Hier ein paar Infos zu der Technologie und beteiligten Unternehmen:
aus "Die Telebörse" 28/2000
Bluetooth, blauer Zahn - lange nur eine Vision für das Jahr 2005, nimmt langsam Formen an. Die neue Funktechnik für kurze Distanzen wird unser Leben verändern: Computer kommen ohne Kabel aus, Herd, Kühlschrank
und Heizung kommunizieren miteinander, Autos werden zu rollenden Schaltzentralen. Wo Sprache und Daten bislang per Kabel über wenige Meter übertragen werden, hält schon bald Bluetooth Einzug. Die Funktechnik überbrückt die Distanz zum nächsten Internet-Zugang oder Mobilfunkanschluss. Es wird eine technische Revolution, wie es vor fünf Jahren der Siegeszug der Mobiltelefone war. Fast alle Bereiche des Lebens sind betroffen. Beispiel Haushalt: Aus seinem heimischen PC überträgt der Hausherr Rezepte an den Herd, im Gegenzug funkt der Kühlschrank eine Einkaufsliste zum elektronischen Organizer des Hobbykochs so weiß der Gourmet endlich, welche Zutaten er noch dringend einkaufen muss. Bosch, Siemens, Elektrolux - sie alle arbeiten an entsprechenden
Geräten für Küche und Haushalt.
Drahtlose Datenübertragung ist nicht neu. Ultraschall und Infrarot sind seit Jahren im Einsatz. Neu an Bluetooth ist jedoch: Die Technik ist standardisiert, lizenzfrei und durchdringt auch Fenster und Wände. "Im Jahr 2005 wird weltweit Bluetooth-Technik für mehr als 3,5 Milliarden Dollar in
Kühlschränke, Autos, Telefone und Computer eingebaut", prognostiziert Karsten Iltgen, Experte für Halbleiter-Technik bei der WestLB Panmure. Die US-Investmentbank Merrill Lynch sagt gar Umsätze von 4,3 Milliarden Dollar voraus.
Ein erstes Produkt ist bereits auf dem Markt: das Mobiltelefon T36 von Ericsson mit schnurlosem Kopfhörer. Der klemmt beim Telefonieren am Ohr, während das Handy selbst in der Jackentasche bleiben kann. Doch es sind nicht die Erfinder der Bluetooth-Technik, die von der Revolution profitieren werden. Für Ericsson, Nokia oder Intel ist die neue Technik höchstens ein Zusatzgeschäft. Explodieren wird das Geschäft kleiner Chip-Produzenten und Software-Hersteller, die sich auf Bluetooth spezialisiert haben. Atmel, Cadence oder Madge Networks - mit den richtigen Produkten und lukrativen Lieferverträgen werden ihre Umsätze und Gewinne dramatisch wachsen - und Aktionäre mit steigenden Kursen belohnen.
Beste Aussichten haben Unternehmen, die den Endgeräteherstellern die notwendige Hard und Software entwerfen und in Lizenz liefern. Dazu sind völlig neue Chip-Designs nötig, die die Funktechnologie von Bluetooth mit den digitalen Prozessoren moderner Elektronik verbinden. Dafür gibt es zwei mögliche Lösungen: Entweder wird die gesamte Mikroelektronik auf einen Chip gepackt oder der Funkchip wird getrennt produziert. Experten gehen davon aus, dass beide Architekturen einen Markt finden werden: Unterschiedliche Anwendungen verlangen flexible Chip-Lösungen. Vorteil der Einzel-Chips ist, dass diese kosten günstiger zu fertigen sind. Gleichzeitig sind damit aber auch die höchsten Anforderungen an Software-Ingenieure verbunden. Bei der weniger eleganten Zwei-Chip-Lösung scheint es hingegen einfacher zu sein, die Chip-Funktionen per Software zusteuern. Von den etablierten Chip-Produzenten geht derzeit die US-Firma Broadcom den Markt am entschlossensten an. Schon Anfang Juni akquirierten die Amerikaner für 248 Millionen Dollar mit Pivotal Technologie ein Startup, das bereits über einen fertigen Bluetooth-Chip verfügt. Eine weitere Übernahme erfolgte Mitte Juli: Für 440 Millionen Dollar - bezahlt in Aktien - kaufte Broadcom die komplette Mehrheit an Innovent, einer Firma, die sich voll auf die Entwicklung von Lösungen für die drahtlose Kommunikation über kurze Distanzen konzentriert. Schon bis Ende des Jahres will Broadcom eine von Innovent geschaffene Ein-Chip Lösung auf den Markt bringen. Sollte dies gelingen, hätte Broadcom dank seiner geschickten Einkaufspolitik - Cisco lässt grüßen - einmal mehr seine technologische Brillianz unter Beweis gestellt. Die Spitzenstellung des Unternehmens - im Markt für Kabelmodemchips ist Broadcom Weltmarktführer - wurde erst kürzlich durch die Aufnahme in den US-Aktienindex S&P 500 untermauert. Da verwundert es nicht, dass hightech-Analysten die Aktie durchweg auf "Kaufen" setzen.
Härtester Konkurrent von Broadcom ist Conexant. Erst 1998 aus einem Spinoff von Rockwell hervorgegangen, hat das Unternehmen seit seiner Eigenständigkeit eine beeindruckende Dynamik entwickelt. Spezialisiert auf Chips für Netzwerke, will Conexant bis März 2001 mit einer Ein Chip-Lösung auf dem Markt sein. Zu diesem Zweck kauften die Amerikaner den Funktechnik-Spezialisten Philstar. Das Unternehmen hat einen Bluetooth-Chip entwickelt, der besonders wenig Energie verbraucht. Eine Eigenschaft, die besonders für Anwendungen in mobilen Geräten wie Handys und Notebooks wichtig ist. Außerdem plant Conexant, sämtliche seiner Chips mit Bluetooth auszustatten. Damit zielt das Unternehmen auf die Märkte für Kabelmodems, Haushaltsgeräte und Telefone mit mobilem Internet-Zugang.
Motorola will über seine Tochterfirma Digianswer in die Bluetooth-Technologie einsteigen. Digianswer hat eine Software-basierte Vier-Chip-Lösung entworfen.
Selbstverständlich bestehen auch beim deutschen Chip-Produzenten Infineon Bluetooth-Pläne. Eine Zwei-Chip-Lösung namens Blue Moon soll Ende des Jahres marktfähig sein.
Atmel ist ein amerikanischer Chip-Designer, der gleich mehrere Modelle entwickelt. Eine Familie von miteinander kompatiblen Chips, Herzstück ist der Funkchip, soll im vierten Quartal in Serienproduktion gehen. Außerdem hat Atmel noch einen Funkchip-Verstärkcr in der Hinterhand, der die Reichweite eines Bluetooth-Netzes auf mindestens 100 Meter erweitert.
Über seine Tochterfirma Red-M ist die amerikanische Madge Networks in Sachen Bluetooth tätig. Dabei entwickelt Red-M eine Server-Software, die mehrere mobile Endgeräte steuern soll. Bis Jahresende soll das Produkt einsatzfähig sein, schon jetzt ist Red-M vom Bluetooth-Konsortium für seine Software ausgezeichnet worden. Gemeinsam mit Ericsson will Madge sogar WAP-
Handys Bluetooth-fähig machen.
Auch bei Cadence handelt es sich um einen Geheimtipp aus der Software-Branche. Das US-Unternehmen hat sich auf die Software-Entwicklung im Umfeld der Halbleiterbranche spezialisiert. Für mehr als 25 Kunden entwirft Cadence derzeit Bluetooth-Software. Da sich die Funktechnologie derzeit auf dem Sprung vom Entwicklungsstadium hin zur Marktreife befindet, ergeben sich insbesondere für Start-ups mit innovativen Chip- und Software-Lösungen große Chancen auf rasantes Wachstum. Denn obwohl Bluetooth ein recht einfaches Konzept zu Grunde liegt, ist es ein komplexes Problem, die Funktechnologie auf einem Chip zu integrieren und eine einheitliche Software-Umgebung zur Steuerung von Anwendungen zu schaffen. Da kann es sich ihr Start-ups auszahlen, frühzeitig alles auf neue Technologien zu setzen. Denn wer als erster eine marktfähige Lösung präsentiert, kann sich als Lieferant der großen Halbleiterkonzerne etablieren.
Insbesondere drei Unternehmen haben hier von sich reden gemacht. So verfügt derzeit nur die englische Neugründung Cambridge Silicon Radio über eine funktionsfähige Ein-Chip-Lösung namens Bluecore 01. Bereits seit 18 Monaten werkeln die Engländer an diesem Produkt und haben dank ihrer Frühstarterqualitäten selbst Broadcom hinter sich gelassen. Noch aussichtsreicher erscheint der Funkchip namens, "Odyssey" von Silicon Wave. Das Produkt wird von Solectron produziert und findet zu Demonstrationszwecken bereits Verwendung in Geräten von Texas Instruments. Silicon Waves Pionierleistung ist auch Microsoft nicht entgangen: Der Software-Monopolist hat angekündigt, um den Odysscy-Chip herum eigene Bluetooth-Anwendungen zu entwickeln. Ein Zeichen für die hohe Qualität von Odyssey ist außerdem, dass Intel zu den Investoren bei Silicon Wave gehört. Ein Börsengang dürfte nicht lange auf sich warten lassen - und Anlegern damit die Chance ihr ein interessantes Investment geben. Auch Rangestar hat sich innerhalb der vergangen zwölf Monate eine gute Ausgangsposition verschafft. Spezialität des US-Unternehmens ist eine Bluetooth-Antenne, die bisher als einzigartig auf dem Markt gilt.
Die Steuerung von Bluetooth-Hardware erfolgt über Software. In einem nächsten Schritt werden die Unternehmen intelligente Software entwickeln, die als Schnittstelle die Kommunikation mit anderen Bluetooth-fähigen Geräten auf eine kompatible Basis stellt. Während für Punkt-zu-Punkt-Verbindungen (nur zwei Geräte kommunizieren drahtlos miteinander) die Software relativ einfach zu programmieren ist, wird die Sache bei acht Geräten - dafür ist Bluetooth konzipiert - komplizierter. Sobald die Unternehmen diese kniffligen Aufgaben gelöst haben, wird unsere Kommunikation vollkommen auf eine mobile und drahtlose Basis gestellt. Dank Bluetooth wird dann das von den Handy-Konzernen propagierte "Anytime-Anywhere"-Konzept Realität. Frierende Autofahrer können dann ihre Wohnung per Fernsteuerung vorheizen und Aktionäre bei der einen oder anderen Aktie nicht nur 100, sondern bis zu 300 Prozent Kursgewinne einstreichen.