Unabhängige Analysten - eine Frage der Ehre?
Das Bundeswirtschaftsministerium regt an, die Kriterien für die Unabhängigkeit von Analysten in einem Ehrenkodex niederzuschreiben. Es
schlägt deshalb vor, dass Analysten nur noch über solche Wertpapiere berichten dürfen, die weder sie selbst noch das Unternehmen, bei dem
sie angestellt sind, im Portfolio haben. Die massiven Kursverluste am Neuen Markt in der jüngeren Vergangenheit waren laut Ministerium ein
Auslöser für die Forderung, einen Verhaltenskodex für Analysten einzuführen.
Es scheint, als ob die Koalition wenig praxisnah, mit billigem Aktionismus um die Stimmen von geschädigten Anlegern buhlen will. Denn
längst unterliegen die in den Kreditinstituten und Investmentfondsgesellschaften tätigen Analysten einer besonderen Aufsicht.
Kontenkontrollen, Verbotslisten und Mitarbeiterleitsätze untersagen bereits heute eigene Aktienkäufe in den von den Analysten beobachteten
Papieren. Darüber wachen die sogenannten Compliance-Abteilungen der Banken. Bei Verstößen droht die fristlose Kündigung -- was ohne
Zweifel wesentlich besser wirkt als jeder \"Ehrenkodex\".
Auch der Vorschlag, den Banken vorzuschreiben, nur noch Aktien zu besprechen, die sie nicht selbst im Portfolio haben, zeigt wie praxisfern
man im Ministerium über die Angelegenheit nachdenkt. Bei Indexfonds z. B. müssen die Fondsmanager nun mal alle Gesellschaften eines
Index kaufen. Das Verbot hätte bei großen Häusern zur Folge, dass diese Produkte abgeschafft werden müssten oder viele Firmen gar nicht
mehr analysiert werden dürften.
Gerade am Neuen Markt sind Auftragsresearch oder Betreuungsmandate üblich. Die Aktiengesellschaften zahlen für die Beobachtung durch
Analysten. Da wundert es auch nicht, dass Verkaufsempfehlungen äußerst selten sind. Wer schreibt sich schon gerne selbst um seinen
Verdienst? Aber auch indirekte Geschäfte sind branchenüblich. So hat eine süddeutsche Großbank vor wenigen Wochen die Beobachtung
eines Unternehmens des Neuen Marktes aufgenommen. Wie mir bekannt geworden ist, hat der CEO und Großaktionär im Gegenzug die
private Verwaltung seines Millionenvermögens der Bank übertragen. Das Ergebnis der ersten Analyse: \"outperform\".
Da 1.) Analysten ihre Brötchen von den Banken erhalten und diese 2.) handfeste wirtschaftliche Interessen haben, sollte sich die
Bundesregierung den Glauben an den \"unabhängigen und von den Weisungen seines Arbeitgebers freigestellten Analysten \" besser gleich
abschminken. Anleger sollten wissen, dass es in Deutschland keine unabhängigen Analysten gibt und dass keine Analyse ohne
wirtschaftliches Interesse geschrieben wird.
Wichtig und entscheidend ist daher die Forderung, dass Aktionäre hierüber aufgeklärt werden. Das Ministerium sollte deshalb Banken und
Analysten verpflichten, in ihren Ausarbeitungen die wirtschaftlichen Beziehungen im Hintergrund einer Analyse offen zu legen. Ob hierfür
jedoch ein \"Ehrenkodex\" ausreicht, ist zu bezweifeln. Der Übernahmekodex und die Insiderverbote waren lange auf dieser Basis geregelt.
Die Erfahrung brachte die Einsicht, dass man sich bei Geldgeschäften doch besser auf Gesetze mit entsprechenden Sanktionen, als nur auf die
\"Ehre\" verlassen sollte. Von Markus Straub.
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Der Kommentar ist im als Editorial im Aktionärsreport erschienen.
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- Schneider Technologies AG: Keine Wandelanleihen für den Aufsichtsrat
- Neues von der Gesetzgebung: Was ändert sich bei Namensaktien ?
- www.investmentclub-online.de : Das neue Internetportal für Anlegergemeinschaften
- Neue Bilanzierung bei Unternehmenszusammenschlüssen nach US-GAAP
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- Kulmbacher Spinnerei AG: Kräftige Aufbesserung der Abfindung
- EM:TV AG: Die Diskussion über mögliche Schadensersatzansprüche
- Aktuelles zu Aktienanleihen
- Agiv AG: Die Bilanz von 1999 auf dem Prüfstand
- Die HV des Monats: Refugium Holding AG - Nix für den ruhigen Lebensabschnitt
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Das Bundeswirtschaftsministerium regt an, die Kriterien für die Unabhängigkeit von Analysten in einem Ehrenkodex niederzuschreiben. Es
schlägt deshalb vor, dass Analysten nur noch über solche Wertpapiere berichten dürfen, die weder sie selbst noch das Unternehmen, bei dem
sie angestellt sind, im Portfolio haben. Die massiven Kursverluste am Neuen Markt in der jüngeren Vergangenheit waren laut Ministerium ein
Auslöser für die Forderung, einen Verhaltenskodex für Analysten einzuführen.
Es scheint, als ob die Koalition wenig praxisnah, mit billigem Aktionismus um die Stimmen von geschädigten Anlegern buhlen will. Denn
längst unterliegen die in den Kreditinstituten und Investmentfondsgesellschaften tätigen Analysten einer besonderen Aufsicht.
Kontenkontrollen, Verbotslisten und Mitarbeiterleitsätze untersagen bereits heute eigene Aktienkäufe in den von den Analysten beobachteten
Papieren. Darüber wachen die sogenannten Compliance-Abteilungen der Banken. Bei Verstößen droht die fristlose Kündigung -- was ohne
Zweifel wesentlich besser wirkt als jeder \"Ehrenkodex\".
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man im Ministerium über die Angelegenheit nachdenkt. Bei Indexfonds z. B. müssen die Fondsmanager nun mal alle Gesellschaften eines
Index kaufen. Das Verbot hätte bei großen Häusern zur Folge, dass diese Produkte abgeschafft werden müssten oder viele Firmen gar nicht
mehr analysiert werden dürften.
Gerade am Neuen Markt sind Auftragsresearch oder Betreuungsmandate üblich. Die Aktiengesellschaften zahlen für die Beobachtung durch
Analysten. Da wundert es auch nicht, dass Verkaufsempfehlungen äußerst selten sind. Wer schreibt sich schon gerne selbst um seinen
Verdienst? Aber auch indirekte Geschäfte sind branchenüblich. So hat eine süddeutsche Großbank vor wenigen Wochen die Beobachtung
eines Unternehmens des Neuen Marktes aufgenommen. Wie mir bekannt geworden ist, hat der CEO und Großaktionär im Gegenzug die
private Verwaltung seines Millionenvermögens der Bank übertragen. Das Ergebnis der ersten Analyse: \"outperform\".
Da 1.) Analysten ihre Brötchen von den Banken erhalten und diese 2.) handfeste wirtschaftliche Interessen haben, sollte sich die
Bundesregierung den Glauben an den \"unabhängigen und von den Weisungen seines Arbeitgebers freigestellten Analysten \" besser gleich
abschminken. Anleger sollten wissen, dass es in Deutschland keine unabhängigen Analysten gibt und dass keine Analyse ohne
wirtschaftliches Interesse geschrieben wird.
Wichtig und entscheidend ist daher die Forderung, dass Aktionäre hierüber aufgeklärt werden. Das Ministerium sollte deshalb Banken und
Analysten verpflichten, in ihren Ausarbeitungen die wirtschaftlichen Beziehungen im Hintergrund einer Analyse offen zu legen. Ob hierfür
jedoch ein \"Ehrenkodex\" ausreicht, ist zu bezweifeln. Der Übernahmekodex und die Insiderverbote waren lange auf dieser Basis geregelt.
Die Erfahrung brachte die Einsicht, dass man sich bei Geldgeschäften doch besser auf Gesetze mit entsprechenden Sanktionen, als nur auf die
\"Ehre\" verlassen sollte. Von Markus Straub.
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- Neues von der Gesetzgebung: Was ändert sich bei Namensaktien ?
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