Neue Musik-CDs fast nur noch mit Kopierschutz
Von Henry Lübberstedt, HamburgDie deutsche Plattenbranche will bis zum Jahresende vermehrt kopiergeschützte Musik-CDs auf den Markt bringen. Andere Möglichkeiten den Musikverkauf zu steigern, sieht die Industrie nicht. Die Preise zu senken, kommt nicht in Frage.Seit Anfang des Jahres verkaufen Plattenfirmen in einer Pilotphase vereinzelt Musik-CDs, die sich nicht mehr mit CD-Brennern kopieren lassen. Die Zeit der Tests soll nun vorbei sein. Bis zum Jahresende werden die meisten Plattenfirmen ihre Produkte mit einem Kopierschutz ausstatten, sagte ein Sprecher des Bundesverbandes der Phonografischen Wirtschaft in Hamburg. Ein Schritt, der sich nach Aussage des Verbandes nicht mehr vermeiden ließ.
Argumentationsgrundlage der Musikbranche ist eine kürzlich veröffentlichte GFK-Studie. Danach sind maßgeblich das Kopieren von Musik-CDs mit CD-Brennern sowie das Herunterladen MP3-Dateien aus dem Internet für den Umsatzrückgang von 2,2 Prozent veranwortlich. Von den zwischen April 2000 und März 2001 in Deutschland an Privathaushalte verkauften 247 Millionen CD-Rohlingen sollen 133 Millionen zum Kopieren von Musik-CDs benutzt worden seien, so die Studie. Ferner hätten sich 2,6 Millionen Deutsche widerrechtlich geschützte Musiktitel aus dem Internet heruntergeladen.
Gelegenheitskopierer im Visier Die Plattenindustrie setzt auf drei verschiedene Anti-Kopiersysteme, die jeweils unterschiedlich funktionieren. Catus Data Shield sowie Key-to-audio von Sony verweigern das Abspielen der CD in Computer-CD-ROM-Laufwerken, der Kopierschutz von Macrovision lässt eine Kopie zu, fügt allerdings in jeden kopierten Titel künstliche Störgeräusche ein.
"Es ist nicht entscheidend , dass diese Systeme wahrscheinlich bald von findigen Hackern umgangen werden können," sagte der Sprecher. Vielmehr solle die Schwelle für Gelegenheitskopierer möglichst hoch gelegt werden. Zudem würden die Musikverlage in der Regel alle drei Systeme für ihre CDs einsetzen, so dass der Kunde nie weiß, welches "Crack-Programm" er sich für die betreffende CD aus dem Internet besorgen müsse.
Eine zweischneidige Angelegenheit
Für die Musikbranche ist der Angriff auf CD-Brenner eine zweischneidige Angelegenheit. Schließlich verwendet vor allem die Zielgruppe der 16- bis 20-Jährigen den Computer auch als komfortablen HiFi-Anlagen-Ersatz. Auf den PC lassen sich CDs abspielen oder aus mehreren Silberlingen eine CD mit den Lieblingsliedern zusammenstellen. Zudem hat die Festplatte bei einigen die traditionelle "Plattensammlung" abgelöst. 30 bis 40 Gigabyte Festplatten kosten derzeit rund 300 DM, nie zuvor war Speicherplatz für beispielsweise Tausende von Musiktiteln im MP3-Format günstiger.
"Bei der nächsten Generation der Kopierschutzsysteme wird das Abspielen in CD-Laufwerken wieder möglich sein, allein das Kopieren wird unterbunden," sagte der Sprecher. Zudem werde überlegt, ob die einzelnen Titel einer Musik-CD nicht zusätzlich als MP3-Dateien auf der Silberscheibe abgelegt werden sollen.
Kopieren ist erlaubt, aber nur wenn es geht
In öffentlichen Diskussionsforen im Internet kritisieren Besitzer von CD-Brennern das Vorgehen der Musikverlage. Schließlich sei die Anfertigung von privaten Kopien gekaufter Musik-CDs rechtlich zulässig. Das sei zwar richtig, sagen Anwälte, doch verpflichte der Gesetzgeber die Musikindustrie nicht dazu, den Kunden diese Möglichkeit auch technisch einzuräumen.
Den Verkauf der CDs durch eine Preissenkung anzukurbeln, hält der Phonoverband für unrealistisch. Bei einem derzeitigen Durchschnittpreis von 30 DM pro CD gebe es keinerlei Spielraum bei der Preisgestaltung nach unten. Vor allem die Abgaben an die Künstler als auch die Kosten im Marketing stiegen kontinuierlich. Zudem würde eine Plattenfirma im Durchschnitt nur mit einem von zehn Titeln Gewinn erwirtschaften.
Musik spielt nicht mehr die erste Geige
Ob das die Kunden letztendlich interessiert bleibt abzuwarten. Denn die Musikindustrie befindet sich nicht nur wegen Internet und CD-Brennern in Absatzschwierigkeiten. Sie konkurriert immer mehr mit der übrigen Freizeitindustrie um Zeit und Geld der Jugendlichen. Und die geben nach den jüngsten Konsumstudien zunehmend ihr Geld für Handys, Kino, Computerspiele und Trendsportarten aus.