aus dem Text heraus die nach den Wahlen'02 durch Selbstauflösung, auf dem Komposthaufen der Geschichte entsorgt wird.:)
"Gezielte Maßnahmen mit Massencharakter"
Wie der Osten die West-Berliner Proteste gegen Präsident Reagan steuerte / Von Jochen Staadt
BERLIN, 17. Mai. Präsident Bush komme in der nächsten Woche nach Deutschland, um die Bundesregierung "auf die Fortsetzung des weltweiten Krieges einzuschwören", heißt es in dem Demonstrationsaufruf eines "Bündnisses zum Besuch von George W. Bush" in Berlin. "Ganze Weltregionen" stünden "vor einem Flächenbrand", ja "sogar ein Atomkrieg werde nicht ausgeschlossen". Zu den Unterzeichnern dieser Erklärung gehören die PDS, die DGB-Jugend, die Lehrergewerkschaft GEW, die DKP und der Verdi-Landesverband Berlin. Inzwischen unterstützen auch Bundestagsabgeordnete der Regierungsparteien und die PDS-Fraktion den Aufruf dieses Bündnisses, das sich zur "Achse des Friedens" erklärt hat.
Die Inszenierung, mit der die Friedensbewegung unter Führung der PDS in der nächsten Woche ihren Antiamerikanismus zur Schau stellen wird, ist eine Neuauflage des Alarmismus der achtziger Jahre. "Die Vorbereitung auf den Atomkrieg ist Präsident Reagans Programm", lautete damals die Überschrift eines Aufrufs, mit dem die "Initiative für Frieden und Abrüstung" 1982 gegen den Besuch des amerikanischen Präsidenten in Bonn und West-Berlin mobilisierte. Nach der Berliner Demonstration kam es am 11. Juni 1982 in Schöneberg zu Straßenschlachten mit zahlreichen Verletzten auf beiden Seiten.
An der Vorbereitung der antiamerikanischen Aufmärsche und Unruhen haben sich 1982 auch die Mutterpartei der PDS, die SED, und ihr Staatssicherheitsdienst aktiv beteiligt. Damit folgte Ost-Berlin einer Aufforderung der sowjetischen Führung zur massiven Einmischung in die Angelegenheiten der Bundesrepublik. Erich Honecker erhielt am 20. April 1982 eine Mitteilung des Politbüros der KPdSU, die ihn davon in Kenntnis setzte, daß "in der USA-Administration darüber beraten wird, ob Reagan nach der NATO-Ratstagung im Juni die Bundesrepublik und West-Berlin besucht".
Bundeskanzler Schmidt und Außenminister Genscher würden Reagan voraussichtlich nach Berlin begleiten. Eine Entscheidung sei in Washington jedoch noch nicht gefallen, man befürchte eine Wiederholung der Ereignisse vom September 1981, "als Haig von einer antiamerikanischen Massendemonstration empfangen wurde". Es sei sinnvoll, heißt es weiter in dem Schreiben der sowjetischen Parteiführung, "den Plänen eines Besuches von Reagan in Westberlin entgegenzuwirken. Angesichts der unter der Bevölkerung Westberlins, insbesondere der Jugend, weitverbreiteten Unzufriedenheit mit der Politik der derzeitigen amerikanischen Administration wäre es wünschenswert, die Möglichkeiten unserer Freunde aus der SEW zu nutzen, um für den Fall einer Reise Reagans nach Westberlin in der Stadt breite Protestaktionen gegen den friedensgefährdenden abenteuerlichen Kurs der USA vorzubereiten." (Fortsetzung und weiterer Bericht Seite 2.).
"Zu diesem Vorhaben könnten auch die Genossen aus der KP der Türkei herangezogen werden, die in Westberlin arbeiten." Entsprechende Gespräche werde die KPdSU demnächst mit den Türken führen. "Wenn es den demokratischen Kräften in der Stadt gelingen würde, die Vorbereitung zu antiamerikanischen Aktionen auf breitester Basis zu entfalten, dann könnte das die USA veranlassen, von einem Besuch in Westberlin Abstand zu nehmen, oder es würde zumindest der politische Propagandaeffekt eines solchen Besuches zunichte gemacht." Die SED möge "ihrerseits unter Ausnutzung der ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeien Schritte unternehmen, um den Plänen, einen Besuch Reagans in Westberlin zu organisieren, entgegenzuwirken".
Die drei deutschen kommunistischen Parteien, SED, DKP und die West-Berliner SEW machten sich in den folgenden Wochen eifrig ans Werk, um in diesem Sinne ein "breites Bündnis" mit allen nur möglichen Friedensinitiativen und linken Organisationen zu bilden. Am 25. Mai 1982 gab Herbert Häber, der im SED-Zentralkomitee als Abteilungsleiter für die untergründige Westarbeit der SED zuständig war, Erich Honecker einen Sachstandsbericht. Demnach war es unterdessen gelungen, 150 Organisationen, darunter vier Kreisverbände der SPD, die Jungsozialisten, Jungdemokraten sowie diverse Gewerkschaften für das Demonstrationsbündnis zu gewinnen. Häber informierte Honecker auch darüber, daß die "Alternative Liste" (AL) bei den Verhandlungen über den Demonstrationsaufruf die Frage der sowjetischen Raketen und die Probleme in Polen und Afghanistan zur Sprache brachte. Die AL wolle außerdem einen Redner der unabhängigen Friedensbewegung aus der DDR einladen. Das sei jedoch im Delegiertenrat der AL durch "positive Kräfte" verhindert worden. Es konnte erreicht werden, daß mehrheitlich ein von der SEW favorisierter Demonstrationsaufruf verabschiedet wurde. "Den Genossen der SEW ist es in Zusammenarbeit vor allem mit der Evangelischen Studentengemeinde Westberlin, die im Koordinierungsausschuß die Führung innehat, sowie mit den Jungsozialisten und anderen Kräften gelungen, die Störmanöver zurückzuweisen." Doch nicht nur in West-Berlin sorgten die "Friedenskräfte" dafür, daß der einseitige Blick gewahrt blieb. Die Volkspolizei verweigerte sicherheitshalber dem DDR-Schriftsteller Rolf Schneider, der sich im Besitz eines Visums befand, am Grenzübergang die Ausreise, um seinen Auftritt als Kundgebungsredner im Westen zu verhindern.
Staatssicherheitsminister Erich Mielke berichtete im September 1982 anläßlich eines Moskau-Besuches der sowjetischen Geheimdienstführung voller Stolz über die Leistungen seiner inoffiziellen Kräfte in der Bundesrepublik und West-Berlin. "Auf der Grundlage eines gemeinsamen Planes der aktiven Maßnahmen" habe der DDR-Staatssicherheitsdienst sich in mehreren "Hauptrichtungen" engagiert. Nach Mielkes ungelenken Worten handelte es sich dabei um "Maßnahmen gegen den NATO-Raketenbeschluß vom Dezember 1979", insbesondere "um Maßnahmen zur Beeinflussung von Politikern der SPD/FDP-Koalitionsregierung sowie holländischer und belgischer Regierungskreise, die Initiierung von Aktionen mit Massencharakter, Massendemonstrationen, Konferenzen und so weiter. Die Bewegung ,Generale für den Frieden und Abrüstung' wurde weiter ausgebaut, tritt auf internationaler Ebene auf - einschließlich im Rahmen der UNO - und ist fester Bestandteil der Friedensbewegung." Vor allem aber "wurden im Zusammenhang mit dem Europa-Besuch des US-Präsidenten Reagan gezielte Maßnahmen mit Massencharakter in der BRD und in WB politisch und organisatorisch mitorganisiert und gestaltet".
Nach dem Ende des Kalten Krieges verlor die Friedensbewegung der Bundesrepublik für eine Weile die Orientierung. Doch seit die SED-Nachfolgepartei sich selbst und ihre Finanzen neu sortiert hat, kehrte auch die alte Klarsicht und Eindeutigkeit zurück. Der Kampagnenapparat der Friedensbewegung ist reanimiert und durch frische Kräfte aus der Antiglobalisierungsbewegung verjüngt. Die PDS appelliert zur Zeit an alle "Mitglieder, Freunde, Sympathisanten und Interessenten", gegen den Besuch des amerikanischen Präsidenten zu demonstrieren. Man kann davon ausgehen, daß darunter auch eine Reihe älterer Herrn sein werden, die schon 1982 die von Moskau gewünschten antiamerikanischen Aktionen mit vorbereitet haben. Stellvertretender Landesvorsitzender der Jungsozialisten war zum damaligen Zeitpunkt der heutige Berliner SPD-Vorsitzende und Senator Peter Strieder. Die Berliner Jusos gehörten in seiner Vorstandszeit zu den regelmäßigen Unterzeichnern aller möglichen Aufrufe gegen die Politik des altlantischen Bündnisses.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.05.2002, Nr. 114 / Seite 1
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