der Nemwax wird berühmt, scheint es!
Gestrafte Kleinanleger schlagen zurück
Mega-SAU ins Börsen-Zuchthaus
Von Jürgen Sussenburger
Was ist eine Mega-SAU? Mega-SAU der Woche gar? Mit Ferkeleien und ausgewachsenen Schweinereien hat der Begriff in der Tat zu tun; es geht aber nicht um Borstenvieh, sondern um börsennotierte Unternehmen am Neuen Markt.
So wurde zur jüngsten Mega-SAU die gerade pleite gegangene Firma Teamwork Information Management AG gekürt - "auch wenn es an Leichenschändung grenzt", wie der Initaitor der "Auszeichnung" in gewohnter Häme anmerkt. SAU ist schlicht das "Schlechteste Anzunehmende Unternehmen".
Andere Unternehmen des Neuen Marktes (Gigabell, EM.TV, Metabox) werden ohne Skrupel ins "Zuchthaus" geschickt, weil sie durch "inkompetentes oder sogar kriminelles Vorgehen das Vertrauen der Anleger verspielt" haben. Weitere Firmen (wie Teldafax, Poet, Nemetschek) landen auf dem "Schrottplatz", weil sie vor allem durch nicht marktfähige Produkte glänzen. Im "Märchenwald" finden sich Firmen wieder, die ihre eigenen Prognosen über den Haufen werfen mussten.
Hinter der wenig zimperlichen Einteilung steht "Amok der Böse", ein Kleinanleger, der zusammen mit "Der wahre Donald" "Bandit", "Carlo Disagio", "Deep Thought" und anderen Gehilfen die Unternehmen des Neuen Marktes beobachtet und bissig analysiert. Die "Kleinanleger schlagen zurück", formuliert Amok das Motto. Sein "Wahrzeichen" ist bezeichnenderweise der (Pleite-) Geier, der auch über dem Depot von manchem privaten Anleger kreist.
Nach den unglaublichen Höhenflügen der Aktienkurse am Neuen Markt im Frühjahr und dem dann folgenden jähen Absturz herrscht bei vielen privaten Anlegern Wut und Enttäuschung - über manchen der neuen unreifen Börsengänger, über Analysten, die die Papiere hochgejubelt haben und auch über Banken, die die Börsengänge unkritisch begleitet haben. "Viele Firmen, die früher zum Konkursrichter gegangen sind, gehen heute an die Börse", meint Amok.
Dampf ablassen
Auf seiner Internetseite (www.nemwax.de) können gebeutelte Aktionäre ihr Leid klagen und mal richtig Dampf ablassen. Und sie bekommen vor allem Hinweise, bei welchen der inzwischen über 300 Aktiengesellschaften am Neuen Markt sie hellhörig werden sollten. Für die schlechtesten Unternehmen gibt es dort sogar einen Index. Es ist nur ein unscheinbares "w", das den Unterschied zum Neuen Markt-Index Nemax ausmacht.
Der "Nemwax" ( "Neuer-Markt-worst-of-all-Index") repräsentiert jene Unternehmen, "die die eigenen Prognosen dauerhaft unterbieten, bei denen das Management durch Fehlentscheidungen glänzt, die Aktionäre abzocken, deren Produkte nicht marktfähig sind, deren Geschäftsgrundlage fragwürdig ist", erläutert Amok.
Der Initiator des Nemwax versteht sich als unabhängiger Chronist, der Fakten und Stimmungen zusammenträgt. In der Tat sind viele Erkenntnisse nicht neu, sondern nur das Ergebnis eines gründlichen, vergleichenden Studiums von Presseveröffentlichungen und Pflichtmitteilungen (ad-hoc) der Firmen.
Hierbei fallen dann schnell exorbitante Unterschiede zwischen Ankündigung und tatsächlichen Geschäftszahlen auf. Mit Ironie und Sarkasmus werden dann die einzelnen Fälle auf der Homepage aufgespießt ("Kaufen bis der Kuckuck kommt"), wobei eine Vollständigkeit oder gar Haftung für die Information ausgeschlossen sind.
Was sich am Neuen Markt teilweise abspielt, kann wirklich nur als haarsträubend bezeichnet werden. Wenn ein Unternehmen von einem "Halbjahresüberschuss von sieben Millionen Euro" schreibt, in Wirklichkeit aber ein Verlust in dieser Größenordnung gemeint ist, dann ist diese Firma für Amok allemal wert, in den Nemwax aufgenommen zu werden.
Oder wenn ein Unternehmen meldet, es liege im ersten Quartal mit den Umsatzzahlen "vor" statt "im" Plan, dann läuten die Alarmglocken. Tatsächlich verbarg sich dahinter eine drastische Abweichung vom Geschäftsplan - nach unten versteht sich.
Oder wenn ein Unternehmen bei nur zwei Millionen Euro Umsatz jedoch sechs Millionen Euro Verlust ausweist, der Börsenwert wiederum eine Milliarde beträgt, dann deutet für Amok alles daraufhin, dass diese Firma bald in seinem "Zuchthaus", auf dem "Schrottplatz" oder eines Tages sogar auf dem "Friedhof" landen wird.
Was aber qualifiziert Amok & Co? "Allen Mitstreitern im Nemwax ist neben ihrem Interesse am Neuen Markt ein gesunder Menschenverstand und mehr oder weniger Humor gemeinsam. Der eine oder andere scheint auch beim Bilanzlesen nicht ganz hilflos zu sein," beschreibt Amok die Initiative. Und gewohnt witzig setzt er hinzu: "Profis scheinen keine dabei zu sein - was die hohe Qualität der Diskussion erklärt."
Dramatisches Ergebnis
Wie notwendig ein solches Kleinanleger-Forum für den Neuen Markt ist, zeigt auch eine aktuelle Untersuchung der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Danach haben sich nur drei von 30 Unternehmen, die seit Juli 2000 an den Neuen Markt gegangen sind, an ihre Informationspflichten gehalten. "Dieses Ergebnis ist dramatisch", rügt DSW-Geschäftsführer Ulrich Hocker. "Die Geldgier steht den Unternehmen ins Gesichts geschrieben".
Übrigens: Amok plant eine weitere Rubrik - "Bankräuber". Hier sollen Banken gelistet werden, die unreife Firmen oder Unternehmen mit unseriösem Management und falschen Versprechen an die Börse gebracht haben. Wie lautet doch ein weiterer Leitspruch von Amok: "Vertrauen ist gut, Analysten sind schlechter."
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