Bärige Zeiten für Börsengänge

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Bärige Zeiten für Börsengänge

 
24.02.02 09:58
Bärige Zeiten
für Börsengänge

Von Tim Bartz, Frankfurt

In einem schlechten Marktumfeld sind es allein die institutionellen Investoren, die über den Erfolg einer Aktienemission entscheiden. Das hat der missglückte Versuch des Baufinanzierers BHW eindrucksvoll belegt. Nun ruht alle Hoffnung auf dem Börsengang von T-Mobile.

Thomas Röder ließ sich nicht ködern. Schon bei der ersten telefonischen Anfrage, ob er zur Zeichnung von Aktien des Baufinanzierers BHW bereit sei, hat der Portfoliomanager der Julius Bär Kapital Anlagegesellschaft abgewunken. "Mir hat einfach der Kick gefehlt", erklärt Röder sein Desinteresse. "Das BHW als Unternehmen ist ganz okay, aber haben muss man die Aktie nicht unbedingt."

So wie Röder geht es derzeit fast allen Vermögensverwaltern der großen Versicherer, Fonds und Kapitalanlagegesellschaften. Sie zögern, die Milliarden ihrer Kunden in neue Investments zu stecken - egal, ob es sich um einen Börsengang oder wie bei BHW um eine Zweitplatzierung handelt.


Das miese Marktumfeld hat den institutionellen Anlegern die Laune kräftig verdorben. In diesem Jahr hat sich noch kein Börsenneuling aufs Parkett gewagt. Allein die Platzierung von Infineon-Aktien durch die Muttergesellschaft Siemens und eine Wandelanleihe des Chipherstellers haben den Markt etwas belebt.


Die Börse steckt im Teufelskreis: Ohne die Institutionellen wird die Stimmung kaum drehen. Sie sind es, die über Erfolg und Misserfolg von Aktienplatzierungen entscheiden. Mehr noch als in normalen Zeiten bestimmen die großen Fonds in einem Krisenmarkt den Rhythmus des Emissionsgeschäfts. Doch die seit gut eineinhalb Jahren anhaltende Börsenflaute und das Massensterben in der New Economy haben die Herren des Geldes skeptisch gemacht.


"Institutionelle denken heute anders als noch vor zwei Jahren. Die wollen jetzt ganz genau wissen, warum ein Unternehmen an die Börse drängt und was es mit dem Geld machen will", sagt Rainer Maurer von der IPO-Management AG in München. Die Konsequenz spüren die Börsenkandidaten mit aller Härte: "Viele geplante IPOs werden bereits in der Startphase begraben", sagt Andreas Frenzel, der die IPO-Gruppe des Deutschen Investment Trust (DIT) leitet. Die Tochter der Dresdner Bank gehört zu den wichtigen Spielern im Emissionsmarkt.


Der bereits in New York notierte spanische Pornoproduzent Private Media zog seine Pläne für eine Notierung am Neuen Markt in letzter Minute zurück. Der Stromkonzern EnBW hat von seiner für Mai geplanten Platzierung Abstand genommen.




BHW-Debakel


Und nun das BHW-Debakel. Das Beamten-Heimstättenwerk wollte gut 58 Millionen Aktien ausgeben, um seinen Streubesitz-Anteil und dadurch das Handelsvolumen zu erhöhen. Nur so könnte der Wunsch der Hamelner Wirklichkeit werden, vom Mittelwertesegment MDax in den Dax 30 aufzusteigen.


Die wenigen Großanleger, die überhaupt Gesprächsbereitschaft signalisierten, nahmen Deutschlands zweitgrößte Bausparkasse gleich von zwei Seiten in die Zange. Parallel zu den Gesprächen mit den Konsortialbanken Credit Suisse First Boston und Dresdner Kleinwort Wasserstein - beides renommierte Adressen - prügelten sie den Kurs der alten BHW-Aktien durch so genannte Leerverkäufe von knapp 30 Euro auf 19 Euro herunter. Der "faire Wert" liegt zwischen 25 und 29 Euro.


Am Verhandlungstisch mussten BHW und Konsortialbanken den mächtigen Großabnehmern immer größere Abschläge offerieren. Zuletzt boten sie die neuen Aktien zum Billigpreis von 18,50 Euro an.


Vor allem britische Hedge Funds, die sich mit geliehenen Aktien eingedeckt hatten, pokerten um weitere Rabatte. Sie spekulierten darauf, nach der Zweitplatzierung billig BHW-Aktien zu kaufen, den Verleihern wieder zurückzugeben, und die Kursdifferenz als Gewinn einzustreichen.


Angesichts des Kursverfalls zog BHW in letzter Sekunde die Reißleine. "Der realisierbare Platzierungspreis wird der Substanz der Aktie in keiner Weise gerecht", begründeten BHW und Großaktionär BTA zerknirscht die Absage der Transaktion.


Die einst so hofierten Privatanleger spielen bei den Entscheidungen der Börsenaspiranten fast keine Rolle mehr. Kleinaktionäre, die mit einem Bonus von ein Euro geködert worden waren, hatten immerhin 30 Prozent der BHW-Papiere geordert. "Die Nachfrage der Privaten hat unsere Erwartungen bei weitem übertroffen", heißt es in Konsortialkreisen. "Aber was sollen wir machen, wenn vor allem institutionelle Anleger aus den USA, die meist erst kurz vor Zeichnungsschluss ihre Orders abgeben, dann auf den letzten Drücker doch noch abspringen?"


Solche Muskelspiele gehen auch zu Lasten der Konsortialbanken. Das bekommt zurzeit besonders die Dresdner Bank zu spüren. "Viele Versicherungen, die sonst bei Börsengängen die großen Nachfrager sind, machen keine Geschäfte mehr mit der Dresdner", sagt ein Banker. Seit sich die Allianz die Bank aus Frankfurt einverleibt hat, scheuen die Rivalen davor zurück, ausgerechnet der Tochter eines Konkurrenten zum Erfolg zu verhelfen.




Kampf um IPO-Mandate


Zugleich wenden die Geldhäuser immer rüdere Methoden an, um Konkurrenten auszustechen. "Die Bandagen im Kampf um IPO-Mandate werden härter", sagt Paul Lerbinger von der Deutschen Bank in London. So torpedierte die Deutsche Bank die Bemühungen der Konsortialinstitute bei BHW. Einen Tag vor Ende der Zeichnungsfrist bestätigte Deutschlands größte Bank ohne Not ihr bereits im Januar gefälltes Urteil, wonach die BHW-Aktie ein "underperformer" sei, sich also schlechter als der Gesamtmarkt entwickeln werde. Zugleich nahm der zuständige Analyst sein Kursziel von 21 auf 18 Euro herunter.


Als Grund für die Attacke aus dem Hintergrund sehen Marktbeobachter die Enttäuschung der Deutsch-Banker, die anders als beim BHW-Börsengang vor fünf Jahren diesmal nicht im Konsortium vertreten waren. Selbst wenn die Studie ohne direkte Absicht in die Vorbereitungszeit fiel - früher hätte man mehr Rücksicht auf den Markt genommen.


Die Lage ist völlig verkorkst. Zuweilen müssen die Banken am Ende selbst in die Bresche springen, um den Kunden nicht zu verärgern. Zu unfreiwilligen Anteilseignern wurden zuletzt die Deutsche Bank und Goldman Sachs. Die miese Börsenstimmung führte Anfang Januar dazu, dass die beiden Großbanken ein Drittel der 55 Millionen Papiere aus der Zweitplatzierung des französischen Mischkonzerns Vivendi in ihre eigenen Bestände nehmen mussten. Die beiden Institute hatten die Aktien zuvor zu Preisen zwischen 60 und 61 Euro übernommen. Doch selbst für 59,20 Euro wurden sie die Papiere nicht komplett los.


Alle Hoffnungen der Branche ruhen nun auf einem IPO-Mandat: T-Mobile, hinter D2 Vodafone der zweitgrößte Mobilfunkbetreiber Deutschlands. Branchenkenner glauben an eine Signalwirkung für den Emissionsmarkt, sollte die Aktie erfolgreich starten. "T-Mobile kommt die Schlüsselrolle zu, dessen sind sich auch die Konsortialbanken bewusst", sagt DIT-Mann Frenzel.


Wann genau Telekom-Boss Ron Sommer den Startschuss gibt, ist noch unklar. Den ursprünglich angesetzten Termin im Juni werden die Bonner nach dem BHW-Flop kaum halten können, glauben Beobachter. Mittlerweile gilt der November als wahrscheinlicher Zeitpunkt. Bis dahin könnte sich die Weltwirtschaft berappelt und die Stimmung an der Börse wieder aufgehellt haben.


Gelingt der Börsengang von T-Mobile, könnte eine wahre IPO-Welle den Markt fluten, hoffen Experten. "Wir haben viele Projekte in der Pipeline", sagt der Leiter des Emissionsgeschäfts einer US-Bank. Was fehle, sei der Befreiungsschlag, der den Markt aus der Lethargie reiße, bestätigt Maurer von IPO-Management.


Die Zeiten, als Kleinanleger massiv umworben wurden, sind jedoch erst einmal vorbei. Die Telekom, die vor sechs Jahren als Volksaktie überhaupt erst den Börsenboom ausgelöst hat und nun besonders unter der Baisse leidet, wird bei ihrem Mobilfunkableger vor allem die Institutionellen umgarnen müssen. "Ich glaube nicht, dass große Werbekampagnen für die Privatanleger viel Sinn machen", sagt ein Banker. "Da wurde zu viel verbrannte Erde hinterlassen."

ftd.
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