Spekulationen über Nachfolger laufen heiß
Noch ein Jahr Alan Greenspan
Alan Greenspan geht in sein letztes Amtsjahr. |
Wenn der amerikanische Notenbankchef Alan Greenspan an diesem Dienstag die erste Zinssitzung des Jahres eröffnet, sind Überraschungen kaum zu erwarten. Eine weitere Erhöhung der Leitzinsen um 25 Basispunkte auf 2,5 Prozent gilt unter Volkswirten als ausgemachte Sache. Der seit 1987 amtierende mächtigste Notenbanker der Welt tritt Ende Januar 2006 ab. Über den, der dann in seine Fußstapfen treten soll, wird in Washington schon heftig spekuliert. Zwei Namen tauchen immer wieder auf: Harvard-Professor Martin Feldstein (65) und dessen einstiger Schüler Glenn Hubbard (46), Dekan der Business School an der Columbia University. Feldstein war in den 80er Jahren Wirtschaftsberater von Präsident Ronald Reagan. Er gilt mit seinen Untersuchungen über den Einfluss des Steuerniveaus auf Unternehmer- und Verbraucherverhalten als Vater des Mantras, das Präsident George W. Bush in seiner ersten Amtszeit zur Grundlage der Wirtschaftspolitik machte: Steuersenkungen stimulieren Wachstum. Hubbard setzte die Vorgaben um: er war bis 2003 Vorsitzender des Rats der Wirtschaftsberater von Bush und Architekt der Steuersenkungen. Er gilt als hervorragender Organisator und guter Kommunikator. Greenspans Fußstapfen sind groß. Er wurde jahrelang als Genie der perfekten Geldpolitik gefeiert. Er ließ sich von ökonomischen Standardmodellen keine Scheuklappen verpassen, warf alte Weisheiten über das Niveau der akzeptablen Arbeitslosenrate, Produktivitätswachstum und Inflationsgefahren über den Haufen, und wappnete sich lieber mit Daten, die in die Zukunft weisen als mit den üblichen Betrachtungen vergangener Quartale. So präsidierte er über den längsten Aufschwung in der Nachkriegsgeschichte. Greenspans »Intuition« ist legendär, der Mann wurde zum Superstar, an dessen Lippen Anleger und Geldbeweger mit der Computermaus im Anschlag hingen, um bei jeder marktbewegenden Äußerung entsprechend zuzuschlagen. Doch das Orakel zu verstehen, ist eine Wissenschaft für sich. Greenspan weiß, dass jedes seiner Worte auf die Goldwaage gelegt wird. Er mag es deshalb kryptisch. Die komplizierten Satzgebilde, die er zum Besten gibt, lassen selbst gewiefte Finanzexperten ratlos um Verständnis ringen. »Konstruktive Zweideutigkeit« nennt Greenspan das mit Schalk im Nacken. Weder Feldstein noch Hubbard kommen bei dem Princeton- Wirtschaftsprofessor und scharfen Bush-Kritiker Paul Krugman besonders gut weg. Bush bestelle nur »Yes-Men« - Ja-Sager - meinte er jüngst verächtlich in seiner Kolumne in der »New York Times«. An dieser Hürde könnte Feldstein scheitern, weil er in den Reagan- Jahren wegen massiver Haushaltsdefizite für vorübergehende Steuererhöhungen war und deshalb vielen Republikanern bis heute als Verräter gilt. In dem unter Bush aus dem Ruder laufenden Haushaltsdefizit sieht er hingegen kein Problem. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt hat es das Ausmaß der 80er Jahre längst noch nicht erreicht. »Das ist wohl der Versuch, politische Loyalität zu zeigen«, lästerte Krugman. Für den Fall, dass Greenspans Nachfolger an den Märkten als reiner »Ja-Sager« empfunden werde, sagt er eine düstere Zukunft voraus: »Das internationale Kapital wird zum nächsten Ausgang jagen, der Dollar wird abstürzen und die Zinsen werden massiv nach oben steigen. Bye Bye, Big Al...
Die spannendere Frage, die im Kollegenkreis der Notenbanker die Runde macht, ist eine andere: wer wird die Zügel übernehmen, wenn Greenspan (78) in einem Jahr geht?