Argentinien versucht mit drastischem Sparkurs den Staatsbankrott abzuwenden
"Eine vorübergehende Finanzkrise"
Argentiniens Präsident Fernando de la Rúa verteidigt die drastischen Einschnitte, die er seinen Landsleuten zumutet. Im Gespräch mit Alexandra Föderl-Schmid weist er der EU eine Mitschuld an wirtschaftlichen Schwierigkeiten in den Staaten Lateinamerikas zu.
Buenos Aires/Berlin - Fast täglich versammeln sich vor der "Casa Rosada" im Zentrum von Buenos Aires Hunderte, manchmal Tausende Argentinier, um gegen die Sparmaßnahmen der Regierung zu protestieren. Die Gewerkschaften rufen zu Kundgebungen gegen die Kürzung der Gehälter im öffentlichen Dienst und der Pensionen von bis zu 13 Prozent auf. Die Lehrer sind wegen der Einbußen in einen unbefristeten Streik getreten.
Im Präsidentenpalast registriert Fernando de la Rúa die Proteste sehr wohl, will aber nicht von seinem Kurs abweichen. Er ist optimistisch, dass Argentinien die Krise bald überwinden wird. "Argentinien hat heute Schwierigkeiten, aber die Fundamente der Wirtschaft sind solide. Wir haben eine vorübergehende Finanzkrise. Ich glaube, mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft werden wir diese Krise überwinden."
Auf die Proteste der Gewerkschaft und der Opposition angesprochen, meint de la Rúa: "Wir haben einen Plan mit Maßnahmen für kurz-, mittel- und langfristige Ziele vor uns. Wir machen die Umsetzung mit der allgemeinen Unterstützung der öffentlichen Meinung." Die Gewerkschaften teilten diese Maßnahmen nicht, räumt de la Rúa aber ein. "Sie haben sich mit Streiks und anderen Maßnahmen dagegen geäußert. Das bedeutet aber nicht, dass unser Land mitten in einer großen sozialen Krise steckt."
In Wirklichkeit hätten alle Argentinier die Hoffnung, dass die Schwierigkeiten bald überwunden seien und glaubten, die Regierung mache ihre Aufgaben gut, meint de la Rúa. Dass die Proteste dem seit zwei Jahren amtierenden sozialdemokratischen Präsidenten nicht gleichgültig sind, zeigt sich an seinen Ergänzungen: "An der Macht kann man nie alles machen, was man will. Man muss alles machen, was möglich und notwendig ist, um das Land weiterzubringen."
Querschüsse der Partei
De la Rúa steht auch unter dem Druck der eigenen Partei, der "Radikalen Bürgerunion" (UCR). So hat deren Vorsitzender Raul Alfonsín, der als Präsident in den Achtzigerjahren das Land selbst in die Hyperinflation führte, jüngst gefragt, ob Argentinien die Auslandsschulden zurückzahlen sollte - was die Zinsen in die Höhe schießen ließ.
Auch in der UCR wird mit Missfallen registriert, dass de la Rúa mit Domingo Cavallo einem Politiker weitreichende Vollmachten übertrug, dessen liberale Partei "Aktion für die Republik" nicht einmal der Koalition angehört. Die bisherigen Sparpläne, die auch eine Streichung der Bundesmittel an die Provinzen vorsehen, dürften nach Einschätzung von Experten nicht ausreichen, um das angestrebte Nulldefizit zu erreichen. Auf die Frage, ob neue Maßnahmen angeordnet werden, antwortet de la Rúa ausweichend: "Es handelt sich um einen permanenten Plan." Es sei ein Programm, ähnlich dem, das europäische Länder - wie Österreich - gestartet hätten. "Der Staat kann nicht ständig mit hoher Staatsverschuldung leben. Das bedeutet Maßnahmen zum Bremsen der Verschuldung."
Der Euro als Referenz
Die Parität von argentinischem Peso und US-Dollar, die Cavallo vor zehn Jahren eingeführt hat, will der Präsident beibehalten: "Das ist eine Garantie für Stabilität. Darauf legen wir aufgrund der Erinnerung an die Inflationszeiten viel Wert. Wir haben eine sehr ,dollarisierte' Wirtschaft. Die Parität Peso-Dollar erlaubt, dass beide Währungen parallel funktionieren." Argentinien verfolge aber die Entwicklung des Euro mit großem Interesse. "Es ist für uns vor allem eine realistische Sache. Wir handeln so viel mit Europa, dass wir nicht nur den Dollar, sondern auch den Euro als Referenz haben müssen."
An der EU übt der argentinische Präsident aber harsche Kritik: "Ganz Südamerika hätte weniger Wirtschafts- und finanzielle Probleme, wenn Europa eine andere Politik auf dem Gebiet der Agrarpolitik hätte. Die Importzölle und Subventionen für EU-Produkte sind in der Tat eine kommerzielle Diskriminierung. Deswegen erwarten wir, dass es zu wahrer Handelsfreiheit kommt." Zu den Zweifeln, ob de la Rúa seine Koalition aus UCR und linker Frepaso über die Parlamentswahlen retten kann, meint der Präsident: "In schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Zeiten gibt es einige, die weggehen. Im Allgemeinen hält unsere Allianz aber fest und ist kräftig."
Er selbst habe "wichtige Maßnahmen mit sehr viel Courage getroffen", meint de la Rúa, der bis vor kurzem noch im Rufe eines Zauderers stand. "Und ich muss zugeben, dass ich eine sehr schwierige Zeit habe. Viel schwieriger, als ich es mir vorgestellt habe."
"Eine vorübergehende Finanzkrise"
Argentiniens Präsident Fernando de la Rúa verteidigt die drastischen Einschnitte, die er seinen Landsleuten zumutet. Im Gespräch mit Alexandra Föderl-Schmid weist er der EU eine Mitschuld an wirtschaftlichen Schwierigkeiten in den Staaten Lateinamerikas zu.
Buenos Aires/Berlin - Fast täglich versammeln sich vor der "Casa Rosada" im Zentrum von Buenos Aires Hunderte, manchmal Tausende Argentinier, um gegen die Sparmaßnahmen der Regierung zu protestieren. Die Gewerkschaften rufen zu Kundgebungen gegen die Kürzung der Gehälter im öffentlichen Dienst und der Pensionen von bis zu 13 Prozent auf. Die Lehrer sind wegen der Einbußen in einen unbefristeten Streik getreten.
Im Präsidentenpalast registriert Fernando de la Rúa die Proteste sehr wohl, will aber nicht von seinem Kurs abweichen. Er ist optimistisch, dass Argentinien die Krise bald überwinden wird. "Argentinien hat heute Schwierigkeiten, aber die Fundamente der Wirtschaft sind solide. Wir haben eine vorübergehende Finanzkrise. Ich glaube, mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft werden wir diese Krise überwinden."
Auf die Proteste der Gewerkschaft und der Opposition angesprochen, meint de la Rúa: "Wir haben einen Plan mit Maßnahmen für kurz-, mittel- und langfristige Ziele vor uns. Wir machen die Umsetzung mit der allgemeinen Unterstützung der öffentlichen Meinung." Die Gewerkschaften teilten diese Maßnahmen nicht, räumt de la Rúa aber ein. "Sie haben sich mit Streiks und anderen Maßnahmen dagegen geäußert. Das bedeutet aber nicht, dass unser Land mitten in einer großen sozialen Krise steckt."
In Wirklichkeit hätten alle Argentinier die Hoffnung, dass die Schwierigkeiten bald überwunden seien und glaubten, die Regierung mache ihre Aufgaben gut, meint de la Rúa. Dass die Proteste dem seit zwei Jahren amtierenden sozialdemokratischen Präsidenten nicht gleichgültig sind, zeigt sich an seinen Ergänzungen: "An der Macht kann man nie alles machen, was man will. Man muss alles machen, was möglich und notwendig ist, um das Land weiterzubringen."
Querschüsse der Partei
De la Rúa steht auch unter dem Druck der eigenen Partei, der "Radikalen Bürgerunion" (UCR). So hat deren Vorsitzender Raul Alfonsín, der als Präsident in den Achtzigerjahren das Land selbst in die Hyperinflation führte, jüngst gefragt, ob Argentinien die Auslandsschulden zurückzahlen sollte - was die Zinsen in die Höhe schießen ließ.
Auch in der UCR wird mit Missfallen registriert, dass de la Rúa mit Domingo Cavallo einem Politiker weitreichende Vollmachten übertrug, dessen liberale Partei "Aktion für die Republik" nicht einmal der Koalition angehört. Die bisherigen Sparpläne, die auch eine Streichung der Bundesmittel an die Provinzen vorsehen, dürften nach Einschätzung von Experten nicht ausreichen, um das angestrebte Nulldefizit zu erreichen. Auf die Frage, ob neue Maßnahmen angeordnet werden, antwortet de la Rúa ausweichend: "Es handelt sich um einen permanenten Plan." Es sei ein Programm, ähnlich dem, das europäische Länder - wie Österreich - gestartet hätten. "Der Staat kann nicht ständig mit hoher Staatsverschuldung leben. Das bedeutet Maßnahmen zum Bremsen der Verschuldung."
Der Euro als Referenz
Die Parität von argentinischem Peso und US-Dollar, die Cavallo vor zehn Jahren eingeführt hat, will der Präsident beibehalten: "Das ist eine Garantie für Stabilität. Darauf legen wir aufgrund der Erinnerung an die Inflationszeiten viel Wert. Wir haben eine sehr ,dollarisierte' Wirtschaft. Die Parität Peso-Dollar erlaubt, dass beide Währungen parallel funktionieren." Argentinien verfolge aber die Entwicklung des Euro mit großem Interesse. "Es ist für uns vor allem eine realistische Sache. Wir handeln so viel mit Europa, dass wir nicht nur den Dollar, sondern auch den Euro als Referenz haben müssen."
An der EU übt der argentinische Präsident aber harsche Kritik: "Ganz Südamerika hätte weniger Wirtschafts- und finanzielle Probleme, wenn Europa eine andere Politik auf dem Gebiet der Agrarpolitik hätte. Die Importzölle und Subventionen für EU-Produkte sind in der Tat eine kommerzielle Diskriminierung. Deswegen erwarten wir, dass es zu wahrer Handelsfreiheit kommt." Zu den Zweifeln, ob de la Rúa seine Koalition aus UCR und linker Frepaso über die Parlamentswahlen retten kann, meint der Präsident: "In schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Zeiten gibt es einige, die weggehen. Im Allgemeinen hält unsere Allianz aber fest und ist kräftig."
Er selbst habe "wichtige Maßnahmen mit sehr viel Courage getroffen", meint de la Rúa, der bis vor kurzem noch im Rufe eines Zauderers stand. "Und ich muss zugeben, dass ich eine sehr schwierige Zeit habe. Viel schwieriger, als ich es mir vorgestellt habe."