manager-magazin.de, 21. Juli 2006, 16:37 Uhr
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ZINSEN
Bernankes Mission
Von Rita Syre, Frankfurt
Die euphorische Reaktion der Märkte auf die Rede von Fed-Chef Ben Bernanke teilt die Citigroup nicht. Deren Deutschland-Chefvolkswirt Jürgen Michels erwartet einen kurzfristigen Rückschlag an den Aktienmärkten. Denn die US-Notenbank werde die Zinsen noch einmal erhöhen.
Frankfurt am Main - Die Reaktion der internationalen Kapitalmärkte auf die jüngsten Äußerungen des US-Notenbankchefs Ben Bernanke ist Jürgen Michels zu euphorisch. Der oberste Währungshüter hatte jüngst vor dem Kongress vor einer weiteren Konjunkturabschwächung und einem nachlassenden Inflationsdruck gesprochen.
"Wir werden einen kurzfristigen Rückschlag an den Aktienmärkten sehen", erwartet der Chefvolkswirt der Citigroup in Deutschland. Noch fehlt ihm das sichere Signal von Bernanke, dass die amerikanische Zentralbank ihre "Mission" des kontrollierten Ablassens des Inflationsdrucks wirklich schon als erfüllt ansieht. Seiner Prognose nach wird die Inflationsrate in den USA in diesem Jahr leicht um 0,1 Prozentpunkte auf 3,5 Prozent steigen und sich 2007 auf 2,7 Prozent abflachen.
Allerdings bestärkt Michels die Entwicklung der Hauspreise in seiner Erwartung, dass die Zentralbank auf ihrer Sitzung am 8. August das letzte Mal in diesem Zinsstraffungszyklus ihren Leitzins erhöht. "Um keine Rezession auslösen, wird sie es bei einem letzten Zinsschritt um 25 Basispunkte auf 5,50 Prozent belassen", prognostiziert er. Das Renditetop sei dann erreicht. Ende nächsten Jahres werde Bernanke die Zinsen dann das erste Mal wieder heruntersetzen. "Mittels einer Politik der Trippelschritte wird die Fed die Zinsen im Verlauf 2008 auf 4,80 Prozent senken", prognostiziert der Citigroup-Chefvolkswirt.
Sitzung statt Telefonkonferenz
Im Gegensatz zur Fed werde die Europäische Zentralbank (EZB) von ihrem Straffungskurs erst später im Jahr abschwenken. Letztmalig in diesem Zinszyklus werde sie im letzten Quartal die Geldbeschaffungskosten um 0,25 Prozentpunkte auf 3,25 Prozent heraufsetzen und bis 2008 auf diesem Niveau belassen. Michels teilt die Gewissheit der Experten aus anderen Häusern nicht, dass die Notenbanker bereits am 3. August die Zinsen anheben.
Ausgelöst wurde die neue Einschätzung der Lage durch die Ankündigung des EZB-Rates, dass nicht per Telefonkonferenz, sondern per Sitzung über den geldpolitischen Kurs entschieden wird. Zudem hatte EZB-Chef Jean-Claude Trichet von "großer Wachsamkeit" gesprochen. Daraufhin haben viele Volkswirte ihre Leitzinsprognosen auf 3,5 Prozent bis Jahresende nach oben korrigiert. Die obersten europäischen Währungshüter haben die Leitzinsen seit Dezember vorigen Jahres Quartal für Quartal jeweils um 0,25 Prozentpunkte nach oben auf 2,75 Prozent geschleust.
"Entscheidend ist, dass die sogenannten Falken bislang keineswegs davon geredet haben, dass die Zinsen über 3,25 Prozent steigen müssen", argumentiert der Zinsexperte der Citigroup . Schließlich wachse die europäische Volkswirtschaft voraussichtlich auch im nächsten Jahr mit einer Rate von 1,7 Prozent leicht unter ihrem Potenzial, die Inflation sei "nicht besonders besorgniserregend" und die Stimmungsindikatoren würden in den kommenden Monaten deutlich nach unten korrigiert werden. Insbesondere der Ifo-Index stehe vor einer deutlichen Korrektur.
"Die Gesundheitsreform hat den Anfang vom Ende der Stimmungserholung in Deutschland eingeleitet", sagt Michels. Seiner Ansicht nach sei offensichtlich geworden, dass mit einer Großen Koalition wohl keineswegs ein strukturelles Reformprogramm zu erwarten sei, sondern lediglich weitere Steuererhöhungen. Das drücke die Stimmung und den privaten Konsum. In anderen Euro-Staaten sei eine ähnlich restriktive Fiskalpolitik zu erwarten. "Die restriktive Fiskalpolitik im Euro-Raum wird deutliche Bremsspuren im privaten Konsum hinterlassen", erwartet Michels, so dass kein noch restriktiverer Kurs der Notenbanker notwendig sei.
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