Bin Laden meist nicht schuld an Firmen-Krisen
Ein Schuldiger ist in der derzeitigen Krise schnell gefunden: Osama Bin Laden. Wenn Unternehmensbosse der verschiedensten Branchen Entlassungen, schlechte Ergebnisse und schwindende Aktienwerte erklären müssen, verweisen sie gerne auf die Auswirkung der Terrorattacken auf die USA. Doch die Argumentation greift häufig zu kurz.
Besonders stark betroffen von den Terrorfolgen ist unbestritten die Luftfahrt: Die Kosten für Versicherung und Sicherheit steigen, aber viele Passagiere bleiben weg. Doch gerade diese Branche macht deutlich, dass mit dem Terrorargument auch hausgemachte Probleme kaschiert werden. So führen Branchenanalysten den Konkurs der Swissair vor allem auf ihre verfehlte Expansionspolitik zurück. Auch wenn Medienunternehmen oder die Chemieindustrie die Anschläge heranziehen, um optimistische Prognosen der Vorzeit zu dämpfen, sehen Experten Zweifel angebracht.
"Die 'Osama-Ausrede' ist derzeit die Mutter aller Alibis", schrieb der Herald-Tribune-Kolumnist Jerry Knight. Seit der Ausrede "der Hund hat die Hausaufgaben aufgefressen" hätten noch nie so viele Unternehmen und Politiker "die gleiche lahme Ausrede genutzt".
Die Chemiebranche rechnet nach einer Konjunkturanalyse des Bundesarbeitgeberverbandes Chemie (BAVC) damit, dass sich die Aussichten bis weit in das Jahr 2002 hinein nochmals deutlich verschlechtern werden. Vor der Tarifrunde für das kommende Jahr sei es fraglich, ob sich die bisher steigenden Beschäftigtenzahlen stabilisieren ließen. Allerdings lag die Produktion der chemischen Industrie bereits vor den Anschlägen kontinuierlich unter dem Vorjahresniveau - genauer gesagt seit März.
Bei den Fluggesellschaften verschärfte sich die Lage für die Gesellschaften, die ohnehin schon schlecht gewirtschaftet hatten. So kündigte British Airways nach den Anschlägen an, statt - wie geplant - 1.800 Mitarbeiter nun 5.200 Angestellte nach Hause zu schicken. Insgesamt sollen in der Branche 100.000 der 700.000 Stellen wegfallen. Doch Klagen ist nicht jedermanns Sache. "Die Leute fliegen weiterhin und ich sehe keinen Grund, warum sich das ändern sollte", erklärt die Billigfluglinie Ryanair selbstbewusst. Andere Fluggesellschaften würden den Teror nur vorschieben, um ohnehin geplante Entlassungen zu rechtfertigen, sagte ein Sprecher der irischen Gesellschaft.
In der Krise wächst auch die Versuchung, mit Subventionen die eigenen Unternehmen gegen ausländische Konkurrenz zu stärken. Während der internationale Luftfahrt-Verband IATA unmittelbar nach den Anschlägen mit einer Belastung von 10 Milliarden Dollar rechnete, arbeitete die US-Regierung bereits an einem Hilfepaket von 15 Mílliarden Dollar für die teils angeschlagenen amerikanischen Fluglinien.
In Europa, wo zum Beispiel die marode belgische Sabena um Staatshilfen buhlt, warnt die Lufthansa bereits davor, mit Staatshilfen den Wettbewerb zu verzerren. "Sie bestrafen die Unternehmen, die ihre Management-Hausaufgaben für den Wettbewerb rechtzeitig gemacht haben", erklärt der Lufthansa-Chef Jürgen Weber.