Amerikas Zahlen sind seit langem falsch

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Brummer:

Amerikas Zahlen sind seit langem falsch

 
26.02.02 13:43
Von Fredmund Malik

Das viel gepriesene und naiv bestaunte amerikanische Wirtschaftswunder der 90er Jahre hat nie stattgefunden. Es war ein Medienereignis - sonst nichts.

Wer das Wirtschaftsgeschehen in den USA, wo die meisten Irrungen der letzten Jahre in Ökonomie und Management ihren Ursprung haben, nüchtern analysierte, kam früh zum Ergebnis, dass die US-Wirtschaftszahlen seit langem nicht stimmen konnten und es heute noch immer nicht tun. Der sich über längere Zeit allwissend gerierenden Analystenzunft hätte das eigentlich auffallen müssen.

Man wäre damit allerdings gezwungen gewesen, die Schönrednerei und Schönrechnerei einzustellen. Es hätte praktisch die gesamte Beurteilung und Bewertung von Aktien in ein anderes Licht gerückt, den Überbewertungen die Basis entzogen und viele Menschen, die sich in gutem Glauben an den Analystenmeinungen orientierten, vor Schaden bewahrt.

Exzellente Statistik - miserable Ökonomie

Das viel gepriesene und naiv bestaunte amerikanische Wirtschaftswunder der 90er Jahre hat nie stattgefunden. Es war ein Medienereignis - sonst nichts. Insbesondere sind die amerikanischen Wachstumsraten schon in ihrer offiziellen und veröffentlichten Form keineswegs grösser als in früheren Perioden, wie jeder Vergleich seit dem Zweiten Weltkrieg beweist.

Dazu kommt, dass sie durch den statistischen Effekt des sogenannten "Hedonic Price Indexing" massiv aufgebläht waren. Das ist ein Paradebeispiel für exzellente Statistik und miserable Ökonomie, wie man das im zahlengläubigen Amerika häufig beobachten kann, von wo es durch die Medien unkritisch übernommen und rund um die Welt verbreitet wird.

Quelle: Manager-magazin.de
Brummer:

Amerikas Zahlen sind seit langem falsch (2)

 
26.02.02 13:46
Von Fredmund Malik

Der dramatische Preiszerfall bei Computern und sonstigem IT-Equipment sollte durch das Hedonic Price Indexing korrigiert und Einklang gebracht werden mit der ebenso dramatischen Verbesserung der Leistungskraft auf dem IT-Sektor. Der Effekt dieses "New Paradigm"-Gedankens war, dass die IT-Investitionen mit dem Zwanzigfachen ihres ökonomischen Wertes in die Berechnung des US-Sozialproduktes eingingen, was die scheinbar phantastischen Wachstumsraten kreierte.

Real wurde dadurch selbstverständlich kein einziger Dollar mehr Volkseinkommen produziert, aber man hatte eine schöne Statistik. Hätte man gleiches in Deutschland getan, und den wirtschaftlichen Wert der Automobilproduktion mit der dramatisch gestiegenen Leistungskraft der Motoren in PS gemessen nach oben korrigiert, wäre Deutschland mit Abstand an der Spitze der weltwirtschaftlichen Entwicklung.

Deutsche Autobauer - das wahre Produktivitätswunder

Es gab nie ein Produktivitätswunder, außer in dem kleinen Segment der Herstellung von Computern. Professor Robert Gordon von der Northwestern University in Chicago ist einer der wenigen klarsichtigen Analytiker der publizierten Produktivitätszahlen.

Wie Gordon immer wieder gezeigt hat, gab und gibt es keine quantitative Evidenz für die Behauptungen steigender Produktivität in der US-Wirtschaft. Einmal mehr glauben nur gewisse Consulting-Firmen, die sich schon in anderen Fragen massiv getäuscht haben, an das Märchen von der Produktivitätssteigerung und propagieren es weiterhin mit dem Eifer von mittelalterlichen Dogmatikern.

Das wahre Produktivitätswunder der letzten zehn Jahre hat sich weitgehend unbemerkt in der deutschen Automobilindustrie abgespielt, die Anfang 90er Jahre weit zurück lag und heute weltführend ist.

Quelle: Manager-magazin.de  
Brummer:

Amerikas Zahlen sind seit langem falsch (3)

 
26.02.02 13:48
Von Fredmund Malik

Die amerikanischen Gewinne waren kreativer Buchhaltung, zum Schluss bis an die Grenze der Fälschung von Bilanzen - und darüber hinaus - zu verdanken, aber nicht realer Wirtschaftsleistung. Sie sind erstens durch falsche Verbuchung von Stock Op-tions einschliesslich der daraus resultierenden Steuervorteile entstanden, zweitens durch die Aktivierung von Software-Ausgaben statt deren sofortige Abschreibung, drittens durch die mit den Stockoptions verbundenen tiefen Löhne und viertens durch Finanzmarktmanöver, wie etwa die Aktienrückkaufprogramme. Weitere Tricks kommen täglich zum Vorschein.
 
Die Börsenhausse war nie auf echte Wertschöpfung gestützt, sondern auf die exorbitante Verschuldung aller amerikanischen Wirtschaftssegmente, zuletzt mit einem Faktor von eins zu drei. Das heisst, dass für jeden Dollar zusätzliches Sozialprodukt rund drei Dollar zusätzliche Schulden erforderlich waren, um die realwirtschaftlich eher lahme US-Wirtschaftsmaschinerie nochmals zu bescheidenen Leistungssteigerungen zu bringen. Die öffentliche Verschuldung Amerikas steigt nach wie vor und ist heute höher als zu jedem früheren Zeitpunkt.

Erheblicher Korrekturbedarf

Die gesamten amerikanischen Wirtschaftszahlen der letzten fünf Jahre sind falsch oder wurden falsch interpretiert und medienmäßig propagiert. Das Handeln der Menschen ist damit in eine falsche Richtung gesteuert worden, was wiederum eine massive Fehlallokation der Resourcen zur Folge hatte. Dies führt jetzt, nachdem die Illusion einer stetigen Aufwärtsentwicklung der Konjunktur aufgegeben werden muss, zu massiven Korrekturnotwendigkeiten, deren Vollzug viel Zeit beanspruchen wird, vielleicht so viel, wie in Japan.

Die Meinung, dass die amerikanische Wirtschaft so erfolgreich sei wegen ihres besonders guten Managements und ihrer fortschrittlichen Corporate Governance ist falsch - und die naive Nachahmung amerikanischer Denkweisen und Methoden in Europa und Asien ist gefährlich. Es gäbe vieles von Amerika zu lernen; Management und Wirtschaftspolitik gehören aber nicht dazu.

Quelle: Manager-magazin.de    
mod:

Dazu: Das jüngste Gerücht

 
26.02.02 13:49
Dienstag, 26. Februar 2002     Berlin, 13:45 Uhr

Das jüngste Gerücht  

Der Fall Enron bringt nun offenbar die amerikanische Regierung auf Trab
So soll das Finanzministerium in Washington bereits an einem Konzept arbeiten, Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder künftig härter zu bestrafen - falls sie Aktionäre in die Irre führen. Strengere Regeln sollen auch für den Fall gelten, dass ein Manager nicht in schlechter Absicht, sondern nur aus Unwissenheit falsch handelt, heißt es an Wall Street. Im Fall Enron hatten sich mehrere ehemalige Top-Mitarbeiter - selbst unmittelbar vor dem Bankrott der Firma im Dezember 2001 - nicht an irgendwelche Probleme erinnern können. Dem will die neue Gesetzes-Initiative von Finanzminister Paul O'Neill nun Einhalt gebieten. usa
www.welt.de/daten/2002/02/26/0226fi316925.htx

 
mod:

Auch wenn ich Prof. Malik (St.Gallen)

 
26.02.02 14:58
immer fachlich sehr geschätzt habe: Er vereinfacht und verallgemeinert hier sehr stark und stellt alles zu negativ dar.
Z.B. den Produktivitätsfortschritt des Inets und die umweltschonende Technologie verschweigt er.
Auch das ist ökonomischer und sozialer Fortschritt.
Er ist eben sehr stark auf sein Fachgebiet der Managementlehre fixiert.
zit1:

Danke Brummer, ich freue mich,

 
26.02.02 18:17
daß langsam aber sicher immer mehr Leuten ein Licht aufgeht.
America is a big lie!
Ich erfahre es gerade live.
Gruß,
Zit

PS: Siehe auch meinen thread "der kollektive Wahnsinn".  
Reila:

Die große Lüge?

 
26.02.02 18:32
Traf letztens einen amerikanischen Ingenieur. Er hatte drei Autos, drei Fernseher, zwei Kinder, ein Haus und eine Frau. Ob nun alles bezahlt war oder nicht - die Dinge (und Personen) waren real da. Der wußte nicht, was er sich noch kaufen sollte, was er nicht schon hatte. Vielleicht ist das mit Amerika wie mit den kleinsten Atomteilchen: Man weiß entweder, wo sie sind oder wie schnell sie sind. Beides zusammen wird man nicht erfahren. Ist eben ein Rätsel dieses Amerika, und mit Sicherheit immer wieder für eine Überraschung gut.

R.
mod:

America is a big lie!

 
26.02.02 19:21
"Und weil das so ist, fliege ich so gern nach San Diego und

verpeste mit meiner "Rennmaschine" dort die Umwelt."

Was ist hier die grosse Lüge?

.. wärst Du doch in Spandau geblieben ...
Schnorrer:

Muschelwirtschaft

 
26.02.02 19:52
Ein Fischdi-Insulaner war reich, wenn er viele Muscheln besaß. Heute kann man sich wohl nichts mehr dafür kkaufen. Wertverlust durch Vertrauensverlust kraft Kolonisierung.

Das kann aber US nicht passieren: die kolonisieren ja selbst, und ihre Muschel-Dollars werden wohl lange noch eine "reale" Größe darstellen, Verschuldung hin oder her.
mod:

Für calexa! Der Schnee von .... o.T.

 
01.03.02 15:58
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