Berlin sagt: Danke, Ebi !

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Berlin sagt: Danke, Ebi !

 
16.06.01 13:52
Der alte Senat wird abgewählt. Rot-Grün/Dunkelrot kommt an die Macht. Diepgens letzte Stunden als Regierender Bürgermeister haben begonnen
Und er arbeitete bis ganz zum Schluss.

Berlin - Reservisten der Bundeswehr standen stramm. Applaudierten minutenlang. Für Eberhard Diepgen, Freitag im Abgeordnetenhaus. Das tat ihm sichtlich gut. Sein Besuch bei der Truppe war Auftakt seines vermutlich letzten Arbeitstages. Mit preußischer Disziplin erledigte er seine Termine. "Sie können stolz darauf sein, in Berlin die Uniform der Bundeswehr tragen zu können."

Mittags dann eine fröhliche Abwechslung im Amtszimmer. Gleich 30 Kinder der Klasse 4a der St.-Alfons-Grundschule aus Marienfelde besuchen den Regierenden Bürgermeister.

Diepgen rückt seinen Sessel zurück. "Im Moment wollen so viele auf meinen Stuhl", lacht er. "Wer will von Euch?" Schnell ist eine Reihe gebildet. "Wie fühlen Sie sich?", will plötzlich jemand wissen. Diepgen schmunzelt: "Es gibt in der Politik auch Freunde, jetzt zum Beispiel." Nächste Frage: "Werden Sie wieder kandidieren?" Diepgen: "Das wollen viele wissen. Ich mache das jetzt seit 16 Jahren. Ich muss mir das gut überlegen."

Gleich darauf rennt Diepgen die Treppe rauf zu seiner Pressekonferenz mit den CDU-Senatoren. Sein Lächeln von eben verfinstert sich: "Die Berliner SPD gibt die Mitte auf", schimpft er. Kurz darauf wedelt er mit der rot-grünen Koalitionsvereinbarung, die er nur mit spitzen Fingern anfaßt: "Ein Papier, wie ich es oberflächlicher noch nie erlebt habe. Worüber sollen die Berliner bei Neuwahlen eigentlich entscheiden?"

Die CDU-Senatoren nicken. Wirtschaftssenator Wolfgang Branoner: "Ich bin auch für den Verbraucherschutz zuständig und kann nur sagen, diese Vereinbarung ist eine Mogelpackung."

Am Nachmittag ehrt Diepgen den Tempelhofer Benito Gitschel. Er hat bereits 160 Mal Blut gespendet. Dann gibt er seinen letzten Empfang für die Studentenausstausch-Organisation EAP Paris. "Ich heiße sie im Roten Rathaus willkommen", sagt Diepgen. "Und am Montag wird es wohl noch etwas roter werden."

Gestern abend dann Diepgens letzter Auftritt. Er ist Gast der Mitgliederversammlung des Landessportbundes. Ausgerechnet im Rathaus Schöneberg. Sein letzter Arbeitstag endete dort, wo Diepgen seine Karriere als "Bürgermeister der Herzen" am 9. Februar 1984 begann.

NoTax:

Abgewählt ist er nun;Klaus Wowereit als erster

 
16.06.01 16:44
bekennender Schwuler zum regierenden Bürgermeister gewählt. Wenn es denn der Stadt dient....
klecks1:

Wäre Bonn doch

 
16.06.01 16:58
Hauptstadt geblieben...

Man muss sich schämen...
klecks1:

Nachtrag

 
16.06.01 17:01
Berlin ist eine wunderbare Stadt, die Menschen sind Spitze, aber
bei einer solchen Zusammensetzung der Führungetage in der politischen Hochburg werden sich manche Länder doch sehr wundern......
mod:

Zumindest kann er nicht rechnen/ Gestern in N3

 
16.06.01 17:05
NDR TALK SHOW

Gast: Klaus Wowereit

Talkmaster: Hubertus Meyer-Burckhart

Wowereit redegewand und nett, viel Beifall,
gibt sich als Finanzexperte aus, der die Stadt sanieren wird.
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HUBERTUS M-B: "Für die über 70 Milliarden DM Schulden müssesn allein jeden Tag
1 Mio DM Zinsen gezahlt werden!
Wie wollen Sie da noch sanieren?"

Wowereit bestreitet dies vehement und wiederholt "So viel ist es lange nicht" (sinngemäß)
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Nun rechnet mal: ca. 4% von 70 Milliarden : 365 Tage = ????????????????

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FAZIT: Herr Wowereit als harter Sanierer und Finanzexperte sollte  zumindestens "eins und drei zusammenziehen" können.

..und nun kommt Ihr!
     


mr.politik:

berlin dankt "Schwarzkonto belastet Diepgen"

 
16.06.01 20:35
Schwarzkonto belastet Diepgen


Die Berliner CDU führte ein Schwarzkonto. Nach Fraktionschef Klaus Landowsky gerät jetzt auch sein Freund, der Parteichef Eberhard Diepgen, in die Kritik.

Berlin - Sie kennen sich seit dem gemeinsamen Studium. Für Berlins Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen ist sein Fraktionschef Landowsky die wichtigste Machtstütze. Seit drei Jahrzehnten gehen sie durch dick und dünn. Für die dicken Freunde wird aber nun die Berliner Luft dünn. In der CDU-Spendenaffäre des Landesverbandes rückt nach der Aufdeckung eines Schwarzkontos auch der Regierende ins Zentrum der Kritik.

Sowohl der Koalitionspartner SPD als auch die Opposition aus PDS und Grünen verwiesen am Dienstag auf die politische Verantwortung von Diepgen, der zugleich CDU-Landesvorsitzender ist.

Der Chef ist verantwortlich

Der Berliner SPD-Chef Peter Strieder will nun, dass die Beteiligung Diepgens an der Schwarzkontoaffäre geklärt wird. Es könne nicht einfach gesagt werden, dass sei alles Sache von Landowsky gewesen, sondern auch er sei als CDU-Landesvorsitzender verantwortlich, sagte Strieder. "Ich will wissen, was er mit diesen Konten zu tun hat." Es sei nicht vorstellbar, dass ein Landesgeschäftsführer alleine Konten führe, die nicht mit der Spitze der Union abgesprochen seien.

Strieder schloss für die lückenlose Aufklärung auch einen Untersuchungsausschuss nicht aus, wie ihn die Opposition von Grünen und PDS verlangt. Und auch der Spenden-Untersuchungsausschuss des Bundestages kündigte am Dienstag an, dass man sich dort nun auch noch die Berliner CDU vorknöpfen will.

Brutalstmögliche Aufklärung

Die Grünen-Fraktionschefin Sibyll Klotz verlangte von Diepgen, in Anspielung auf Hessens Roland Koch, zügige Aufklärung - und zwar "brutalstmöglich und brutal schnell". Die beiden Schwarzkonten-Kollegen könnten sich bereits am Donnerstag dieser Woche beraten: Da muss Koch vor dem Bundestagsausschuss über die Affäre der Hessen-CDU Auskunft geben. Auf dem Höhepunkt der Spendenaffäre der Bundes-CDU, mit der sich der Ausschuss beschäftigt, hatte Diepgen im vergangenen Februar solche Falschbuchungen in Berlin noch für unmöglich erklärt.

Mittelmaß und Korruption

Die Spendenaffäre in der Hauptstadt beleuchtet Besonderheiten der Berliner Landespolitik. Die Abschottung West-Berlins durch den Kalten Krieg und den Mauerbau waren der Nährboden für ein dichtes Geflecht aus Politik und Wirtschaft. Die kapitalistische Insel Berlin im sozialistischen Teich lebte als Symbol prächtig von ihren Subventionen und den Sonntagsreden der Staatsgäste aus aller Welt. Im politischen und wirtschaftlichen Eigenleben der Stadt herrschten Mittelmaß und Korruption. Die enge Verflechtung von Politik und Wirtschaft führte zu mehreren Bauskandalen, die in den achtziger Jahren die Sozialdemokraten ihre Vorherrschaft kosteten, aber auch große Flecken auf den weißen Westen einiger CDU-Funktionäre zurückließen.

Das politische Personal der Stadt ist bis heute eine homogene Gruppe geblieben. Frischer Wind und neue Ideen entstanden auch nach der Wende nicht. Am liebsten sollte immer alles so weitergehen, Verlass war nur auf das regelmäßige Gejammer, der Bund sei in der Pflicht angesichts einer fast wirtschaftsfreien Stadt mit ruiniertem Haushalt. Und die Berliner müssen das auch so empfunden haben: Brav wählten sie weiter die Diepgens und Mompers, als sei Berlin immer noch bemitleidenswerte Frontstadt. Im Westen nichts Neues und Diepgen/Landowsky an der Spitze des Stillstands.

Widerstand im freien Berlin

Darum versuchte Diepgen den für seinen Machterhalt wichtigen Fraktionsvorsitzenden am Montag zu stützen. Und auch Landowsky hielt am selben Tag erst mal einen 20-minütigen Vortrag über die großen politischen Leistungen der CDU, seinen gemeinsamen Weg mit Diepgen und den "Widerstand im freien Berlin" gegen die Umzingelung durch den bösen Osten.

CDU-Sprecher Matthias Wambach musste aber am Dienstag zerknirscht im Zusammenhang mit der nicht korrekten verbuchten 40.000-Mark-Spende an Landowsky die vorübergehende Existenz eines Schwarzkontos einräumen: "Nennen Sie es Sonder- oder Schwarzkonto, es wurde außerhalb des offiziellen Rechenwerkes der CDU eingerichtet."

Keine nachvollziehbaren Gründe

"Es sind keine weiteren Spenden auf dieses Konto geflossen", sagte Wambach. CDU-Generalsekretär Ingo Schmitt bezeichnete die Einrichtung des Schwarzkontos als nicht nachvollziehbar. "Heute - sechs Jahre danach - gibt es keine Erklärung dafür, weder von dem Verursacher noch andere nachvollziehbare Gründe, die einem selbst plausibel erscheinen", sagte Schmitt.

Während auf der Bundesebene der sorglose Umgang mit Spendengeld den einstigen Bundeskanzler Helmut Kohl in Verruf brachte und den nachmaligen CDU-Chef Wolfgang Schäuble zum Rückzug von allen Ämtern zwang, versuchen Diepgen und Landowsky Ähnliches im speziellen Berliner Klima als Kavaliersdelikt zu deklarieren. Diepgen sprach beschönigend von einer Dummheit. Landowsky selbst ist sich "keiner Schuld bewusst".

Das ist "Landos" Welt: Er räumt seinen Posten bei der Bank nicht etwa aus Einsicht in eine fragwürdige Doppelfunktion, sondern um "Schaden von der Bank und ihren Mitarbeitern abzuwenden." Das alles empfindet er vermutlich als undankbar. Er sieht sich selbst als Freiheitskämpfer, wie er noch am Montag betonte: "Wir haben im Westen Berlins ausgehalten." Ja, und aushalten lassen.

Angelegt wurde das schwarze Parteikonto nach Angaben von CDU-Sprecher Wambach 1995 vom damaligen Landesgeschäftsführer Konrad Wilczek. Dieser habe dort 15.000 der 40.000 Mark angelegt. Davon seien Ausgaben für Büromaterialien, Computer und Ähnliches bestritten worden. Nach Verbrauch des Geldes sei dieses Konto bei der Deutschen Bank im August 1996 wieder aufgelöst worden.



mr.politik:

des größten Westberliner Schmuddelblatts "B.Z."

 
16.06.01 20:57
Kein Versöhner Berlins

Eberhard Diepgen wurde abgewählt, weil ihn sein politischer Instinkt verließ und er sich nicht aus seinen selbstgeschaffenen Machtstrukturen befreien konnte. Sein Dilemma: Er geht nicht als Versöhner der Stadt in ihre Geschichte ein, sondern als ein Spalter.

 
Ein Abgang nicht nach seinem Plan: Berlins - nun ehemaliger - Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU)

Deutlicher als am Zeitungskiosk konnte heute morgen die Sicht der Berliner auf ihren scheidenden Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen nicht werden. Die führenden Boulevardblätter der Stadt warben mit höchst gegensätzlichen Titeln. "Berlin sagt: Danke, Ebi", strahlte ein zufriedener Diepgen vom Titelblatt des größten Westberliner Schmuddelblatts "B.Z." und im Innenteil duften Berliner Abschied nehmen: "Janine: Diepgen mach's gut, irgendwie warst Du schon lieb". Denn bis zu seiner Abwahl heute ist der "Regierende Bürgermeister der Herzen", wie ihn der CDU-Fraktionsvorsitzende Steffel diese Woche raufte, eine Symbolfigur des westsozialisierten Berliners geblieben, der von seiner Studienzeit an in den 60-ger Jahren seine politischen Netze im damaligen Westberlin webte.



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Kicky:

Neue Betrugsfälle bei Bankgesellschaft

 
17.06.01 01:17
Neue Betrugsfälle bei der Bankgesellschaft    

Prüfer sehen bei der Fonds-Tochter Veruntreuung in dreistelliger Millionenhöhe. Der Staatsanwalt ist informiert


IBG-Projekt UCI-Kino an der Wiener Lasalle-Strasse: Bis heute stehen Mietzahlungen in Millionenhöhe aus Foto: Newald
Von Daniel Wetzel

Berlin - Das Ausmaß krimineller Machenschaften in der Bankgesellschaft Berlin ist offenbar größer als bislang angenommen. Nach Informationen der WELT ermittelt die Staatsanwaltschaft Berlin jetzt gegen Geschäftsführer der Immobilientochter IBG/IBAG, dem größten Anbieter geschlossener Immobilienfonds in Deutschland. Das Fondsgeschäft der kürzlich in IBAG umfirmierten IBG ist mit einem Wertberichtigungsbedarf von über einer Mrd. DM eine der Hauptursachen für die Schieflage der Bankgesellschaft Berlin.
Auslöser der Ermittlungen ist ein Sondergutachten des Hamburger Wirtschaftsprüfers BDO. Daraus geht hervor, dass die IBG und ihre Bauträgergesellschaft Bavaria (Nürnberg) offenbar durch Scheingeschäfte und Provisionsbetrug in mindestens 20 Fällen einen dreistelligen Millionen DM-Betrag veruntreut haben.
Wie aus gut informierten Kreisen bestätigt wurde, hatte der Vorstandschef der Bankgesellschaft Berlin, Wolfgang Rupf, die BDO bereits im vorigen Jahr mit der Sonderprüfung beauftragt. Die Ergebnisse liegen der Staatsanwaltschaft vor.

Die Unregelmäßigkeiten, die die Prüfer aufdeckten, betreffen gewerbliche Immobilienprojekte im ganzen Bundesgebiet und in Österreich. So wurden laut BDO-Gutachten etwa die zu erwartenden Mieteinnahmen beim Bau des Großprojektes UCI-Kinocenter in der Wiener Lasallestraße künstlich hochgerechnet. Die Bavaria erhielt einen zweistelligen Millionenbetrag als Provision. Dennoch ging beim Bau des Kino-Centers alles schief: Die geplante Diskothek geriet für den wirtschaftlichen Betrieb zu klein. Wegen fehlender Notausgänge wurde der Tanzpalast erst gar nicht eröffnet. Damit blieb auch die Laufkundschaft für das Kino aus. Weil der wirtschaftliche Betrieb des gesamten Komplexes nicht mehr gewährleistet sei, verweigert Betreiber UCI bis heute Mietzahlungen in Millionenhöhe. Die IBG musste schließlich selbst als Generalmieter einspringen um die Zahlung an die Zeichner des IBG-Fonds sicher zu stellen.
Wie aus dem Gutachten hervorgeht, kosteten die Mietausfälle im Fall UCI-Wien die Bankgesellschaft acht Mio. DM und die später notwendigen Umbaumaßnahmen zusätzliche 32 Mio. Der Wertberichtigungsbedarf allein bei diesem Projekt machte damit annähernd 50 Prozent der Gesamtkosten von 90 Mio. DM aus

Ich finde langsam den Vorschlag,den Berliner Senat nach Helgoland zu verfrachten und Helgoland wieder gegen Sanaibar einzutauschen auch nicht schlecht,wenn ich so sehe,was bei dem Rotgrünen Senat jetzt auf uns zukommt,so wird das auf andere Weise keineswegs besser!
Kicky:

Berlin in Not

 
17.06.01 02:11


Als einziges Element eines wirklichen Neubeginns in der Hauptstadt bleibt die Einbeziehung der PDS

Von Knut Pries

Was woanders der Haushalt, ist in Berlin das Haushaltsloch. Auch wenn die Hauptstadt offiziell nicht in "extremer Notlage" steckt - bei 70 Milliarden Schulden sind Lage und Not extrem, und zwar weit über die budgetäre Problematik hinaus. Thierses These, wonach der Osten "auf der Kippe steht", gilt für seine Stadt gleich mehrfach. Fraglich ist nicht nur, ob die Grundsanierung der Finanzen gelingt, samt des zwischen Leichtfertigkeit und Kriminalität schillernden Umgangs damit. Erforderlich ist ferner ein von Größenwahn wie Weinerlichkeit gereinigtes Verständnis der Rolle einer Kapitale. Nötig ist schließlich ein Beschleunigungskonzept für das, was hier nicht nur zusammengehört, sondern physisch - Viertel für Viertel, Kiez an Kiez - zusammenlebt, ohne dass die Rede davon sein könnte, dass es außerhalb des Mittelkreises tatsächlich zusammengewachsen wäre.

Dies sind und bleiben, eine Schülergeneration nach der Wiedervereinigung, Aufgaben nationalgeschichtlicher Dimension. Die Notlage besteht darin, dass sie mit unzureichenden Mitteln bewältigt werden muss, nicht nur finanziell, sondern auch personell. Zumal die parlamentarische Demokratie ihr probatestes Breitband-Antibiotikum nicht mehr verabreichen kann, weil sich herausgestellt hat, dass es das Übel nicht heilt, sondern verschlimmert: Die große Koalition ist nicht nur "mit dem handelnden Personal der Union" am Ende, wie der designierte SPD-Bürgermeister Wowereit mit schlauem Blick aufs Hintertürchen meint, sondern grundsätzlich.

"Handeln" ist in diesem Zusammenhang ein sauberer Euphemismus. Dahinter verbirgt sich eine Mischung aus Verdrängung und Phantasterei, mit der sich Alt-Berlin und seine Dirigenten die wirtschaftlichen und sozialen Probleme aus dem Weg geträumt haben. Über dem Blick auf die geschäftige Insel der Wichtigkeit im Zentrum wurden Dürftigkeit und Stillstand in der ausgedehnten Öde drumherum vergessen. Stattdessen bombastische Etikette und Projekte: Ost-West-Drehscheibe, europäisches Kulturzentrum, Touristen-Magnet - wir sind New York, her mit der Olympiade! Beiderseits der alten Trennlinie verdankten sich Wahlerfolge vor allem einer Entschlossenheit, die Realität nach Kräften zu ignorieren.

Die fällige Ausnüchterung bedürfte im Grunde einer ans Revolutionäre grenzenden Erneuerung der politischen und administrativen Eliten. Was sich an diesem Horizont abzeichnet, ist wenig verheißungsvoll: Die große Außenlösung an der Spitze scheint nicht zu Stande zu kommen, einerseits weil ein Weizsäcker oder Vogel sich nicht finden wollen, andererseits weil eine präsidiale Figur nicht taugt, diesen Karren aus dem Dreck zu ziehen. Und was in der von SPD und Grünen aus den Reihen der Hausreserve aufgebotenen Übergangsmannschaft an Regenerationspotenzial erkennbar wird, ist mehr als bescheiden. Wowereit und seine Sozialdemokraten sind als langjährige Mitverantwortliche allenfalls marginal stärker legitimiert, die Überwindung der Misere zu organisieren, als die Hauptverantwortlichen von der CDU. Die besten Kräfte der Berliner Grünen sind zum Außeneinsatz abgestellt.

Als einziges Element eines wirklichen Neubeginns bleibt die Einbeziehung der PDS - auch das ein Beleg für das Ausmaß der Not. Die jüngsten Einlassungen der Herren Porsch und Dehm zeigen peinlich deutlich, wie mangelhaft diejenigen den eigenen Laden entrümpelt haben, die nun fürs Großreinemachen des Gemeinwesens gebraucht werden. Wenn Führungsfiguren in dieser Situation derart halbgare Positionen zu Vergangenheit und Zukunft des Sozialismus von sich geben, ist das nicht nur uneinsichtig in der Sache, sondern auch politisch dumm. Richtig ist ferner, dass sich Borniertheit, in der Parteispitze ausgedünnt, nach unten hin, da wo die Partei den Traditionsverein übergeht, zum morschen Fundament verbreitert.

Das begründet ein gesundes Misstrauen, für den gesinnungsethischen Rigoristen auch Ablehnung. Praktische Politik hat sich freilich an praktischere Befunde zu halten, und die fallen anders aus: Die Verbindung aus reformsozialistischer Spitze und altsozialistischen Fußtruppen hat in konkreter Regierungsverantwortung durchweg Lafontainismus produziert, also eine nicht eben moderne, aber verträgliche Form von Sozialdemokratie - zum Teil mit Engagement und Kompetenz. Was an der PDS unverträglich ist, ist im Unterschied zu den Parteien der extremen Rechten keine aggressiv auf Verwirklichung drängende Inhumanität und Anti-Demokratie, sondern Altersstarrsinn mit ein paar jüngeren Frontvertretern. Dem haben Gysi, Bisky, Holter und Zimmer fallweise rhetorische Reverenz erwiesen, aber nicht politisch-inhaltlich entsprochen. Das gilt auch fürs Berliner Führungspersonal.

Fazit: Die Einbeziehung der PDS bleibt ein Risiko. Es ist aber das größere Risiko, eine Partei, die stabil und unter Beachtung der Spielregeln einen großen Teil der Bevölkerung im Osten repräsentiert, vom Versuch der Bewältigung einer Notlage auszuschließen, die viel damit zu tun hat, dass sich dieser Osten immer noch derart vom Westen unterscheidet. Die PDS, besser mit Gysi als ohne, muss jetzt ran - und wenn es nur ein Beitrag zur fälligen Desillusionierung wäre.
www.frankfurterrundschau.de

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