Was hat Alan denn da ausgeheckt?
Jahrelang habe ich an einem Nachruf für Alan Greenspan gearbeitet. So weit ich weiß, erfreut sich der Mann immer noch bester Gesundheit. Ich freue mich nicht auf den Tag, aber ich will einfach nicht unvorbereitet davon überrascht werden. Vielleicht kann ich dann sogar schon eine schnelle Biographie auf den Markt werfen, in der ich den Massen das Leben und Wirken von Alan Greenspan erkläre.
Irgendetwas verbirgt sich in seiner Karriere - in seinem Verhalten, seinem Verrat an seinen alten Vorstellungen, seinem Pakt mit dem Teufel in Washington und seinem Versuch, die Rache der Natur abzuwenden, zumindest so lange noch, bis er die Fed verlässt - das ist sowohl unterhaltsam, als auch lehrreich. Es hat was von einer griechischen Tragödie; kommt aber ohne die ganzen langweiligen Monologe und die blutigen Intrigen aus. Sogar die verwendete Sprache ist griechisch.
Obwohl der Vorsitzende Englisch spricht, braucht man für seine Worte oft eine Übersetzung und historische Anmerkungen. Nur selten macht er eine Aussage, die für den normalen Sterblichen verständlich ist. Umso besser, denke ich. Wenn der Ottonormalverbraucher wüsste, worum es da geht, dann wäre er womöglich alarmiert. Ich habe keine Illusionen. Wer immer den Versuch unternimmt, es zu erklären, wird keinen Dank bekommen, man könnte genauso gut einem Jugendlichen erklären, was ein Hot Dog ist.
Alan Greenspan ist der berühmteste Bürokrat seit Pontius Pilatus. Wie Pilatus hat auch er erst gezögert und dann dem Pöbel gegeben, wonach er verlangte. Kein Blut, nur Spekulationsblasen. Greenspans Rolle im Imperium ist mehr als die eines Konsuls oder Prokonsuls. Er ist der Präfekt. Er ist der Quartermeister, der sicherstellt, dass das Imperium die finanziellen Ressourcen hat, die es braucht, um sich selbst in den Ruin zu treiben.
Ich weiß nicht, wie man im Himmel über ihn urteilen wird. Wenn es um den Codex der Zentralbanker geht, dann hat Greenspan sich weder einer Sünde, noch eines Verbrechens schuldig gemacht. Er gilt als Vorbild an Tugend, und nicht als einer, der den Lastern frönt. Und doch hat Talleyrand einmal zu Napoleon gesagt: "Es ist schlimmer, als ein Verbrechen begangen zu haben - Sie haben einen Fehler gemacht."
Als die Winde der imperialen Schuldenfinanzierung wehten, stellte sich Mr. Volcker auf festen Boden und streckte sein Kinn in den Wind. Seinen Nachfolger, Greenspan, hat es umgefegt. Der Fehler des Vorsitzenden lag darin, dass er mehr Kredit, zu immer leichteren Konditionen herausgegeben hat, als alle anderen Vorsitzenden vor ihm zusammen. Die Verbraucherschulden sind auf das höchste Niveau in der Geschichte gestiegen, das Verhältnis der Schulden zum Einkommen ist auch höher als je zuvor. Dadurch wurden immer mehr Spekulationsblasen überall auf der Welt angeregt und die Vereinigten Staaten verwandelten sich vom größten Kreditgeber der Welt zum größten Schuldner.
Die Fed unter Greenspan hat nur erreicht, eine natürliche, zyklische Korrektur zu verzögern und dabei eine ganze Wirtschaft in eine gigantische Spekulationsblase zu stürzen. Eine Blase bei Aktien führt womöglich nur zu geringem wirtschaftlichem Schaden. Irgendwann wird die Blase platzen und das trügerische Geld, das die Leute in ihrem Besitz glaubten, wird verschwinden wie ein Wölkchen Marihuanarauch. Es gibt Gewinner und Verlierer. Aber am Ende ist die Wirtschaft ungefähr dort, wo sie angefangen hat - unverletzt und unverbessert. Die Haushalte werden immer noch da sein und immer noch Geld ausgeben, so wie zuvor. Nur diejenigen, die sich in den Blasenjahren zu weit aus dem Fenster lehnten, werden Probleme haben.
Aber bei der Blasenwirtschaft von Alan Greenspan scheint etwas Schreckliches zu passieren. Die Haushalte schöpfen das Eigenkapital von ihren Häusern ab. Sie glaubten, dass die Blase bei den Immobilien Reichtum geschaffen hat, den sie verbrauchen können. Viele haben nicht lange gezögert. Die Hypothekenschulden sind in den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts immer weiter gestiegen - von ungefähr sechs Billionen 1999 auf fast neun Billionen Ende 2004. Damit sind die Schulden für einen durchschnittlichen Haushalt auf 30.000 Dollar gestiegen. Die Amerikaner leben immer noch in den fast gleichen Häusern. Aber davon besitzen sie einen immer kleineren Teil. Fortsetzung siehe nächster Beitrag, vorher etwas Werbung!
Ich hatte schon jede Hoffnung aufgegeben, dass ich zu diesem Thema jemals ein ehrliches Wort vom Fedvorsitzenden zu hören kriegen würde, als der Maestro Anfang Februar 2004 einen Schnitzer machte. Er hielt die oft erwähnte Rede in Schottland, mit dem Titel: "Current account". Durch den Jetlag waren seine Verteidigungsstrategien in Mitleidenschaft geraten, und er hat die Wahrheit durchsickern lassen.
"Der Zuwachs an Hypotheken war eine der Hauptquellen für den Rückgang der privaten Sparrate in den Vereinigten Staaten von fast sechs Prozent Anfang 1993 auf heute nur noch ein Prozent", gab er zu. Damit hatte er das Thema auf den Tisch gebracht. Dann fing er mit einem Geständnis an. Der massive Zuwachs an Hypothekenschulden "wird hauptsächlich durch das Abschöpfen eines Eigenanteils motiviert", sagte der Mann, der dafür verantwortlich ist. An dieser Stelle haben die Zuhörer angefangen, sich Notizen zu machen.
Und schon sehr bald war auch der dümmste unter den anwesenden Ökonomen in der Lage, zwei und zwei zusammenzuzählen. Mr. Greenspan senkte die Zinssätze weit unter das Niveau, dass ein freier Markt für Kredite noch für möglich gehalten hätte. Nachdem sich nur noch wenig gewinnen ließ, wenn man sein Geld auf die Bank brachte, dafür aber viel, wenn man einen Kredit aufnahm, taten die Haushalte genau das, was zu erwarten war, sie hörten auf zu sparen und fingen an, Geld zu leihen. Und gegen welche Werte haben sie das Geld geliehen? Auf den steigenden Wert ihrer Häuser. "Sie haben den Eigenanteil abgeschöpft" heißt das im Jargon von Alan Greenspan. Der Vorsitzende hatte sie zu dem Irrglauben angestiftet, dass ein Anstieg der Hauspreise dasselbe sei wie frei verfügbarer Wohlstand.
Aber hier hat der berühmteste und meist verehrte Ökonom der Welt nicht Halt gemacht. Da musste das Publikum schon wirklich an seinen Lippen hängen. Er gab nicht nur zu, dass er die Dinge getan hat, die er getan hat, sondern auch, dass er, als er sie tat, bei vollem Verstand war. Das war kein Unfall. Das war keine Nachlässigkeit. Das war volle Absicht.
"Ungefähr die Hälfte der Abschöpfung des Eigenkapitals zeigt sich in den zusätzlichen Ausgaben der Haushalte, was die Ersparnisse entsprechend verringert und damit vermutlich zum gegenwärtigen Handelsbilanzdefizit beiträgt ... der Rückgang der amerikanischen Zinssätze seit 1980 hat den Anstieg der Immobilienpreise unterstützt", fuhr Amerikas Antwort auf Adam Smith fort.
"Der Mangel an neuen Stellen und an echtem Lohnwachstum", erklärt Stephen Roach, "hat im privaten Bereich zu einem Anstieg um nur knappe 4% bei den Reallöhnen in den letzten 37 Monaten während der Erholung geführt - volle 10% weniger als die durchschnittlichen Zuwächse von mehr als 14% in den fünf vorangegangenen zyklischen Aufschwüngen. Und doch schreckten die Verbraucher vor dem zurück was in der Vergangenheit immer als echtes Konsumhindernis galt. Durch das Abschöpfen des Eigenanteils ihre Häuser und durch die Steuerkürzungen der Bush-Regierung angetrieben, steigerten die einkommensschwachen Haushalte 2003 den Anteil des Konsums am Bruttoinlandsprodukt der USA auf einen Rekordwert von 71,1%. (Auch im vierten Quartal von 2004 lag der Wert immer noch bei 70,7% - eine Abweichung von den üblichen 67% die sonst in der Phase von 1975 bis 2000 vorherrschten.
Seit dem Fall der Berliner Mauer scheinen sich alle einig zu sein, dass eine zentrale Planwirtschaft schlecht für die Wirtschaft ist. Die zentralen Planer schneiden schlechter ab, wenn es um die Lieferung von Produkten geht, als die "unsichtbare Hand" des Marktes. Das weiß schon jeder Student der Volkswirtschaft im Grundstudium.
Joseph Schumpeter verschärft die These noch: "Unsere Analysen haben uns dazu gebracht zu glauben, dass eine Erholung nur dann wirklich stattfindet, wenn sie von selber passiert. Bei jedem Aufleben, das eigentlich nur durch einen künstlichen Stimulus ausgelöst wird, bleibt mehr Arbeit für die Depression und zu den nicht verdauten Fehlanpassungen werden noch weitere hinzugefügt.
Der amerikanischen Wirtschaft drohte 2001 eine größere Rezession. Es kam jedoch nur zu einer kleineren. Die gerade geborene Depression wurde von den schlimmsten zentralen Planern, die jemals auf Erden wandelten, noch in der Wiege erdrosselt. Alan Greenspan kürzte die Kreditsätze. George W. Bush kurbelte die Ausgaben an. Der daraus folgende Schock einer Ersatznachfrage hat die Rezession nicht nur verzögert, sondern darüber hinaus die Verbraucher, die Anleger und die Geschäftleute zu weiteren Fehlern verführt. Die Anleger kauften Aktien, die nur geringe Erträge brachten. Verbraucher gerieten noch tiefer in die Verschuldung. Die Forderungen gegenüber der Regierung stiegen. Das Handelsbilanzdefizit stieg. Auf der anderen Seite des Globus machen die fremden Geschäftsleute Überstunden, um der betrügerischen neuen Nachfrage nachkommen zu können. China kam in den Genuss eines Kapitalausgabenbooms der exzessiver ausfiel, als alles was die Welt bis dahin gesehen hat.
Wie konnte der Vorsitzende der Fed in Amerika, Wächter über das Geld der Nation, Hüter der Wirtschaft, Nachtwächter des Reichtums, es nur so weit kommen lassen? Er hat eine Finanzblase in eine wirtschaftliche Blase verwandelt. Er hat nicht nur die Preise der finanziellen Vermögenswerte bis zum Platzen aufgeblasen, sondern auch die Preise für Wohnhäuser und die Schulden des durchschnittlichen Haushalts. Heute ist die Immobilienblase nicht mehr nur ein Phänomen des Investmentbereichs sondern ein wirtschaftliches, das fast alle Menschen betrifft. In manchen Gegenden hat die Hälfte der Jobs mit Immobilien zu tun. Die Leute bauen Häuser, sie finanzieren Häuser, sie bauen um, sie verkaufen die Häuser untereinander und sie brachten so viele Granitverkleidungen an ihren Häusern an, das heute schon ganze Berge von der Bildfläche verschwunden sind.
© Bill Bonner
Quelle: Auszug aus dem kostenlosen Newsletters "Investor's Daily"