Push

Intraday

5 Tage

3 Monate

1 Jahr

3 Jahre

Gesamt

Frei

Links: Historische Kurse, HTML-Code dieses Charts, Druckansicht

Die Zeiten sind vorbei, als sich die Chinesen vornehmlich auf zwei Rädern vorwärts bewegten: Seit 1998 hat sich die Zahl der verkauften Autos verzehnfacht.
1/2

Von Thomas Geiger

Von solchen Zahlen können Garagisten in Europa, Japan oder Amerika nur träumen: Während sie dort mit erlahmter Kauflust, zunehmender Sättigung und sinkenden Absatzzahlen kämpfen, werden ihren Kollegen in China die Neuwagen förmlich aus den Händen gerissen: Denn nirgendwo auf der Welt wächst der Markt schneller als im Reich der Mitte.

«Wurden dort 1998 kaum mehr als eine halbe Million Pkw verkauft, so ist die Zahl im Jahre 2007 auf 5,3 Millionen Pkw gestiegen. Eine solche Steigerung ist einmalig im Autogeschäft», sagt Automobilwirtschaftler Ferdinand Dudenhöffer und führt China seit dem letzten Jahr auf Platz zwei der automobilen Weltrangliste. Japan (4,4 Millionen) und Deutschland (3,3 Millionen) haben sie längst hinter sich gelassen.

  Preise weit unter Europa-Niveau

Das Bild in den Messehallen wird man mit dem vom Genfer Salon kaum vergleichen können. Denn noch herrscht auf dem chinesischen Markt viel Wildwuchs. Zwar sind natürlich längst alle Konzerne aus den USA, aus Europa und Fernost mit den meisten ihrer Marken in der Volksrepublik vertreten. Doch vor allem den Unternehmen aus dem Inland steht noch so manche Konsolidierungswelle ins Haus, schätzt Nick Margetts, der deutsche Geschäftsführer von Jato Dynamics. Während seine Statistik beispielsweise für Deutschland derzeit 55 Markennamen führt, registriert er in China 81 Hersteller, die aber nicht einmal ein Viertel so viele Modelle anbieten. Statt wie in Deutschland aus 6434 Pkw-Versionen können die Chinesen deshalb nur aus etwa 1750 Fahrzeugtypen wählen. Die Preise dafür beginnen allerdings weit unter dem europäischen Gebrauchtwagen-Niveau.

Den Tata Nano können die Chinesen zwar noch nicht schlagen, doch kostet ihr billigstes Auto, der Jiangnan Alto, der Jato-Statistik zufolge gerade einmal 25'800 Yuan oder umgerechnet knapp 3800 Franken. So viel zahlen ambitionierte Amateure bei uns für ein Fahrrad.

SUV legen in China um 70 Prozent zu

In den meisten Fällen entscheiden sich die Chinesen laut einer CSM-Statistik wie wir Europäer für ein Fahrzeug aus der Kompaktklasse. Sie hat mittlerweile einen Marktanteil von etwa 30 Prozent und ist damit das stärkste Segment. Danach folgen mit 15 Prozent die Mittelklasse und mit 13 Prozent das Segment der Minibusse. Die grösste Steigerung konnten – ganz ähnlich wie im Rest der Welt – die Sport Utility Vehicels verzeichnen. Während sie aber zum Beispiel in der Schweiz im Vorjahr um 20,7 Prozent zugelegt haben, wuchs ihr Marktanteil in China um 70 Prozent. Die Nachfrage nach Kleinwagen ist dagegen sogar rückläufig.

Obwohl der Automarkt in China noch immer völlig anders tickt als in Europa, stehen an der Spitze der Zulassungstabelle viele bekannte Modelle. Lässt man weit verbreitete Kleinbusse aussen vor, wird der Markt laut Jato nach wie vor dominiert vom alten VW Jetta, der im letzten Jahr auf 183'000 Zulassungen kam. Auf Rang zwei steht der Toyota Camry (170'000 Zulassungen), gefolgt vom Buick Excelle (156'039 Zulassungen). Erst Platz vier nimmt mit dem Chery QQ (140'000 Zulassungen) ein rein chinesisches Modell ein. Ebenfalls unter den Top 10 sind Toyota Corolla (Platz 6, 130'000 Zulassungen), Ford Focus (Platz 7, 125'000 Zulassungen) und VW Passat (Platz 9, 120'000 Zulassungen). Aber selbst der uralte VW Santana schafft es mit 106'000 Zulassungen noch auf Platz 13.

Angesichts dieser deutschen Dominanz in der Zulassungstabelle ist es kein Wunder, dass Volkswagen auch in der Markenwertung von Jato mit grossem Abstand vorne liegt: 776'000 Neuanmeldungen reichen für einen Marktanteil von 14,6 Prozent. Mit 464'000 Zulassungen oder 8,7 Prozent auf dem zweiten Rang steht der chinesische Hersteller Wuling, der als einziges Modell den nur 3000 Euro teuren Kleinbus Sunshine verkauft. Es folgen Toyota (453'000 Zulassungen und 8,5 Prozent Marktanteil) vor Honda (422'000, 7,9 Prozent) und Chery (379'000, 7,1 Prozent). Ebenfalls unter den Top Ten sind Nissan, Hyundai und der Volkswagen-Partner FAW.

Jetzt fährt VW «die Ernte ein»

Den Erfolg der Niedersachsen führt die chinesische Jato-Analystin Jekky Wang auf den frühen Markteintritt zurück. «VW war ein Pionier in China, das zahlt sich aus», sagt die Expertin mit Blick auf die langjährigen Spitzenplatzierungen von Jetta und Santana. «Ein Auto ist in China nur erfolgreich, wenn es von einer starken, bekannten Marke kommt», glaubt die Expertin. Nicht nur der Volkswagenkonzern, sondern alle grossen Marken von General Motors bis Toyota hätten deshalb in den letzten Jahren in Markenwerbung, ihr Händlernetz und den Service investiert. «Und jetzt fahren diese Konzerne die Ernte ein.»

So, wie VW mit seinen lokalen Partnern das Volumengeschäft dominiert, so geben die Deutschen auch im chinesischen Oberhaus den Ton an. Zwar sieht man auf den Strassen von Peking oder Shanghai auch vornehme Land Rover, Jaguar, Cadillac oder Volvo, und sogar Maserati werden in das Reich der Mitte verkauft. Doch dominiert wird das Geschäft laut Dudenhöffer von Audi, BMW und Mercedes. Daran hat Audi mit rund 100'000 Zulassungen im letzten Jahr den mit Abstand grössten Anteil.

Allerdings haben sich die Bayern auch als Erste auf die Wünsche der chinesischen Kunden eingestellt und deshalb zum Beispiel vor vielen Jahren eine nur in China erhältliche Langversion des A6 aufgelegt – mit grossem Erfolg. Allein diese Baureihe kommt in China laut Dudenhöffer im Audi-Absatz auf 73 Prozent. BMW hat diesen Angaben zufolge 2007 in China knapp 33'000 Fahrzeuge verkauft – fast 60Prozent davon waren BMW-Fünfer, von denen es für Maos Erben anders als bei uns ebenfalls eine Langversion gibt. Mercedes dagegen hat in China 2007 nur etwa 17'000 Autos verkauft und läuft laut Dudenhöffer «dem Boom-Markt noch hinterher».

Längst ist China aber nicht mehr nur ein wichtiger Absatzmarkt, sondern natürlich auch ein bedeutender Produktionsstandort. Auch die deutsche Industrie ist deshalb vor Ort gross engagiert: VW montiert in Kooperation mit lokalen Partnern schon seit mehreren Jahrzehnten, BMW hat ein Joint Venture mit Brillance, und seit 2006 läuft vor den Toren von Peking auch die E-Klasse vom Band.

VW baute 951'000 Autos in China

Insgesamt weist Marktbeobachter Global Insight für 2007 eine Fahrzeugproduktion von 8,1 Millionen Pkw und leichten Nutzfahrzeugen in China aus, die bis 2010 auf 11,6 Millionen steigen wird. Den grössten Anteil hat daran heute wie morgen der VW-Konzern, der 2007 allein 951'000 Autos in China gebaut hat. Auf Platz zwei steht SAIC (544'000), gefolgt von GM (516'000), Honda (481'000) und Changan (478'000). 2010 allerdings werden die Chinesen viele ausländische Hersteller von den Spitzenplatzierungen der Produktionstabelle verdrängt haben. Nur VW und Toyota stehen dann noch unter den grössten fünf, heisst es in der Global-Insight-Prognose.

Obwohl der Automobilmarkt so langsam vertraute Züge annimmt, ist er in den Augen Dudenhöffers heute noch eine andere Welt. «Aber sie kommt schnell auf uns zu und wächst rasant. Danach können wir schon heute die Uhr stellen.»