Alptraum NM: Ein Betroffener packt aus!

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Alptraum NM: Ein Betroffener packt aus!

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27.11.01 20:43
 Alptraum NM: Ein Betroffener packt aus! 490420

Der Boom


Der Aufbruch in die New Economy

Im April 1995, gut vier Wochen vor der Gründung der WWL, wurde ich das erste Mal mit dem Internet konfrontiert. Allerdings gleich mit der Frage, ob ich mich an der Gründung eines Unternehmens beteiligen würde, welches zum Geschäftsgegenstand die Erstellung von Internetapplikationen hat. Zwei Studenten, die sich ein gutes Jahr vor dem Ende ihres Studiums befanden, wollten mit der Unterstützung meines Bruders und mir, die wir schon fünf Jahre selbstständig waren, eine Firma aufbauen, die ihnen nach dem Studium einen Arbeitsplatz in diesem Umfeld bieten könnte.

Ich kann heute getrost zugeben, dass wir die WWL Internet gründeten, ohne zuvor mit einem Businessplan die Regeln wirtschaftlicher Betriebsführung beachtet zu haben. Ich halte dies für völlig legitim und bin überzeugt, dass ein Businessplan unsere Gründungsphase auch nicht erfolgreicher gemacht hätte, als sie ohnehin war. Grundsätzlich muss es erlaubt sein, eine gute Idee im unternehmerischen Sinne auch spontan umsetzen zu dürfen. Immerhin vergingen von der Idee bis zur notariellen Gründung nicht einmal drei Wochen.

Businessplan nicht notwendig

Andererseits haben es die letzten Jahre sehr eindrucksvoll gezeigt: Der Internetmarkt ist fast nicht planbar. Jeder Plan, den wir uns damals gemacht hätten, wäre binnen Monaten überholt gewesen. Uns vier Gründern genügten die Überlegungen, welche Investitionen wir mit einem Startkapital von 25.000 Euro tätigen könnten. Wir hatten ohnehin nicht vor, uns innerhalb des ersten Geschäftsjahres Gehälter auszuzahlen. Tatsächlich waren wir so blauäugig anzunehmen, wir könnten den Betrieb von ein paar Einwahlknoten und die Erstellung von ein paar Internetauftritten eher so nebenbei stemmen. Jeder von uns hatte bereits mehrere Aufgaben wahrzunehmen, sei es an der Universität oder, wie im Falle meines Bruders und mir, durch die vollberufliche Tätigkeit bei unserem fünf Jahre zuvor gegründeten Softwareunternehmen, der B&L Impuls Software GmbH. Schon sehr bald wurden wir eines Besseren belehrt und mussten mehr und mehr unsere Arbeitskraft in den Dienst der WWL stellen. Wir wurden binnen kurzer Zeit überrascht von der Welle der Begeisterung, die das Internet auslöste und seinen Dienstleistern die Kunden wie von Geisterhand zuführte.

Einerseits war es sicher die lockere Vorgehensweise, die uns einen erfolgreichen Start bescherte. Wir konnten in den ersten Monaten ohne jeglichen existentiellen Druck ganz eisern unseren eingeschlagenen Weg gehen. Wir kamen nie in die Versuchung, unsere beiden Kerngeschäftsfelder - Erstellen von Internetpräsenzen und Netzwerklösungen - zu verlassen, nur um zusätzlichen Umsatz zu generieren. Andererseits kamen wir genau zur richtigen Zeit mit der Geschäftsidee der WWL im Nürnberger Raum. Das ist das unternehmerische Glück, das man auch schon mal für sich in Anspruch nehmen muss. Nürnberg war 1995 tatsächlich noch ein weißer Fleck auf der Landkarte einiger bundesweit operierender Provider, die auf regionaler Ebene Partner für den Betrieb von Einwahlknoten suchten. So gab es einen Partner des damals sehr populären Netzanbieters Eunet, dem der Ruf vorauseilte, die qualitativ besten Zugänge anzubieten, und der daher sehr teuer war, sowie einen Partner von ContribNet, der zwar sehr preiswert, aber auch bekannt für ständig überlastete Leitungen war.

Die gefundene Marktlücke

Wir schlossen uns einem Hamburger Provider an, MAZ Hamburg, der wenig später in IS Internet Services umgetauft wurde und im Jahre 2000 als Ision Internet AG an den Neuen Markt gegangen ist. Zu diesem Zeitpunkt standen wir allerdings in keiner Geschäftsbeziehung mehr zueinander. Die MAZ war schon 1995 ein sehr leistungsfähiger Netzbetreiber, der sich gerade von seinem Nürnberger Partner getrennt hatte, weil dieser keine Aktivitäten für den Betrieb eines Einwahlknotens erkennen ließ. Die MAZ brachte das in die unglückliche Lage, die zahlreichen Nürnberger Anfragen für Internetzugänge nicht bedienen zu können. Just in diesem Moment klopfte die WWL, noch in Gründung, bei dem Geschäftsführer der MAZ an und kam mit ihrer Geschäftsidee wie gerufen. Mit dem Vertrag in der Tasche kauften wir die nötige technische Ausrüstung, um den Einwahlknoten in Nürnberg zu errichten.

Es war unglaublich, was man seinen Kunden damals zumuten konnte - und wegen technischer Probleme der Ausrüstung auch musste -, ohne dass sich einer beschwert hätte. Offenbar war allen bewusst, dass sich das Internet in einer Art Erprobungsphase befand, und ein bis zwei Stunden Betriebsstörung beim Provider mehrfach pro Woche wurden in Kauf genommen. Hinzu kam die völlig überlastete Leitung, mit der wir uns an den Münchener Knoten der MAZ angeschlossen hatten. Man stelle sich vor, dass wir acht Monate lang mit nur einer ISDN-Verbindung (ein Kanal!) einen Einwahlknoten für den Raum Nürnberg betrieben hatten, ein Einwahlgebiet mit einem Potenzial von immerhin knapp eineinhalb Millionen Einwohnern!

Kunden akzeptierten ständige Betriebsstörungen

Die doppelt so schnellen 28.8er-Modems und die viermal so schnellen ISDN-Leitungen fingen erst langsam an, populär zu werden. Und dann die ewigen Betriebsstörungen. Wir hatten damals die Wahl, entweder für sehr viel Geld Cisco-Produkte zu kaufen, die den Vorteil einer hohen Betriebszuverlässigkeit gehabt hätten, oder für sehr viel weniger Geld eine PC-basierte Lösung zu installieren, mit dem Nachteil, den PCs nun einmal so an sich haben - sie stürzen häufig ab. Solche Abstürze hatten zur Folge, dass die Leitung nach München nicht mehr bedient wurde und den eingewählten Kunden der Spaß am Surfen vermasselt wurde. Den armen Axis-Kollegen erging es noch schlimmer. Sie waren nicht nur bei eigenen Problemen vom Internet abgeschnitten, sondern auch, wenn wir infolge technischer Ausfälle den Stillstand der Leitung nach München zu beklagen hatten.

Wochentags blieben die Abstürze des Verbindungsrechners nach München vom Kunden meist unbemerkt. Binnen Sekunden war der Rechner nach einem manuell ausgelösten Neustart wieder im Einsatz. Nachts und am Wochenende allerdings war meist niemand von uns in der Firma, um den Reset des Rechners durchzuführen, wenn er sich einmal mehr "aufgehängt" hatte. Als Einziger von uns vier Gründern hatte ich das Pech, in Nürnberg zu wohnen und die Firma binnen einer Viertelstunde von zu Hause aus erreichen zu können.

Nachts musste ich aufstehen, um auf den Reset-Schalter zu drücken

Irgendwann hatte ich aufgegeben mitzuzählen, wie oft ich nachts aus dem Schlaf und am Wochenende aus dem Familienleben gerissen wurde, um in die Firma zu fahren, nur um dort eine klitzekleine Handbewegung auszuführen: einen kurzen Druck auf den Reset-Schalter des Rechners. Manchmal musste ich gleich wieder umdrehen, kaum dass ich zu Hause angekommen war. Als ich auch am Heiligabend in die Firma fahren musste, war meine Geduld am Ende. Ich machte meinen Gründerkollegen unmissverständlich klar, dass wir jetzt sofort den Rechner durch einen Router von Cisco austauschen würden, koste es, was es wolle. Der Widerstand der anderen war praktisch nicht vorhanden. Die Alternative wäre höchstens gewesen, sie fahren fortan an meiner Stelle in die Firma zur Betätigung des Notfallschalters.

Die Wende


Unendlich viel Geld - unendlich?

Nach dem erfolgreichen Börsengang trafen wir die Entscheidung, das eingenommene Geld in zusätzliche Geschäftsfelder zu investieren, um unser Kerngeschäft zu ergänzen. In den Folgemonaten haben wir somit Geld für Dinge ausgegeben, die teilweise zwar durchaus sinnvoll waren, die sich die WWL aber besser nicht hätte leisten sollen. Sicherlich, hinterher ist man immer klüger, und die Entscheidungen für viele Maßnahmen, die wir auf den Weg gebracht haben, sind eben zu der oben beschriebenen Hype-Zeit entstanden und fanden mit vielen herbeigezauberten Argumenten ihre Berechtigung. Trotzdem, ich bleibe dabei. Die unternehmerischen Fehlentscheidungen bei der WWL waren sicher nicht kostspieliger oder häufiger als in jedem anderen Unternehmen auch. Schlimmer war die Einstellung zu dem Umgang mit Geld so mancher Inhaber von Schlüsselpositionen. Ich will Ihnen nachfolgend ein paar Beispiele geben, was ich damit meine.

In ihrer Geschichte als Aktiengesellschaft hatte die WWL zunächst den Vorstandssprecher, der die WWL mit an die Börse geführt hatte und im Januar 2000 durch ein relativ neues Vorstandsmitglied in seiner Funktion als Sprecher abgelöst wurde. Letzterer ist dann im April 2000 durch den Aufsichtsrat zum Vorstandsvorsitzenden ernannt worden. Bei sonst wenig Ähnlichkeiten waren sich die beiden in einem sehr ähnlich, nämlich im Aufbau von Kostenapparaten und im überwiegend wenig bewussten Umgang mit den Barmitteln des Unternehmens.

Lufthansa-Businessklasse für Vorstände, ICE für Mitarbeiter

Die größer werdende WWL mit ihren mehreren Standorten, die auf Deutschland verteilt waren, brachte es mit sich, dass der Reiseaufwand innerhalb der Gruppe drastisch anstieg. Auch die Tätigkeiten der Abteilung Mergers & Acquisitions erforderten einen immensen Reiseaufwand, der die betroffenen Mitarbeiter und auch den Vorstandssprecher beziehungsweise später den Vorsitzenden des Öfteren zu Zielen außerhalb Deutschlands führte. Mehrfach wurde auf Flugreisen völlig überflüssig die Businessklasse gebucht, immer mit dem Argument, schnell umbuchen zu können, falls sich Termine verschieben. Als Folge des meist über-flüssigen Verschiebens von Terminen waren dann wiederum die Sekretariate stundenlang damit beschäftigt, die Reiseroute umzuplanen. Ich habe durchaus Verständnis dafür, dass sich Vorstandsmitglieder, die viel unterwegs und häufig von ihren Familien getrennt sind, unterwegs auch ein bisschen Luxus gönnen wollen, der das Leben in der Ferne angenehmer macht. Aber es sollte nicht so weit gehen, dass Vorstände, die gemeinsam mit ihren Mitarbeitern reisen, andere Verkehrsmittel oder anderen Komfort nutzen. Nicht nur, dass sie in diesem Moment die Chance verpassen, den Mitarbeitern zu zeigen, sie seien einer von ihnen, unmerklich versiegt allmählich der so wichtige Informationsfluss zu den Mitarbeitern: Die perfekte Lehmschicht zwischen Vorstand und Unternehmen entsteht.

Wir hatten beispielsweise ein Treffen unseres oberen Führungskreises in unserer Niederlassung in Hamburg. Als Mitglied des Vorstands war es für mich selbstverständlich, mich den Nürnberger Mitarbeitern anzuschließen, die ebenfalls nach Hamburg fahren mussten und dazu den ICE als Reisemittel gewählt hatten. Dank des ICE sind Nürnberg und Hamburg rund vier Stunden voneinander entfernt. Diese vier Stunden ließen sich hervorragend nutzen: Der Austausch mit den Mitarbeitern, der so unersetzliche Informationskanal, um die Stimmung im Unternehmen aufnehmen zu können. Während der Fahrt saßen nun zwei Mitarbeiter an meinem Tisch, drei weitere an dem Tisch hinter mir. Während einer Gesprächspause in meiner Gruppe vernahm ich aus der anderen Gruppe die Bemerkung eines Mitarbeiters: "Unsere anderen Vorstände reisen wohl mal wieder mit dem Flugzeug." Leider hatte er in Bezug auf unseren Vorsitzenden Recht, der für die Ersparnis einer Stunde etwa viermal soviel bezahlte. Das große Staunen ging weiter, als wir feststellten, dass unser Vorsitzender zudem noch in einem anderen - es erübrigt sich zu sagen, in einem "besseren" und damit teureren - Hotel untergebracht war.

Der Vorstand flog zurück, um seine vergessenen Kleiderstücke zu holen

Während einer Messe in Berlin, der Internet World, war für unseren ersten Vorstandssprecher für die Dauer seines geplanten Aufenthalts ein Hotel gebucht. Pünktlich zum ersten Messetag flog er morgens in Berlin ein, um dann festzustellen, dass er seinen Koffer nicht vollständig gepackt hatte. Das Kaufen der fehlenden Kleidungsstücke kann in Berlin eigentlich kein Problem darstellen, trotzdem flog er am Abend des ersten Messetages nach Nürnberg zurück, sammelte seine vergessenen Kleidungsstücke ein und kam am nächsten Morgen mit der ersten Maschine wieder in Berlin an. Das Hotelzimmer, zu Messepreisen gebucht, blieb in dieser Nacht ungenutzt.

Die New Economy rechtfertigte scheinbar völlig neue Gesetze, und mit einer gewissen Überheblichkeit und Arroganz genehmigten sich Vorstände, die sich eitel im Glamour der aufschauenden Öffentlichkeit sonnten, weitere Kostenfaktoren, die in der Sache an sich aber wenig begründbar waren: In ihrem Umfeld schossen Mitarbeiterstellen mit klanghaften, nichts sagenden Anglizismen als Positionsbezeichnungen wie Pilze aus dem Boden. Teilweise hat es mich gegraust, mit welchen Gehältern diese Stellen dotiert waren. Für alle anderen Bereiche der Firma gab es einen Gehaltsspiegel, der eine Spanne festlegte, nach der die Leute bezahlt wurden. Nicht immer ist es als Folge der Personalverknappung und des zunehmenden Selbstbewusstseins in der New Economy-Szene geglückt, diesen Spiegel auch einzuhalten, aber ich meine doch, dass es uns gelungen ist, überwiegend Gerechtigkeit gegenüber unseren bestehenden Mitarbeitern walten zu lassen. Ganz anders im Umfeld der Vorstände. Hier war offenbar jedes Gehalt recht und dies, weil sich die Leute Marketingleiter, Director Mergers & Acquisitions, Treasurer oder Assistent des Vorstands schimpfen durften. Wie überflüssig diese Leute vielfach waren, zeigte sich, als die WWL im Dezember 2000 auf zunehmenden Druck des Kapitalmarktes endlich ein Kostensparprogramm einläutete und diese Leute einfach gehen konnten, ohne dass sie ein echtes Loch hinterließen.

Luxusmodell von Audi für den Vorstandschef

Ein weiteres Statussymbol, an dem man Eitelkeiten ablesen kann, ist das Fahrzeug. Hier ist die WWL vorbildlich geblieben, sieht man einmal von einer Ausnahme ab, die zwar die WWL kein Geld kostete, die betroffene Person allerdings immer wieder unglaubwürdig gemacht hat. Die Anschaffungskosten der Fahrzeuge für Vorstände durften 40.000 Euro nicht überschreiten. Auch wenn sämtliche Fahrzeuge durchweg geleast wurden, so war diese Obergrenze sinnvoll, da sich die Anschaffungskosten bei der Kalkulation der Leasingrate natürlich auf diese niederschlagen. Des Weiteren gab es auch die Vorgabe, möglichst unauffällige Autos zu fahren. Als wir Ende 1999 unseren Vorstand als Folge des geglückten Vertragsabschlusses unserer Akquisition in Bremen erweiterten, wollte sich das neu ernannte Vorstandsmitglied auch sein ihm zustehendes Firmenfahrzeug bestellen. Jeder, der sein Auto lediglich als komfortables Fortbewegungsmittel ansieht, kommt mit einem Preis von 40.000 Euro locker aus. Das ist jedoch anders, wenn man für Autos gewissermaßen ein Faible hat. So kostet ein Audi A8 in der entsprechenden Motorisierung und Ausstattung sehr viel mehr. Der Kollege bot an, die Differenz der Leasingraten selbst zu tragen, und wir waren der Meinung, damit seien die Vorgaben hinlänglich erfüllt. Tatsache war allerdings, dass es dem Auto niemand ansah, wer daran welche Kosten trug. Nur kamen eben auch bei der WWL eines Tages die Zeiten, in denen der Vorstand zu erhöhter Sparsamkeit aufrufen musste. Da macht es sich nun einmal verdammt schlecht, wenn der Vorstand durch solche unnötigen Statussymbole seine Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzt. Letztlich trägt dies zur leidvollen Entfremdung des Vorstands von der Belegschaft bei.

Neue Mitarbeiter holten gleich am ersten Tag ihren Dienstwagen

Aber es waren nicht nur die Vorstände, die das Abenteuer Internet immer teurer machten. Bei den vielen Neueinstellungen, die in kurzer Zeit bewältigt werden mussten, blieben so manches Mal die Qualitätsanforderungen an die Mitarbeiter auf der Strecke, und oftmals identifizierten sich diese enttäuschend wenig mit der WWL. Häufig genügte das Prädikat, Nochmitarbeiter bei Kabel New Media oder Pixelpark zu sein, um mit einem Anstellungsvertrag von WWL in der Tasche nach Hause zu gehen. Die Lohnspirale drehte sich immer schneller, und nicht selten fielen neu eingestellte Mitarbeiter erst einmal dadurch auf, dass sie am ersten Arbeitstag zum Vertragsautohändler rannten, um sich ihr zugesagtes Firmenfahrzeug zu bestellen. Erst sehr viel später war wieder durchsetzbar, dass Fahrzeuge erst nach erfolgreicher Probezeit bestellt werden durften.

Mein Verhältnis zu beiden Vorstandsspitzen der WWL Internet AG war nicht besonders gut. Schon gar nicht zu unserem früheren Vorstandssprecher, etwas besser zu seinem Nachfolger, unserem späteren Vorstandsvorsitzenden. Eine Ursache dafür war sicherlich die sehr unter-schiedliche Auffassung vom Umgang mit Geld. Gelang es mir noch einigermaßen, unseren Sprecher in seinem ungebremsten Drang, Geld mit vollen Händen auszugeben, zu kontrollieren, so entglitt mir dieser Einfluss ab dem Beschluss der Gesellschafter, an die Börse zu gehen, fast völlig. Bei unserem späteren Vorsitzenden hatte ich ebenfalls mehrere erfolglose Versuche unternommen, ihn in Gesprächen zu einer moderaten Geldpolitik zu bewegen. Allerdings war ich auch nicht der Finanzminister, und so hätte jedes weitere Einschreiten zugleich auch noch die Einmischung in das Ressort unseres Finanzvorstands bedeutet. Dieser dagegen beglich lieber die Rechnungen, als für die Einsparung "einiger" Tausend Euro im Jahr Konflikte auf Vorstandsebene zu riskieren. Für die "Erziehung" von Vorständen sei schließlich der Aufsichtsrat zuständig. Der wiederum verwies den bewussten Umgang mit Geld in die Verantwortlichkeit der längst vergangenen Kinderstube. Und so wurden die un-angenehmen Themen erfolgreich gemieden, alle fassten wir uns nach wie vor mit Samthandschuhen an, ohne wahrhaben zu wollen, dass die Scholle, auf der wir saßen, immer kleiner wurde.

Die Krise


Wie verlässt man ein Unternehmen?

Mitte August gaben wir bekannt, dass WWL die marode Kabel New Media nicht übernehmen werde. Gescheitert sind die Verhandlungen aber auch an einem von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkten Hindernis. Die Delegation der WWL ist von Peter Kabel und seinen Leuten teilweise mit einer unerträglichen Arroganz behandelt worden, die sich normalerweise ein am Boden liegendes Unternehmen nicht leisen kann. Es sei denn, der Shootingstar von einst, der früh von sich reden machte, weil er als Erster recht überheblich auf Distanz zur New Economy ging und auf dem Deutschen Mittelstandsforum als "Entrepreneur des Jahres 2000" für seinen "visionären Weitblick" ausgezeichnet wurde, hat entsprechend der Recherche des Spiegel tatsächlich seine eigenen Schäfchen im Trockenen. Peter Kabel trat am 31. August 2001 als Vorstand seines Unternehmens zurück, ein Tag bevor das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Kabel New Media AG eröffnet wurde.

Losgelassen!

Kann man ein Unternehmen, das man selbst aufgebaut hat und von dem man noch immer einen großen Anteil an Aktien besitzt, loslassen und sich wirklich mental von ihm trennen? Ich dachte, ich könnte es. Als ich im Januar 2001 ausschied, hatte ich innerlich meinen Aktienbestand abgeschrieben und mich damit abgefunden, dass die WWL nicht mehr lange existieren würde. Ich wähnte mich für den Tag gerüstet, an dem dieses Schreckensszenario Wahrheit werden würde. Ich hätte die Nachricht aufgenommen, als wäre sie die Nachricht eines x-beliebigen Unternehmens, von dem ich zum ersten Mal höre. Aber ich hatte drei wesentliche Aspekte völlig übersehen, und so sehr ich mir einbildete, die WWL losgelassen zu haben, ich hatte es nicht.

Da war zum einen mein Bruder, der im Vorstand verblieb. Seinen eigenen Bruder kennt man einfach zu gut, als dass einem irgendwelche Dinge verborgen bleiben könnten, auch wenn sie nicht ausgesprochen werden. An seinem Gemütszustand konnte ich meistens genau ablesen, wie es um die WWL und die Probleme, von denen ich noch wusste, bestellt war. Dann waren da die Mitarbeiter, die anfangs großen Anteil an meinem Ausscheiden nahmen. Zu einigen besteht auch heute noch reger Kontakt, beispielsweise zu dem Mitarbeiter der ersten Stunde, mit dessen Hilfe ich vor zehn Jahren den Zuschlag zu unserem ersten Großauftrag bekam. Und zum dritten ist es genau jener Kunde, zu dem im Laufe der Zeit eine vertrauliche Beziehung gewachsen ist und bei dem ich weiterhin im Namen der WWL aufgetreten bin.

So sehr ich auch die WWL loslassen wollte, es gelang mir nicht. Selbst wenn ich alle meine Aktien verkauft hätte, die drei genannten Aspekte wären damit nicht aus der Welt geschafft. Mit einigen Monaten Abstand hat sich der Faktor Mitarbeiter beruhigt. Das Leben geht auch ohne mich weiter, da mache ich mir nichts vor. Selbst der Kunde hat die neue Situation um mich völlig akzeptiert und der Auftrag war zu keiner Zeit gefährdet. So verblieb nur mehr die emotionale Bindung über meinen Bruder zur WWL.

Rücktritt meines Bruders als COO erfuhr ich über Agentur-Meldung im Urlaub

Am 22. August 2001 bin ich morgens von einer SMS überrascht worden, in der ich auf eine Reuters-Meldung hingewiesen wurde, wonach mein Bruder abberufen worden sei. Ich machte gerade in Italien Urlaub und hatte einige Mühe, meine Informationen über die nächste Internet-Surfstation zu vervollständigen. Zunächst las ich die Ad-hoc-Meldung, die das Unternehmen ausgegeben hatte. Demnach hatte mein Bruder "beim Aufsichtsrat um die Entbindung von seinen Pflichten als COO und Vorstand gebeten" und man trennte sich "im besten gegenseitigen Einvernehmen".

Wenn ich eines sofort wusste, ohne mit ihm gesprochen zu haben, dann, dass dies nicht der Wahrheit entsprach. Ich wünschte, es wäre so, weil er damit die Konsequenzen aus der Zusammenarbeit mit den Investoren und seinen beiden Vorstandskollegen gezogen hätte, die in den letzten Wochen unsagbar quälend war. In Wirklichkeit aber kam seine Abberufung für ihn selber völlig überraschend. Ich fand es bewundernswert, dass er, der noch die letzte Bastion der Gründer bildete, unter den gegebenen Umständen nicht schon früher das Handtuch geworfen hatte. Als Vorstandssprecher wusste er über vieles, was im Unternehmen ablief, nicht mehr Bescheid. Seine Vorstandskollegen informierten ihn nicht mehr über ihre Pläne, es kam immer seltener zu Vorstandssitzungen, und auch die Investoren, die über TellSell agierten, machten im Wesentlichen, was sie wollten. Wenn er Glück hatte, wurde er hinterher informiert. Man behandelte ihn wie wenige Wochen zuvor den Finanzvorstand. Bestes Beispiel dafür waren die Gespräche mit der Kabel-Gruppe und anderen Übernahmekandidaten, wie beispielsweise die Eskatoo aus Nürnberg, aber auch Pläne zur Restrukturierung des Unternehmens. Ich will nicht behaupten, dass die Pläne und Absichten der Investoren oder der von ihnen eingesetzten Vorstandskollegen falsch oder verfehlt waren.

Die Tatsache, dass dies an ihm als dem Vorstandssprecher des Unternehmens vorbeiging, war ein deutliches Signal: Die Investoren wollten das Ruder vollständig übernehmen und sich auch personell nicht mehr mit den "emotional" agierenden Gründern plagen müssen. Nachdem mein Bruder den Turnaround eingeleitet und größtenteils umgesetzt hatte, freute er sich bereits wieder auf sein aktives Mitwirken bei der Akquisition neuer Kunden. Dies bleibt ihm nun verwehrt...

Anonymität zwischen Mitarbeitern und Vorstand

Durch die Abberufung meines Bruders, der auch von den Investoren unbestritten als die Integrationsfigur bei der Durchführung vieler Sanierungsmaßnahmen anerkannt war, ist eine beispiellose Anonymität zwischen Mitarbeitern und Vorstand entstanden. Dies mag den Vorteil haben, dass Mitarbeiter-relevante Entscheidungen ohne Rücksichtnahme auf mögliche Emotionen am grünen Tisch getroffen werden können. Es hat aber zweifellos den Nachteil, dass auch das Unternehmen für die Mitarbeiter nur mehr zu einem austauschbaren Arbeitgeber mutiert ist. Der Geist aus der Gründerzeit, den ich als unschätzbar wertvoll einstufe und der leider schon unter dem Börsengang gelitten hatte, ist spätestens jetzt vollständig verflogen. Ich erinnere mich an manche Analysten und Fondsmanager - auch an Kurt Ochner -, die ein wesentliches Kriterium für ihre Investition in einer überzeugenden "Chemie" innerhalb des Vorstands und in einem großen Identifikationsvermögen der Mitarbeiter mit dem Unternehmen gesehen haben. Eine gesunde und vertrauenschaffende Kommunikationskultur eben. Davon war man im August 2001 weit entfernt.

Die Stimmung in der Belegschaft war als Folge der seit Monaten anhaltenden und noch bevorstehenden Entlassungswelle, die mit der Abberufung meines Bruders an Geschwindigkeit noch einmal zunahm, wahrscheinlich noch schlechter, als sie ein halbes Jahr zuvor nach dem zurückgezogenen Verzicht unseres ehemaligen Vorstandsvorsitzenden auf seine Prämie gewesen ist. In puncto Sanierung hat sich TellSell zweifellos als kompetent erwiesen. In dem anderen Punkt ihrer Mission war ihr kein Erfolg beschieden: Der Auftragsbestand erfuhr durch das Bemühen von TellSell keine Impulse. Dass dieser sich dennoch erfreulich entwickelte, war dem Vertrieb der WWL zu verdanken. Aber es reichte noch nicht. Die Strategie einer "moderaten" Sanierung bei gleichzeitigem Ausbau des Auftragsbestands musste der Strategie eines knallharten, erbarmungslosen Sanierungskurses weichen, wollte man wie angekündigt im vierten Quartal die Gewinnschwelle erreichen.

Unternehmer sein heißt frei sein

Offensichtlich stand mein Bruder für die nun einsetzende Entlassungswelle als "Freund der Mitarbeiter" im Weg. Dies ist im Übrigen tatsächlich der einzige Hinweis auf die Gründe seiner Entlassung, der ihm vom Aufsichtsrat mitgeteilt wurde. Für den bevorstehenden Endspurt der Sanierungsarbeiten könne man nicht mehr auf die emotional agierenden Gründer Rücksicht nehmen. So habe ich denn als Reaktion auf die Abberufung meines Bruders einen kleinen Teil meiner Aktien veräußert - und machte eine völlig neue Erfahrung: Ich spürte, wie einfach es war, die WWL loszulassen. Dabei fiel mir auch wieder das Buch von Theo Lieven ein: "Unternehmer sein heißt frei sein". Ich ahnte plötzlich, welche Unternehmer wirklich frei sind: Die, die den Zeitpunkt des richtigen Ausstiegs aus ihrem Unternehmen zu einem attraktiven Preis gefunden haben. Damit meine ich nicht eines von den unschönen Beispielen am Neuen Markt, wo sich Gründer als Mitglieder des Vorstands nach falschen Ad-hoc-Meldungen auf Kosten der Anleger bereichert haben. Ich habe einen Teil meiner Aktien zwar eher auf dem Tiefstand verkauft, aber trotzdem erahne ich zum ersten Mal nach elf Jahren Unternehmerdasein, was es heißt, frei zu sein. Frei ist nur, wer unabhängig ist - und Unabhängigkeit muss man sich leisten können.

Das Ende


Wunden lecken

Während meiner Arbeit an diesem Buch hat die Realität so manche Geschichte, die ich erzählt habe, fortgeschrieben. Auch die Ereignisse im Umkreis der WWL haben nicht Halt gemacht, sondern sich teilweise binnen weniger Tage lebhaft entwickelt. Ein paar dieser Anekdoten möchte ich Ihnen nicht vorenthalten.

Kurt Ochner, der Totengräber von WWL, wird gefeuert

In diesem Buch habe ich mehrmals unsere sehr unterschiedlichen, aber im Ergebnis letztlich schlechten Erfahrungen geschildert, die wir mit einem der ganz großen Fondsmanager des Neuen Marktes, mit Kurt Ochner gemacht hatten. Am 2. April 2001 geht die Meldung seiner fristlosen Entlassung wie ein Lauffeuer durch die Republik. In einer Stellungnahme erklärt ein Sprecher von Julius Bär die Hintergründe, die zu der überraschenden Trennung geführt haben. Offenbar sei man unter-schiedlicher Auffassung bei der Betreuung der Unternehmen in den Fonds. Aufgabe eines Fondsmanagers sei es, Unternehmen zu analysieren, weiterzuverfolgen, zu kaufen und zu verkaufen. Keinesfalls solle ein Fondsmanager Gesellschaften strategisch beraten.

Interessant war die Reaktion eines anderen institutionellen Investors, der der WWL durchaus positiv gesonnen ist und ablehnend die Investitionspolitik von Kurt Ochner verfolgt hatte. Seine spontane Stellungnahme war: "Der Totengräber der WWL ist gefeuert worden." Ganz so haben wir die Meldung nicht aufgenommen, aber eine gewisse Erleichterung knüpfen wir sehr wohl an die Hoffnung, künftig nicht mehr der Spielball eines Fondsmanagers zu Lasten von Kleinanlegern sein zu müssen.

Unerwartetes Rendezvous mit einem Aktionär

Etwas unfreiwillig kam ich unlängst mit meinem Arzt ins Gespräch über die WWL. Im Laufe des letzten Jahres habe ich ihn ab und zu aufsuchen müssen, aber nie sind wir groß ins Gespräch gekommen. Letztens muss ich allerdings einen sehr nachdenklichen Eindruck auf ihn gemacht haben. Er sprach mich darauf an, was mich denn so beschäftigen würde. Ich erzählte ihm recht allgemein, dass ich gegenwärtig ein Buch über ein Unternehmen schreibe, das an den Neuen Markt gegangen ist. Daraufhin gestand er mir, dass er sich auf Empfehlung im letzten Jahr auch am Neuen Markt versucht hätte. Normalerweise sei das nichts für ihn, aber dieses Mal hätte ihn ein Bekannter überredet, doch zur Abwechslung einmal in Aktien dieses Wachstumssegments zu investieren. Da es sich zudem um ein Nürnberger Unternehmen handelte, fühlte er sich auch von einer gewissen Solidarität getrieben und kaufte die Aktie. Leider war ihm das Glück nicht hold und er verlor mit der Aktie einiges Geld. Da es immerhin ein halbes Dutzend Nürnberger Unternehmen gibt, die am Neuen Markt notieren und allesamt einen mehr oder minder starken Kursrückgang zu verzeichnen hatten, machte ich mir eine gewisse Hoffnung, dass es sich dabei nicht um die WWL handeln könnte. Nur leider bestätigte er mir genau das, nicht wissend, dass ich einer der Gründer der WWL war. Ich gab mich ihm dann als das "L" in "WWL" zu erkennen und bedauerte aufrichtig seinen Verlust. Seine sehr freundliche Behandlung seitdem zeigt mir, dass er ob des Verlustes nicht allzu gram ist.

Wer hat den schnellsten Rückwärtsgang?

Die Akteure sind die gleichen geblieben, geändert haben sich ihre Gesprächsthemen. Zum dritten Mal wurde 2001 die Internet World, die alljährlich im Mai in Berlin stattfindet, von einer Fete begleitet - ein geselliges Event, bei dem sich die New Economy-Szene trifft, um sich bei Musik und Büfett auszutauschen. Waren die Botschaften im Jahr zuvor noch durch den Tenor getragen, wem die meisten Akquisitionen gelungen seien und in wie vielen Märkten man sich außerhalb Deutschlands bewege, so ging es dieses Jahr um das blanke Überleben. Viele Auslandsniederlassungen waren bereits geschlossen, der Mitarbeiterabbau im vollen Gang und die eigenen Kernkompetenzen wieder entdeckt. Optimismus beherrschte die Szene dabei nach wie vor. Überleben werde, wer im Rückwärtsgang viele Entscheidungen aus der Hype-Phase rückabzuwickeln vermag und den Turnaround am schnellsten meistere. So glichen sich denn auch die Geschäftsberichte über das Jahr 2000 in mindestens einem Punkt: Hohe Firmenwertabschreibungen waren das späte Eingeständnis, dass Akquisitionen viel zu teuer bezahlt wurden, zu einer Zeit, als alle Beteiligten bereit waren, andere Bewertungsmaßstäbe anzulegen als die, die vorher galten und auch heute wieder gültig sind.

Das Gefangenen-Dilemma

Die Frage, wie sich die Altgesellschafter der WWL nach dem Auslaufen ihrer freiwillig auferlegten Lock-up-Periode von 24 Monaten verhalten würden, erinnert an eine bekannte Fragestellung aus der Verhaltensforschung: Wann und unter welchen Umständen würden Gefangene zu der Schuld ihrer Mitgefangenen aussagen, um selber auf Strafminderung hoffen zu dürfen?

Im großen Einvernehmen unterwarfen sich alle Altgesellschafter zum Börsengang der Lock-up-Periode, während der sie nur eine kleine, vorher festgelegte Anzahl an Aktien verkaufen durften. War der Stichtag 12. Juli 2001 während des Börsengangs noch in weiter Ferne, so rückte er mit Einsetzen der schlechten Unternehmensnachrichten unaufhaltsam näher. Niemand ahnte damals, dass der Kurs im Bereich um die zwei Euro pendeln würde. Eher hatte man mindestens an den Emissionskurs von 15,50 Euro gedacht. Es drängte sich die spannende und gleichzeitig unangenehme Frage auf, ob einzelne Altgesellschafter verkaufen würden, wenn ihre Aktien im Sommer 2001 frei würden. Bis zu welchen Kursen halten alle still? Bei welchem Kurs fängt der Erste an zu verkaufen und senkt damit den Kurs, so dass die anderen das Nachsehen haben? Finden möglicherweise Absprachen statt, und wie werden diese eingehalten oder beendet? Schließlich mag niemand der "Dumme" sein, nur weil er den "richtigen" Moment für einen (Teil-)Verkauf seiner Anteile verpasst hat. Wer zuerst verkauft, hat zumindest kurzfristig nicht das Nachsehen eines geschwächten Kurses.

War es schon schwer, das Verhalten einzelner Gründungsgesellschafter abzuschätzen, so war es nahezu unmöglich, die Reaktion der "neuen" Altgesellschafter vorherzusagen, die erst später Anteile an der WWL übernommen hatten und die teilweise wenig sanft aus dem Unternehmen hinauskomplimentiert wurden. Im Falle unseres ersten Vorstandssprechers war das Misstrauen auch angebracht. Er hielt sich nicht an die Lock-up-Vereinbarung mit der Commerzbank und veredelte seine Anteile vorher.

Sechs Monate vor dem Stichtag hatte ich mit einem Rundschreiben an alle großen Gesellschafter einen Versuch unternommen, sie für eine neuerliche, freiwillige Lock-up-Frist über den 12. Juli hinaus zu begeistern. Lediglich einer der OptiNet-Altgesellschafter reagierte und erklärte spontan seine Bereitschaft. Tatsächlich verstrichen der 12. Juli 2001 und die Wochen darauf relativ unspektakulär. Irgendwelche aufregenden oder unerklärlichen Kursbewegungen, die Panikverkäufe nach sich gezogen hätten, blieben aus.


Gruß
Happy End
tomorrow.de



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Die fünfzehn Lügen

 
27.11.01 21:17

Die Erfahrungen aus meiner Selbstständigkeit, die ich in diesem Buch niedergeschrieben habe, möchte ich nachfolgend in fünfzehn Irrtümern zusammenfassen, die geradezu die Erotik von Lügen haben müssen, sonst wären ihre Hartnäckigkeit und ihr immer wiederkehrender Charakter nicht zu erklären.

1. Die Umsatzlüge

Nahezu alle Unternehmen am Neuen Markt haben hohe Umsatzwachstumsraten versprochen. Eine der Zulassungsvoraussetzungen des Neuen Marktes ist ja gerade, dass sich das Unternehmen in einem stark wachsenden Marktumfeld bewegt. Der Preis dieses Wachstums ist allerdings hoch. Nicht von ungefähr hat der Ausdruck cash-burn-rate, der besagt, wie hoch der Kapitaleinsatz im Verhältnis zum Umsatz ist, die Situation am Neuen Markt beschrieben. Bis auf wenige Ausnahmen sind viele Neuer Markt-Unternehmen bis heute den Beweis schuldig geblieben, dass hohes Umsatzwachstum bei mindestens ausgeglichenem Ergebnis beherrschbar ist. Insbesondere für die Dienstleistungsunternehmen scheint dies eine unüberwindbare Hürde zu sein.

2. Die Beraterlüge

Für nahezu alle Anforderungen eines Unternehmens stehen Berater zur Verfügung. Egal, ob es sich um M&A-Berater, Steuerberater, Juristen, Unternehmensberater oder Wirtschaftsprüfer handelt, sie alle haben drei Dinge gemeinsam: Sie sind erstens unverzichtbar, daher zweitens auch sehr teuer und drittens sehr betreuungsintensiv. Einen Effekt habe ich bislang nicht erlebt, und er ist sowohl bei Verhandlungen mit potenziellen Fusionspartnern als auch in der Phase der Vorbereitung zum Börsengang besonders schmerzhaft. Meistens wirkt sich das Einschalten von Beratern kontraproduktiv aus und führt zur Vernachlässigung der eigenen Kernkompetenzen.

3. Die Fusionslüge

Wenn es eines mit Sicherheit auf dieser Welt nicht gibt, dann ist es eine Fusion unter Gleichen, ein Merger of Equals. Wir haben uns zunächst auch eingebildet, mit den Franzosen in gleicher Augenhöhe zu verhandeln. Am Ende war es aber doch so, dass die Währung des Stärkeren galt, und dass der Stärkere auch Anspruch auf den Sitz des Vorstandsvorsitzenden erhob. Man kann es lediglich als geschicktes Taktieren betrachten, wenn der tonangebende Fusionspartner den anderen zunächst in der Illusion wiegt, gleichberechtigt mitreden zu können. Im Grunde wissen es beide von Anfang an, wer die Rolle des Übernehmenden spielt und wer die Rolle des Übernommenen.

4. Die Integrationslüge

Im Vorfeld einer Akquisition wird ihr zu erwartender - oder besser: ihr erhoffter - Erfolg dadurch begründet, dass der zu übernehmende Kandidat gut zum eigenen Unternehmen passt und damit die künftigen Integrationsschmerzen vernachlässigbar sind. Diese Aussage würde ich heute nicht mehr unterschreiben. Integrationsschmerzen gibt es immer, wenn die Menschen zweier Unternehmen und ihre Arbeitsprozesse aufeinander abgestimmt werden müssen. Und je mehr Menschen in den Unternehmen arbeiten, desto schwieriger ist das Unterfangen. Es gibt Statistiken, die besagen, dass rund 75 Prozent aller Akquisitionen und Fusionen als nicht erfolgreich zu werten sind, weil sie nicht zum versprochenen Ergebnis geführt haben. Dies ist häufig die Folge von gescheiterten Integrationsmaßnahmen.

5. Die Synergielüge

Mit dem Zauberwort der Synergie-Effekte werden angestrebte Firmenübernahmen am häufigsten begründet. Immer wieder werden fantastische Einspareffekte auf Grund von ausgemachten Synergien beim Zusammengehen zweier Firmen gemäß der Formel 1+1=3 vorgerechnet. Synergien entstehen durch das Zusammenlegen von Technologien oder Vertriebskanälen und Einsparungen im Verwaltungsbereich. Dabei übersieht man häufig, dass der Einstandspreis zum Ausnutzen dieser Synergien in Form der Akquisition und der Integrationsmaßnahmen hoch ist. Mögen die Nominal-Synergien einen beeindruckenden Wert haben, die Effektiv-Synergien unter Beachtung aller Investitionen sind oftmals nur sehr mager und lassen im Erfolgsfall höchstens die Gleichung 1+1=2,1 zu.

6. Die Wahrnehmungslüge

Eines der lähmendsten Ereignisse für ein Unternehmen sind Unstimmigkeiten im Vorstand, die oftmals dazu führen, dass sich der Vorstand und damit das Unternehmen mit sich selbst beschäftigt, anstatt am Kunden zu wirken. Nicht umsonst achten Investoren sehr genau auf das Zusammenspiel der Vorstände während einer Roadshow, um ein Gefühl für die zwischenmenschliche Harmonie im Management zu bekommen.

Schon allein aus diesem Grund ist es ratsam, die Roadshows immer mit mehreren Vorständen wahrzunehmen. Es ist ein Trugschluss, anzunehmen, die Mitarbeiter des Unternehmens würden Konflikte auf Vor-standsebene nicht wahrnehmen, auch wenn sie noch so "unbemerkt" hinter verschlossenen Türen ausgetragen werden. Der Vorstand ist ein zentrales Energiefeld im Unternehmen, welches unter sehr genauer Beobachtung der Mitarbeiter steht. Jede noch so kleine Störung in diesem Feld wirkt sich bremsend und verunsichernd auf die Mitarbeiter aus.

7. Die Anlagelüge

Das Versprechen vieler Anleger, privater wie institutioneller Investoren gleichermaßen, langfristig in die Aktie zu investieren und mit uns durch "dick und dünn" gehen zu wollen, habe ich von Anfang an nie richtig geglaubt. Während der Roadshow haben uns Investoren teilweise ungefragt ihre langfristige Anlagestrategie erläutert. Natürlich war es damals genau die Story, die wir hören wollten. Und das wussten sie. Die meisten hatten sich längst aus der Aktie verabschiedet - und das zu einem Zeitpunkt, als es von der WWL noch keine schlechten Nachrichten gab. Die Flucht aus den Aktien des Neuen Marktes hat längst vor seiner ersten Insolvenz mit Gigabell eingesetzt, infolge völlig überbewerteter Unternehmen.

8. Die Börsenlüge

Spätestens seit Herbst 2000 gilt die alte Börsenregel nicht mehr, nach der man sich im Spätsommer mit Aktien eindecken soll, um bis ins nächste Frühjahr durch steigende Kurse zu profitieren. Auch die zweite Regel hat nicht stattgefunden, nach der spätestens kurz nach der zweiten Zinssenkung durch die amerikanische Notenbank der Aktienmarkt wieder beflügelt wird. Wie oft haben gerade in den letzten Wochen die einschlägigen Fachmedien den Anlegern einen Bärendienst erwiesen und immer wieder die Trendwende am Aktienmarkt oder zumindest die Bodenbildung prophezeit? Und nichts dergleichen ist geschehen!

9. Die Erfolgslüge

Es ist immer wieder erstaunlich, mit welchen Argumenten Misserfolg begründet wird. Typische Beispiele dafür sind Messen und andere Publikumsveranstaltungen. Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, mit welchen Gründen das Ausbleiben großen Besucherandrangs auf Messen gerade am ersten oder letzten Tag schöngeredet wird? Egal ob es der Charakter des ersten Tages ist, der falsche Platz in der falschen Halle, das Wetter oder eine Parallelveranstaltung, die die Aufmerksamkeit der Besucher ablenkt, es werden immer Gründe herbeizitiert, die an höhere Gewalt erinnern, der man sich machtlos ergeben muss. Bei schwach besetzten Vortragsveranstaltungen wird plötzlich ausfindig gemacht, dass es sich schließlich um den Freitagnachmittag handelt und die Leute sicher schon ins Wochenende aufgebrochen sind. Das Besorgnis erregende an all diesen Gründen ist das Ablenken von dem eigenen Beitrag zum Misserfolg.

10. Die Hierarchielüge

Als sich unser Vorstand fast ausschließlich um die Vorbereitungen zum Börsengang gekümmert hat, sind die bis dahin als flache Hierarchie zu bezeichnenden Strukturen des Unternehmens zum ersten Mal getestet worden und gefährlich ins Schwanken geraten. Obwohl ich vielen Mitarbeitern ein hohes Maß an Selbstständigkeit bescheinigen würde, fordern sie trotzdem eine straffe, aber faire Führung ein. Ein führungsloses Unternehmen, in dem Mitarbeiter nahezu alle Freiheitsgrade haben, endet in einem chaotischen Zustand, mit hoher Unzufriedenheit und Fluktuation. Mitarbeiter fordern geordnete Verhältnisse, und dazu gehört ein Organigramm, welches jedem einzelnen Mitarbeiter seine genaue Position und seine Aufgabe im Unternehmen zuweist. Ab einer gewissen Größenordnung werden Hierarchien unumgänglich. In ihnen liegt der Garant für einen ansprechbaren Vorgesetzten, der eine überschaubare Gruppe leiten muss. Allzu flache Hierarchien mit dem Hintergedanken, alle Mitarbeiter gleich zu behandeln, funktionieren nicht.

11. Die Solidaritätslüge

Die Solidarität unter Mitarbeitern stößt in manchen Punkten sehr schnell an ihre Grenzen, auch wenn es so aussieht, als seien sie sich in allen grundlegenden Dingen einig. Diese Einigkeit ist aber nicht kollektiver oder abgesprochener Natur, sondern eher eine zufällige Übereinstimmung ihrer Interessen, beispielsweise bei Gehaltsverhandlungen, Ausstattung der Arbeitsräume oder gemeinsamen Veranstaltungen mit Freizeitwert. Die gegenseitige Rücksichtnahme verschwindet und kehrt sich gar ins Gegenteil um, wenn ein Teammitglied fachlich erkennbar schwächer ist und es trotz aller Anstrengungen seiner Kollegen auch bleibt. Dann findet sich niemand mehr, der noch Rücksicht üben oder Sachzusammenhänge erklären will. Ist die Geduld der starken Teammitglieder erst einmal vorbei, lässt sie sich durch keine Motivationskunst wieder aufbauen. Versuche, den angeschlagenen Mitarbeiter dadurch zu retten, dass man ihn in ein anderes Team integriert oder ihm andere Aufgaben zuweist, schlagen meist fehl. In letzter Konsequenz muss man sich voneinander trennen.

12. Die Beförderungslüge

Immer wieder fallen Mitarbeiter schon nach wenigen Monaten durch herausragende Leistungen in ihrem Bereich auf. Nachdem sie ein oder zwei Jahre sehr erfolgreich gearbeitet haben, unterliegt man meist der Versuchung, sie zu zusätzlichen Aufgaben motivieren zu wollen, wenn sie nach einer Gehaltserhöhung fragen. Als ließe sich mehr Geld nur durch mehr Verantwortung aber nicht durch gute Arbeit rechtfertigen. So avanciert jemand in eine Position, in der er auf einmal mehr Personal- und Projektverantwortung bekommt. Auch wenn er sich dort ganz wacker schlägt und durchaus bewährt, so ist damit eine Entwicklung angestoßen worden, die ihn mit jeder Beförderung weiter von seinen Kernkompetenzen abbringt, durch die er anfangs so positiv aufgefallen ist. Im Laufe der Zeit nehmen ihn die neuen Aufgaben zeitlich immer mehr in Beschlag zu Lasten seines wahren Könnens. Die neue Situation schlägt manchmal gar um in eine persönliche Unzufriedenheit des Mitarbeiters, wenn er an alte Erfolge nicht mehr anknüpfen kann. Für das Unternehmen bedeutet dies auch den Verlust einer qualitativ sehr guten Besetzung des ursprünglichen Postens. Es ist höchstbedauerlich, wenn dieser zunächst gut gemeinte Schritt einer Beförderung in der Kündigung des Mitarbeiters endet. Sollte die Forderung nach einer Gehaltserhöhung die einzige Motivation für die Beförderung sein, so wäre es geschickter, sich zu überlegen, ob man diese auch anders darstellen kann - ohne das Aufgabenfeld zu erweitern.

In einer Wachstumsphase unterliegt der Unternehmer oftmals der Versuchung, über den Weg der Beförderung verdiente Mitarbeiter auf Schlüssel- oder Entscheidungspositionen zu setzen, deren verrechenbare Leistung abnimmt. Damit baut er sich unmerklich einen großen Over-head auf und läuft Gefahr, das Projektgeschäft auszudünnen. Ein Verwaltungsapparat entsteht, der spätestens bei der nächsten "Verschlankungstherapie" teuer zu stehen kommt. Allerdings bietet jede Beförderung auch eine Chance für das Unternehmen: Nicht selten wachsen Mitarbeiter erfolgreich in und mit ihren neuen Aufgaben.

13. Die Lüge der kritischen Masse

Hinter der Problematik der kritischen Masse verbirgt sich die Frage, wie viele Mitarbeiter an einem Standort beschäftigt sein müssen, damit sich dieser selber tragen kann. Gemeint ist der notwendige Mix aus administrativen und operativen Mitarbeitern, um den Standort autark am Leben zu halten. Oftmals muss gerade die nicht erreichte kritische Masse als Begründung für Anfangsverluste herhalten. Eine Reihe von Unternehmensgründungen, auch die der WWL, hat aber bereits den Beweis erbracht, schon mit den ersten Mitarbeitern an Bord profitabel sein zu können.

Entscheidend dafür ist die Bereitschaft der Mitarbeiter der ersten Stunde, in ihrer Person alle Anforderungen abzudecken. Leistet man sich dagegen von Anfang an den Luxus, die unterschiedlichen Aufgaben jeweils mit verschiedenen Arbeitskräften abzudecken, beispielsweise durch eine Sekretärin und eine Telefonistin, muss man zur Rechtfertigung der Anfangsverluste tatsächlich das Gesetz der kritischen Masse bemühen.

14. Die Lüge unter "Freunden"

Während des Aufbaus und der Erweiterung des Unternehmens müssen sich die Gesellschafter des Öfteren die Frage nach geeigneten Kandidaten für signifikante Schlüsselpositionen stellen, sei es bei der Besetzung des Vorstands oder des Aufsichtsrats. Dabei wird meist im Geiste der Bekanntenkreis nach einer qualifizierten Person durchsucht. Ist sie gefunden und entspricht sie den Erwartungen aller Entscheider, so ist das Zusammenkommen so manches Mal der Anfang vom Ende für die Freundschaft und der Beginn eines Desasters für das Unternehmen. Denn irgendwann tritt die Situation ein, bei der die Freundschaft auf die Probe gestellt werden müsste. Es fällt meist schwer, die subjektive Wahrnehmung für den Freund von vornherein zugunsten objektiver Kritik abzulegen.

Gerade weil die Äußerung von Kritik Freundschaften auf die Probe stellt, wird zu lang gewartet, ehe diese Hürde das erste Mal genommen wird. Letztlich bricht Schweigen die Freundschaft. Für das Unternehmen sind freundschaftliche Verflechtungen, insbesondere solche, die sich schonen, in jedem Fall sehr nachteilig. Viel zu langsam und oft zu spät werden dringend erforderliche Maßnahmen eingeleitet, umso mehr, als sich die freundschaftliche Verstrickung durch Aufsichtsrat und Vorstand zieht.

15. Die Lüge in die eigene Tasche

Die schlimmste Lüge ist die, die man an sich selber verübt. Viel zu spät gesteht man sich oftmals seine eigenen Fehler ein. Dabei wäre ein frühzeitiges Eingestehen für eine schmerzlose und preiswerte Korrektur immens wichtig. Stattdessen hält man sich viel zu sehr damit auf, den eingeschlagenen Weg doch noch erfolgreich beenden zu wollen, was meistens misslingt. Selten täuschen die ersten Anzeichen. Schlimmer wird die Situation, wenn man zudem noch die Fehlentscheidung über eine Ad-hoc-Meldung kommunizieren müsste und damit möglicherweise einen Kurseinbruch verursachen könnte. Die Anstrengungen, diese Meldung, so drohend sie sich auch abzeichnet, noch irgendwie zu verhindern, sind enorm und verpuffen letztlich doch.

Gruß
Happy End
Happy End:

Schlaft´s gut! o.T.

 
27.11.01 21:41
Fluffy:

1* interessant, danke Happy End o.T.

 
27.11.01 21:48
ztlanger:

Na Servas!

 
27.11.01 21:51
Ein hochinterssanter Blick hinter die Kulissen. Leider war nur wenigen der zahlreichen "neuen Aktionäre", die sich auf das Risiko NM eingelassen haben, klar worauf sie sich eingelassen haben. Hoffen wir zumindest, dass Bücher wie das vom Ogger (Börsenschwindel) oder dieses hier dazu beitragen, dass weniger Leute blauäugig alles glauen, was ihnen vorgegaukelt wird.

Vielen Dank für diese lehrreiche Zusammenfassung; wir wollen mal geflissentlich über die "Schleich-"Werbung hinwegsehen. ;-)
Brrrrrrrrrr:

1*scheisse!! .....ohne Begründung!!!!! o.T.

 
27.11.01 22:08
Fluffy:

scheisse ? Den Stern gibt´s nicht. o.T.

 
27.11.01 22:18
Happy End:

;-) o.T.

 
28.11.01 00:07
Happy End:

1xSchwarz für Brrrrrrrrrrrr!

 
28.11.01 06:11
ottifant:

Guten Morgen o.T.

 
28.11.01 06:39
Brummer:

gute analyse, interessant o.T.

 
28.11.01 07:11
tetsuo:

Gut. Entspricht meinen Erfahrungen. o.T.

 
28.11.01 08:28
Happy End:

Da wird einem manches klarer... o.T.

 
28.11.01 09:18
maxperforma.:

sehr interessant

 
28.11.01 09:30
Happy - bist du bei tomorrow.de?

dann weiß ich auch warum du soviel Zeit hast zum posten
Happy End:

;-)))))))) o.T.

 
28.11.01 10:13
Linus:

morgen, happy,

 
28.11.01 10:33
interessantes Statement. Da ist leider Gottes zu viel Wahrheit drinne !!!

Wie sacht man doch so schön:

Die guten ins ...., die schlechten ins ..........


ich glaube da wird sich in nächster Zeit noch zeigen, wer seriös arbeitet und wer nicht.

Gut!?!, aber auch leider werden die Fehler der Vergangenheit, noch einige Unternehmen überrollen und "as fast as you can" ausradieren !!!

Gruss Linus
Happy End:

Die nächsten Monate und Jahre werden noch

 
28.11.01 13:22
interessant... Da hast Du Recht!

Gruß
Happy End
vega2000:

Schon Sigmund Freud hat sich schon

 
28.11.01 13:47
mit der Hysterie der Massen beschäftigt, -das Internet & der damit verbundene Boom der vergangenen Jahre haben bewiesen: Alles eine Sache der Psychologie.

Happy End:

Vorsicht vega, nicht so laut

 
28.11.01 14:55
sonst tritt unser ariva-Freud wieder auf den Plan...
Happy End:

? o.T.

 
28.11.01 16:07
Happy End:

Zeit zum Lesen... o.T.

 
28.11.01 20:08
Happy End:

Keine Gewinne...

 
28.11.01 20:26
Happy End:

...und was ist mit Tee? o.T.

 
29.11.01 05:53
Elan:

selbstverständlich paßt es auch zu Tee! o.T.

 
29.11.01 06:12
Elan:

up o.T.

 
29.11.01 06:49
Happy End:

Dann bin ich beruhigt!

 
29.11.01 09:21
Happy End:

Up´n push!! o.T.

 
06.12.01 10:07
Happy End:

Der Alptraum geht weiter? o.T.

 
07.12.01 14:33
Happy End:

"Wir waren völlig unbedarft"

 
20.01.02 02:28
Im Interview mit manager-magazin.de erzählt Andreas Lindenberg, Mitgründer und Ex-Vorstand der WWL Internet AG, wie es zu dem Absturz des "Wachstums-Segments" und seiner Firma kommen konnte.

mm.de: Herr Lindenberg, was beschäftigt einen, wenn man nach dem Absturz seines Unternehmes am Schreibtisch sitzt und versucht, die Ereignisse der letzten Jahre zu verarbeiten?

Lindenberg: Die Frage, die mich am meisten bewegt und ständig begleitet hat, war: Warum ist das alles so gelaufen? Insofern war die Arbeit an dem Buch auch für mein inneres Gleichgewicht eine große Hilfe. Es ging mir wirklich darum, nicht etwas zu schreiben, was nach Rache oder Abrechnung aussieht. Deswegen war mir auch sehr daran gelegen, an den entscheidenden Stellen deutlich zu machen, dass ich meinen Teil Mitschuld an der Entwicklung habe.

mm.de: Ist Ihnen diese Aufarbeitung leicht gefallen? Immerhin hat die Geschichte von WWL auch mit persönlichem Scheitern zu tun...

Lindenberg: Das große Problem war, mit diesem heiklen Thema leidenschaftslos und ohne Emotionen umzugehen. Natürlich setzt mir die ganze Geschichte immer noch arg zu, und wenn man dann alles noch einmal Revue passieren lässt, gibt es schon den einen oder anderen Adrenalinstoß.

mm.de: Wie haben Ihre alten Kollegen reagiert, als sie von Ihrem Vorhaben erfuhren?

Lindenberg: Ich hatte natürlich einige Bedenken, als es um die Veröffentlichung des Buches ging. Das hatte auch damit zu tun, dass einige Bekannte, die mich anfangs immer zum Schreiben ermuntert hatten, wenige Tage vor Drucklegung ihre Meinung änderten. Das lag wohl unter anderem daran, dass sie heute noch teilweise bei der WWL arbeiten.

mm.de: Hat man versucht, Ihnen Ihr Vorhaben auszureden?

Lindenberg: Zumindest gab es zwischendurch Drohungen nach dem Muster: "Wenn der Lindenberg das Buch wirklich bringt, braucht er erst gar nicht zu versuchen, jemals wieder irgendwo Fuß zu fassen." Aber das war natürlich nicht ernst zu nehmen, denn soviel Macht und Einfluss hat wohl niemand. Tatsache ist allerdings, dass mir immer wieder gesagt wurde: "Unterschätz' die Macht der Beisheim-Gruppe nicht."

mm.de: Nicht nur ihr altes Unternehmen ist angeschlagen, auch der Neue Markt taumelt. Er ist – nach einer kurzen Blütezeit – seit März 2000 massiv eingebrochen und gilt als Tummelplatz für Zocker und Betrüger. Wie konnte es zu dieser Schieflage kommen?

Lindenberg: Da waren verschiedene Faktoren im Spiel. Zum einen gab es da bei vielen Beteiligten einen unglaublichen Selbstbereicherungstrieb, der immer wildere Blüten trieb. In einigen Bereichen haben sich Verhältnisse entwickelt, die man moralisch nicht mehr gut heißen kann. Zum anderen hat die Misere auch mit der Konstruktion des Neuen Marktes zu tun.

mm.de: Inwiefern?

Lindenberg: Das Regelwerk hat entscheidende Mängel. Es spricht ja, zumindest in der damaligen Form, durchaus kleine Firmen an und ermuntert sie zum Börsengang. In Wahrheit aber ist der Neue Markt wesentlich komplizierter, als es auf den ersten Blick scheint. Das führte dazu, dass viele Beteiligte für das, was da auf sie zukam, völlig unvorbereitet waren.

mm.de: Gilt das auch für die Gründer der WWL AG?

Lindenberg: Mit Sicherheit. Wenn Sie mich heute fragen, ob wir und unsere AG damals börsenreif waren, muss ich Ihnen sagen: Wir hielten uns für börsenreif, aber nach allem, was ich heute weiß, waren wir es nicht wirklich. Wir waren völlig unbedarft.

mm.de: Was heißt das konkret?

Lindenberg: Ein Beispiel: Das Regelwerk sieht vor, dass Nemax-Firmen nach IAS oder US-GAAP zu bilanzieren haben. Aber kaum einer versteht doch vorher, was das bedeutet. Ich behaupte heute: Würde man verlangen, dass alle AGs vor dem IPO mehrere Quartale nach diesen Regeln bilanziert haben, gäbe es schon im Vorfeld eine erhebliche Ausschussquote. Da würde sich die Spreu vom Weizen trennen. Hätte man das von Anfang an zur Voraussetzung gemacht, wäre dem Neuen Markt einiges erspart geblieben.

mm.de: Den Anlegern vermutlich auch, die seit dem 10. März 2000 ein Börsenvermögen von über 200 Milliarden Euro am Neuen Markt verloren haben...

Lindenberg: Richtig. Ein weiteres Problem war übrigens die Eitelkeit verschiedener Beteiligter, die mitunter schon zu kuriosen Situationen führte. Man muss einfach sehen, dass damals viele junge Leute plötzlich zu sehr viel Geld gekommen waren. Die waren mit dieser Situation zum Teil total überfordert und kamen dann auch sehr schnell an einen Punkt, wo sie für qualifizierte Ratschläge kaum noch zugänglich waren. Die Kritikfähigkeit war völlig außer Kraft gesetzt.

mm.de: Ähnliches gilt wohl auch für das Kostenbewusstsein in den Vorstandsetagen, wenn die Geschichten stimmen, die man mitunter aus Nemax-Unternehmen hört.

Lindenberg: Dazu kann ich auch eine Anekdote beisteuern. Ein Kollege hatte irgendwann die Idee, wir müssten unbedingt ein Strategie-Wochenende veranstalten. Also wurde das "Traube Tonbach" im Schwarzwald gebucht – so ziemlich das teuerste Hotel, das man in Deutschland finden kann. Als ich die Preise sah, bin ich zum Aufsichtsrat gegangen und habe gefragt: "Wer zahlt denn das alles?" Und er, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt: "Ist alles schon geklärt. Kein Problem." Als ich mich darüber aufregte, legte er mir väterlich die Hand auf die Schulter und sagte: "Andreas, mein Lieber, wir wollen doch die Kirche im Dorf lassen. Wegen 20.000 Mark kippt unsere Firma nicht um..."

mm.de: Da hatte er ja zunächst mal nicht unrecht.

Lindenberg: Stimmt. Wenn es bei einem Mal bleibt. Aber wenn ein solcher Umgang mit dem Geld zur Regel werden, hält das keine Firma lange durch.

mm.de: Konnten Sie als Mitgründer nicht verhindern, dass solche Zustände eingerissen sind?

Lindenberg: Man muss einfach sehen, wie das damals war. Nach dem Börsengang war plötzlich sehr viel Geld da. Und ich, der ich vorher immer ein striktes Kostenmanagement betrieben hatte, bekam ständig zu hören: "Wir müssen jetzt professionell vorgehen." Professionell – das hieß für einige Kollegen einfach, dass man mit Geld jetzt sehr viel lockerer umging. Man hatte es ja... Mir hat das richtig weh getan.

mm.de: Wäre es nicht auch Aufgabe des Aufsichtsrates gewesen, diesem Verhalten einen Riegel vorzuschieben?

Lindenberg: Als ich dem Aufsichtsratchef gegenüber diesen Umgang mit dem Geld einmal kritisiert habe, sagte der zu mir: "Tja, die Verhältnisse haben sich nun mal geändert. Wir müssen jetzt mit den großen Hunden pinkeln."

mm.de: Dass das Geld aber auch erst mal verdient werden muss, wurde nicht gesehen?

Lindenberg: Es war ja da, das IPO war gut gelaufen. Und dann war es für die Kollegen eben auch eine Selbstverständlichkeit, dass man sich erst mal sein Büro nagelneu einrichtet. Andere sind zum Autohaus gegangen, haben sich einen schönen Dienstwagen ausgesucht und dann zum Händler gesagt: "Sie haben ja wunderschöne Alufelgen. Solche möchte ich auch haben." Ich könnte jetzt noch heulen, wenn ich daran denke.

mm.de: Hat diese Haltung sie nicht schnell zum Outsider unter den Kollegen gemacht?

Lindenberg: Das kann man so sagen. In der Tat ist das passiert, relativ bald nach dem Börsengang, auch wenn mir das damals nicht so bewusst geworden ist. Im Nachhinein muss ich feststellen, dass ich auf dem Posten, der mir dann zugedacht wurde, praktisch kaltgestellt war. Und wenn ich Anmerkungen zum Tagesgeschäft gemacht habe, wurde das lediglich als lästige Einmischung gesehen.

mm.de: Machen Sie sich heute Vorwürfe, dass sie nicht stärker eingegriffen haben?

Lindenberg: Das beschäftigt einen schon. Was mir wirklich weh tut: Ich habe es nicht geschafft, rechtzeitig die Gründungsgesellschafter hinter mich zu bringen, um etwas gegen die Entwicklung zu unternehmen. Da hätte ich deutlich hartnäckiger sein müssen. Ich habe viel zu wenig Vorstöße in diese Richtung gemacht.

mm.de: Wie wurden denn dann Entscheidungen getroffen? Wie muss man sich das vorstellen?

Lindenberg: Entscheidungen kamen mitunter auf recht eigenwillige Weise zustande. Zum Beispiel, als es damals um den Kauf einer Beteiligung in Bremen ging. Die meisten von uns waren ziemlich überfordert mit Bewertungsfragen und ähnlichen Dingen. Was wurde also gemacht? Wir haben einen bekannten Fondsmanager angerufen, der heute nicht mehr für seinen alten Arbeitgeber tätig ist, damals aber der Top-Mann in der Szene war. Den haben wir um Rat gefragt. Übrigens waren wir nicht die Einzigen, die das so gemacht haben.

mm.de: Sie haben sich tatsächlich von einem Fondsmanager bei einem Firmenkauf beraten lassen?

Lindenberg: Ja. Es ging ja auch immer darum, wie eine Entscheidung anschließend von den Anlegern wahrgenommen wurde. Das war enorm wichtig. Außendarstellung war alles. So lief das Spiel.

mm.de: Nach allem, was Sie als Beteiligter damals erlebt haben: Glauben Sie, dass der Neue Markt noch zu retten ist?

Lindenberg: Das glaube ich schon, aber das heißt nicht, dass wir die Kurse von damals wiedersehen. Unter Rettung verstehe ich, dass der Neue Markt wieder ein besseres Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit bekommt, und dass die Unternehmen, die dort gelistet sind, ihre Geschäftsfähigkeit unter Beweis stellen.
Happy End:

up for calexa ;-))

 
20.01.02 13:06
Happy End:

up for calexa ;-))

 
20.01.02 15:38
calexa:

Die 15 Lügen, die Lindenberg

 
20.01.02 15:53
in seinem Buch zusammengestellt hat, sind von mir in folgendem Thread zusammengestellt worden:

ariva.de/board/...13&a=all&showthread=1&nr=98996&jump=547229&0

Solong,
Calexa
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