Ja, Fuzzi, ich hab ihn auch gesehen, den Schweizer Bären. Er saß sichtlich vergnügt auf einem sonnigen Balkon, während unter ihm im Halbschatten der Straße aufgebrachte Menschen durcheinander schrieen. Es waren Alstom-Aktionäre, die sich bei einer spontanen Freudenkundgebung wechselseitig in die Arme fielen, die Gesichter überströmt mit Glückstränen über den gelungenen Reversed Stock-Split. "Ich hab es immer gewusst, dass Alstom wieder auf über 25 Euro, meinen Einstiegspreis, steigen würde", japste Erwin Kaufhaltner (Name von der Redaktion geändert), ein leutseliger Endfünfziger, dessen schlohweiße Haare vermutlich nicht allein eine direkte Folge der Alstom-Kursentwicklung während der letzten fünf Jahre sind. "Ich bin 1999 für 25 Euro eingestiegen, und nun ist die Aktie auf 33", erklärte Kaufhaltner. "Kron und seine Mannschaft haben das in sie gesetzte Vertrauen voll verdient."
Einziger Wermutstropfen: Kaufhaltner hatte 1999 1000 Aktien zu 25 Euro gekauft, Investitionssumme: 25.000 Euro. Nun sind ihm nach Kursverfall und Reversed Split nur noch 40 Aktien geblieben, Marktwert: 1.320 Euro. Dabei hätte er allein von dem Geld, was er in die drei Kapitalerhöhungen gesteckt hatte, jetzt auf einen Schlag 120 der verdünnungsbereinigten Papiere kaufen können.
Verschmitzt lächelte der Bär in die Sonne. Er hatte gerade die BILD-Zeitung durchgeblättert, auf deren Titelseite, neben Querschnittsbildern von Gysis Gehirn, die neuesten Aktien-Tipps für Neueinsteiger prangten: "Zehn Kurs-Raketen für Taxifahrer und Tellerwäscher." Das sind Titel-Seiten, wie der Bär sie liebt - genau das Gegenteil von denen, die ihn - nach endlosen Kursabstürzen - selber zeigen.
Genüsslich leckte sich der Bär das Maul. Er trat an die Balkon-Brüstung, holte tief Luft und brüllte "Kauft Leute! Kauft! Das sind Zugreifkurse!" in die taumelnde Meute. Jemand warf ihm eine Kamelle zu. "Karnevalsstimmung", dachte der Bär - und freute sich schon klammheimlich auf Aschermittwoch. Denn dann gibts fette Honig-Töpfe, die ihm den kommenden Rezessions-Winter versüßen.
Der Bär ging durch die Balkontür ins Wohnzimmer und legte sich zu einem Nickerchen auf die Couch. Er träumte von prall gefüllten Luftballons, die siegesgewiss in den Himmel schwebten, um anschließend - physikalisch zwangsläufig - in der dünner werdenden Luft zu zerplatzen. Wie Aktionärs-Seifenblasen.