Dollarzeichen in den Augen der Chefs
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Gierige Manager, gefälschte Zahlen - die Skandale haben einen simplen Grund: Aktienoptionen verführen zum Bilanzbetrug
von Robert von Heusinger
Die Serie der Bilanzskandale am amerikanischen Kapitalmarkt reißt nicht ab: Enron, Tyco und jetzt Worldcom. Die Manager der einstigen Wall-Street-Lieblinge haben frisiert und betrogen, was das Zeug hält, um ordentliche Gewinne vorweisen zu können. Worldcom ist der bislang krasseste Fall: Vier Milliarden Dollar Kosten wurden einfach als Investition gebucht. So machte man aus den roten Zahlen für 2001 noch schwarze. Verirrte Missetäter, schlimme Ausnahmen? Nein, die Methode hat System. Und es ist gar nicht so schwer, ihr auf die Schliche zu kommen. Die Manager der großen Konzerne werden mit Aktienoptionen bezahlt. Der Aktienkurs ist ihnen alles, er allein macht sie satt. 20 Millionen, 100 Millionen, ja sogar bis zu 700 Millionen Dollar haben die Stars der Wall Street in den Boomjahren eingestrichen.
Wofür? Bestimmt nicht für exzellente Managementleistung. Heute kollabieren ihre überschuldeten Unternehmen. Nein, sie haben sich als Showmaster geriert und der gierigen Masse der Aktionäre erzählt, was sie hören wollte. Märchen vom unendlichen Wachstum der Unternehmensgewinne, Märchen von Synergien bei Übernahmen, Märchen von einer schönen neuen Welt. Sie haben die Blase am Aktienmarkt aufgeblasen, sie haben geholfen, die Kurse weit über das fundamental gerechtfertigte Niveau hinauszutreiben, und sie haben dann und wann mit "kreativer Buchführung" zur Erfüllung der unhaltbaren Prognosen beigetragen. Es lag in ihrem Interesse. Am Ende der neunziger Jahre wurden den Vorständen dreimal so viele Aktienoptionen zugeteilt wie zu Beginn des Jahrzehnts. Und der Abstand zum Durchschnittsverdienst explodierte binnen 20 Jahren vom 80fachen auf das 500fache - Verhältnisse wie sie zuletzt um 1900 gemessen wurden.
Es ist diese unter "amerikanische Krankheit" firmierende Perversität, die Firmenkulturen zerstört und die allmählich ans Licht tretenden Skandale verschuldet. Leider ist die Krankheit ansteckend. Und so gibt es seit 1996 auch in deutschen Unternehmen Aktienoptionen. Von Jahr zu Jahr lassen sich die Manager von Telekom, Deutscher Bank und DaimlerChrysler mehr davon genehmigen. Als gäbe es die Erfahrungen aus den USA nicht, verbrämen Vorstandschefs wie Ron Sommer, Joe Ackermann und Jürgen Schrempp diese Form der Entlohnung noch immer als "wichtigen Leistungsanreiz".
Doch Sommer ist ein Fehler unterlaufen. Er und seine Vorstandskollegen verzichten ein Jahr auf Aktienoptionen als Teil ihrer Vergütung. Warum, könnte man fragen, beraubt sich das Management gerade jetzt, in der Krise, der Motivation? Warum verzichten die Vorstände auf den so wichtigen Leistungsanreiz Aktienoptionen? Muss man damit rechnen, dass die Führungskräfte jetzt weniger arbeiten, eher mal fünfe gerade sein lassen und ihr Talent lieber auf dem Golfplatz zeigen? Wohl kaum. Der Fehler liegt im impliziten Eingeständnis des Verzichtes: Aktienoptionen sind vor allem ein Instrument der schamlosen Bereicherung.
Die Rechtfertigung für diese Form der Vergütung war von Anfang an fadenscheinig: Den Managern sollten die Interessen der Aktionäre eingeimpft werden. Sie sollten wie die Besitzer des Unternehmens das Ziel hoher Aktienkurse verfolgen. Doch während die Aktionäre Kursverluste erleiden, entgeht den Vorständen bei fallenden Kursen nur potenzieller Gewinn. Das macht riskantere Strategien des Managements wahrscheinlich.
Aktienoptionen verleiten zu schlechter Geschäftspolitik. Die massive Schuldenaufnahme vieler amerikanischer High-Tech-Unternehmen, die am Rande des Abgrundes stehen oder schon pleite sind, lassen sich auch auf die falsche Vergütungsform zurückführen. Manager, die den Aktienkurs nicht durch Kapitalerhöhungen verwässern wollen, bevorzugen Schulden. Damit werden Übernahmen finanziert und eigene Aktien zurückgekauft, damit der Kurs der übrigen Aktien weiter steigt - zum Wohle der Manager. Fallen die Aktien, senken einige Chefs die Ausübungshürde ihrer Optionen, damit dennoch etwas für sie abfällt. Als erstes deutsches Unternehmen passte sich im vergangenen Jahr die Deutsche Bank der beliebten Unsitte in Amerika an.
Kritiker der Stock Options wie US-Notenbankpräsident Alan Greenspan oder der erfolgreiche Investor Warren Buffet machen sich für Transparenz stark. Sie verlangen, dass die Kosten der Optionen in der Gewinn- und Verlustrechnung der Unternehmen auftauchen. Das hätte Folgen: Um satte 13 Prozent wären die ausgewiesenen Gewinne der 500 größten US-Unternehmen im vergangenen Jahr niedriger ausgefallen. Der Chiphersteller Intel zum Beispiel hätte anstelle von 1,3 Milliarden tatsächlich nur 250 Millionen Dollar verdient.
Noch sträuben sich die Lobbys der Unternehmen in Europa wie den USA gegen neue Vorschriften. Die Chefs haben Angst, dass die Aktionäre auf die Barrikaden gehen, wenn sie merken, wie sehr die Optionsprogramme die Ertragskraft schmälern. In Deutschland treibt die Angst vor zu viel Offenheit seltsame Blüten: Die Unternehmenschef müssen den Aktionären noch nicht einmal den in Geld gemessenen Optionswert angeben. Sie dürfen - gerichtlich abgesichert - verheimlichen, was ihnen der Aufsichtsrat zugeschustert hat.
Das zeigt: Die Vorstände wissen genau um ihre Maßlosigkeit. Der Verzicht des Telekom-Vorstands auf Aktienoptionen ist ein Fanal. Jetzt sind die Fondsmanager und Aktionäre an der Reihe. Sie können den Unersättlichen das Handwerk legen. Sie müssen schlicht ihr Geld aus den Unternehmen abziehen, die sich der Transparenz verweigern. Noch besser wäre es, sie investierten nur noch in Firmen, die Aktienoptionen abschwören.
Die ZEIT
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GrußC4