Blöd

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vega2000:

Blöd

 
08.10.01 10:13
Das Streiflicht

(SZ)Ach, wenn doch immer Sonntag wär’! Ach, wenn doch niemals Samstag wär’! Hat schon mal jemand ausgerechnet, wieviel Unglück so ein stinknormaler Samstag regelmäßig über Millionen von uns bringt, einfach weil an diesem Tag mehr Fussballspiele als an jedem anderen verloren oder jedenfalls nicht gewonnen werden. „Was schert mich Weib, was schert mich Kind?/Hauptsach’ ist, dass Bayern g’winnt!“: So geht ein alter Spruch, und der gilt ja nun auch umgekehrt: Mögen die Liebes- und sonstigen Glückssterne am Samstagmittag noch so hoch stehen – am Samstagabend kann die Depression umso heftiger zuschlagen, wenn nämlich der FC Bayern nicht gewonnen oder, um ein aktuelleres Beispiel zu wählen, Deutschland als solches durch ein schmachvolles Unentschieden gegen Finnland den ohnehin geschrumpften Resten nationaler Identität, die unsereiner noch in sich trägt, vollends den Garaus gemacht hat.

Dann aber ist der Sonntag, und mit ihm die Bild am Sonntag, die den fetten Frust und die wilde Wut in uns auflöst, indem sie beide einfach hinausschreit: „Ihr seid zu blöd für die WM!“ Ja doch, dafür brauchen wir Bild am Sonntag. Was wir weniger brauchen, ist Bild am Samstag, und am wenigsten brauchten wir die Bild-Schlagzeile am vergangenen Samstag: „War Hitler schwul?“ Hm. War Ludwig II. schwul? Neigte Stalin zum Despotismus? Ist Osama bin Laden ein Fanatiker? Statt uns mit so einer Frage zu kommen, hätte Bild am Samstag auch gleich die Headline von Bild am Sonntag vorwegnehmen können: Ihr seid ja so blöd, ihr Bild-Leser nämlich – so unglaublich blöd, dass wir euch die ausgelatschtesten Gemeinplätze als „neueste Erkenntnisse der Geschichtsforschung“ unterjubeln können, und ein läppisches Machwerk, dass diese Gemeinplätze zum ungefähr siebzigtausendsten Mal breittritt, allen Ernstes als „Sensationsbuch“.

Einmal abgesehen davon, wo hier wirklich die Blöden sitzen: Von Bild sind wir dergleichen ja gewohnt. Nicht zu denken hätten wir aber gewagt, dass der bislang ehrgeizig und anspruchsvoll auftretende Berliner Alexander Fest Verlag so weit auf Anspruch und Ehre vergessen könnte. Wer derart mit der Wurst nach der Speckseite schmeißt, dass er ein Buch verlegt, in welchem Hitlers allzeit offenbares Hingezogensein zu Männerbündischem und zu Männersentimentalitäten oder die Unerfülltheit seiner Beziehung zu Eva Braun dummdreist als „Hitlers Geheimnis“ verkauft werden, zum Stückpreis von 44,79 Mark, der muss sich schon fragen lassen, warum er statt Bücher nicht lieber Waschmaschinen feilhält, oder gleich die Bild-Zeitung, deren Lektüre einem ohnehin jede Lust auf die weitere Beschäftigung mit dem Buch nimmt. Erscheinen soll „Hitlers Geheimnis“ dennoch am kommenden Dienstag – ach, wenn doch niemals Dienstag wär’!

Quelle: Süddeutsche Zeitung
 
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