24
--> ENRON - ein Jahr danach

Blondinen am Schredder und Haifisch-Sushi 898605

Enron, der Film
Dreizehn Monate nach dem Bankrott wurde jetzt der erste Spielfilm über Enron im US-Fernsehen gezeigt. Es geht um Blondinen am Schredder, Haifisch-Sushi - und das erste öffentliche Schuldbekenntnis eines Enron-Managers.

New York - Wirtschaftsskandale sind normalerweise nicht der Stoff, aus dem Hollywoodträume gemacht sind. Sterile Büros, langweilige Meetings, viele Zahlen und, am allerschlimmsten, unattraktive Charaktere. Schon die Bücher über so was liest keiner. Wer also soll einen ganzen Spielfilm sehen?
 
Nun war Enron, das wissen wir aus unzähligen Berichten, so viel mehr als Zahlen: Cabrios, Silikonbrüste, Orgien, kurz: der Stoff, auf den Hollywood steht. Es kam daher nicht ganz so überraschend, als das Branchenmagazin "Variety" im März meldete, dass gleich vier Filme in Arbeit seien.

Der erste war nun am Sonntagabend unter dem Titel "The Crooked E: The Unshredded Truth about Enron" auf CBS zu sehen. Um es gleich vorweg zu nehmen: Der Film ist grottenschlecht, aber auf seine Art dennoch ein Genuss.

Die Anatomie der Gier

Das Werk basiert auf dem Buch "Anatomy of Greed" des ehemaligen Enron-Angestellten Brian Cruver. Die persönliche Erfahrung wird im Film noch fiktiv angereichert. Die komplizierte Unternehmenskonstruktion mit den Off-Shore-Firmen, mittels derer Enron seine Schulden versteckte, hingegen wird großzügig ausgelassen. Viel Sorgfalt wird wiederum darauf gelegt, dass keins der saftigen Details über die "Enron-Kultur" fehlt.

Der Film beginnt ganz im Stil eines großen Hollywood-Epos: einer Rückblende ins Jahr 1986, als der Ich-Erzähler Cruver ein kleiner Junge war. Bei einem Picknick im sonnigen Houston, Texas, nimmt ihn ein alter Familienfreund, "Mister Blue", beiseite und erklärt ihm die Bedeutung von Amerika. "Wenn du etwas siehst, was du willst, nimm es dir. Das ist Amerika", sagt der nette Onkel, ein bekennender Reagan-Fan, und pinnt Klein-Brian eine rotweißblaue Anstecknadel an die Brust.

Noch mehr beeindruckt Klein-Brian der nächste Satz. "Es gibt keine Regeln und keine Grenzen", sagt "Mister Blue". Der Ich-Erzähler bekennt, in dem Moment seine Berufung gefunden zu haben: "Keine Regeln, keine Grenzen. Ich wusste sofort: das ist es, was ich will".

Krawatte auf den Müll

So plump geht es weiter, in jedem Dialog lugt der Skandal hervor. Doch der Film ist nicht langweilig, und das liegt vor allem an der konsequenten Karikierung aller Enron-Klischees, die der regelmäßige Zeitungsleser mit Vergnügen wiedererkennt. Das beginnt mit Brians erstem Tag (1. April 2001) in der Enron-Zentrale in Houston: er kommt die Rolltreppe hoch, blickt sich um - und schmeißt erstmal seine Krawatte in den nächsten Mülleimer. Hier tragen alle weit offene Hemden. Ist lässiger.

Im Fahrstuhl läuft das firmeninterne Fernsehprogramm, in dem ein gewisser "Mister E" den Aufstieg Enrons zum größten Unternehmen der Welt für dieses Jahr vorhersagt. Auf der Einführungsveranstaltung berichtet die Personalbeauftragte, eine Barbiepuppe im Stewardessen-Kostüm, ebenso naiv wie stolz, dass "80 Prozent unserer Anlagen virtuell sind". Hier stutzt Cruver zum ersten Mal: Virtuell? Doch die Rednerin setzt beruhigend hinzu: "Um unsere finanzielle Integrität zu garantieren, arbeiten unsere Wirtschaftsprüfer von Arthur Andersen direkt hier im Haus".

Jaja, so war das damals bei Enron. Der Humor des Films ist nicht von der subtilen Sorte, aber er funktioniert irgendwie. Auch die "Enronisierung" des Helden wird gnadenlos überzeichnet. Bevor er zu Enron in die neu gegründete "Abteilung für Bankrottversicherung" (Haha!) kam, war Cruver ein braver Junge: Er war glücklich mit seiner Verlobten Courtney, plante seine bescheidene Hochzeit und fuhr einen schäbigen alten Jeep Cherokee.

Die Firma, in der selbst Frauen Frauenwitze machen

Nun wird Cruver unter dem Einfluss von "Mister Blue", der inzwischen ein Top-Manager bei Enron geworden ist, jeden Tag mehr zum Enron-Klon: Er kauft ein Lexus-Cabrio, einen riesigen Plasma-Fernseher und geht Sushi essen mit seinen bereits völlig enronisierten Arbeitskollegen. Beim Essen stoßen sie "auf unbeschränkte Spesenkonten" an, und sie bestellen "Enron Rolls" - das sind die mit Haifischfleisch.

Enron-Aktenschnipsel: Gut zu wissen, dass die Unterlagen wenigstens von gut aussehenden Frauen vernichtet wurden, nicht von dickbäugigen Männern

Was wahr ist und was nicht, ist an dem Punkt längst egal. Enron wird dargestellt als die Firma, in der selbst Frauen Frauenwitze machen. Es wimmelt von Blondinen mit Silikonbrüsten und den entsprechenden Anspielungen. Besonders entsetzt ist die bodenständige Courtney, als ihr Verlobter sie auf eine Party mitschleppt, die sich als Orgie mit sexgeilen Managern und nur allzu willigen Frauen entpuppt. Liz, eine von Cruvers Kolleginnen, erklärt Courtney, dass sie ihren Mann zu Hause gelassen habe, weil es besser für die Karriere sei.

Das Gerüst des Films bilden die echten Geschichtsdaten: Am 14. August 2001 tritt CEO Jeff Skilling zurück, die Mitarbeiter sind am Boden zerstört. Kurz danach taucht "Whistleblower" Sherron Watkins auf und warnt Chairman Kenneth Lay vor den Bilanzproblemen, im Film allerdings im persönlichen Gespräch, und nicht per E-Mail. Doch womit Enron gehandelt hat und worum es bei dem Skandal ging, wird nie wirklich erklärt. Der Laie hat am Ende keinen tieferen Einblick in die Firma, als dass irgendwas faul war.

Das E-Tattoo auf der Brust

Alles wird aufs Klischee reduziert und ins Groteske übertrieben: Lay beginnt, seine Aktien zu verkaufen - während eine kleine Sekretärin ihre gesamten Ersparnisse in Enron-Aktien anlegt. Als das Drama schließlich seinen Lauf nimmt, bilden sich lange Schlangen am Schredder: Blondinen mit riesigen Aktenstapeln unterm Arm drängen sich, das Beweismaterial für den bis dahin größten Betrugsfall der Geschichte zu vernichten.

Unter den Mitarbeitern beginnt das große Jammern. Cruver sitzt mit seinen Kollegen zusammen, die aufzählen, was sie alles verloren haben. Sie schauen sich im Internet Satellitenfotos von Skillings Villa an und schauen sich gegenseitig an: "Wir haben dafür bezahlt." Die Krönung der Selbstbemitleidung kommt, als Liz triumphierend ihre Brust entblößt: Dort prangt eintätowiert und unverrückbar das große E - ein Stigma auf Lebenszeit.

"Mister Blue", der fiktive Charakter, der auf verschiedenen Enron-Topmanagern basiert, verschwindet aus der Firma. In seinem Haus hält er seinem Schützling Cruver noch eine letzte große Predigt. Während er eine 300-Dollar-Flasche Johnny Walker Blue leert, spricht er die Worte, die noch kein Enron-Manager in der Wirklichkeit in den Mund genommen hat: "Wir waren gierig. Billige, unmoralische Banditen. Wer ist schuld? Wir. Wir sind die Verbrecher."

"Globalisierung der Dummheit"

Das Schuldbekenntnis ist ebenfalls zur Karikatur verzerrt. "Enron war die Globalisierung der Dummheit", sagt "Mister Blue". Und er fügt hinzu: "Ich freue mich auf das Gefängnis. Kann ich endlich fünfzig Pfund abnehmen".

Schon das wäre ein würdiger Schluss für einen dämlichen Film. Doch die Filmemacher legen noch einen drauf. Courtney hatte Cruver im Verlauf des Films einen "virtuellen Arsch" genannt und ihn verlassen. Am Schluss kommt der einstige Überflieger vorgefahren, um Abbitte zu leisten. Er ist komplett de-enronisiert, fährt wieder seinen ollen Jeep und sagt zerknirscht: "Dies war die Geschichte eines jungen Mannes, der von der dunklen Seite der Macht verführt wurde".  
chartgranate:

"gggggggggggggg" o. T.

 
07.01.03 13:40
Mr_Blue:

Das ist übelster Rufmord, der da mit meinem Namen

 
07.01.03 13:54
getrieben wird!

Das setzt erst mal 'ne ordentliche Schadenersatzklage.
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