Aktienmärkte 2002

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Happy End:

Aktienmärkte 2002

 
23.12.02 08:29
Das Jahr Drei der Baisse übertrifft alles

Enttäuschte Erwartungen, ein tiefer Vertrauensverlust und Kriegsängste reißen die Börsen in ihren größten Abschwung seit den zwanziger Jahren. Da interessiert es wenig, ob Aktien über- oder unterbewertet sind. Öl, Gold und Anleihen profitieren von vielen Sorgen.

DÜSSELDORF. „Ein Boden ist gefunden. Angesichts der schlechten Börsenentwicklung wächst die Hoffnung, dass es nur noch besser werden kann. Der starke Optimismus aus den vergangenen Jahren ist aber verflogen.“ So lassen sich die Prognosen der Analysten zusammenfassen – allerdings nicht für 2003, sondern für das jetzt zu Ende gehende Jahr.

Vermeintlich noch so stabile Böden waren 2002 nicht tragfähig genug, um an den Börsen die Ertragseinbrüche der Unternehmen aufzufangen. Überkapazitäten, geringe Nachfrage und hohe Schulden zwingen zu Rationalisierungen und bremsen Innovationen, die Ende der neunziger Jahre einen Ertragsboom zur Folge hatten. Neue Tiefstände lösten aber vor allem die schwere Vertrauenskrise gegenüber Analysten mit ihren viel zu positiven Anlageurteilen sowie die Bilanzskandale bei den amerikanischen Unternehmen Enron und Worldcom aus. Das Ansehen der Börsen wurde nachhaltig beschädigt. Als auch noch Ängste vor einem Krieg im Irak aufkamen, büßten alle großen Indizes in der Welt prozentual zweistellig und kräftiger als in den vorangegangenen zwei Verlustjahren ein.

Gewinner: Öl und Euro

Wie schon 2000 und 2001 standen auch 2002 dieselben Anlagekategorien auf der Gewinner- und Verliererseite. Erstmals seit 1941 schlugen Staatsanleihen das dritte Jahr in Folge Aktien. Diese büßten gemeinsam mit Unternehmensanleihen ein. Letzteren gelang es immerhin, sich von der trüben Entwicklung an den Aktienmärkten abzukoppeln. Seitdem vor allem die gebeutelten Telekomfirmen den Fokus auf Konsolidierung und Schuldenabbau legen, erholen sich viele Anleihen.

Gewinner waren Öl – der Preis stieg auf Grund der Kriegsängste seit Jahresbeginn um 50 % –, der Euro – er profitierte von einem schwächeren Dollar und immer größeren ökonomischen Ungleichgewichten in den USA (Seite 39) – und Gold. Das Edelmetall legte nach einem Plus von 10 % im letzten Jahr weitere 25 % zu und notiert so hoch wie vor knapp sechs Jahren. Es profitierte in erster Linie von der Flucht vieler Anleger in eine vermeintlich sicherere Anlage, verbunden mit der Risikoscheu gegenüber Aktien.

Diese durchleiden ihre größte Baisse seit den zwanziger Jahren. Allein bei den 500 größten börsennotierten US-Unternehmen wurden 2002 mehr als 2 Bill. $ Anlegergeld vernichtet. Die verbliebenen 8 Bill. $ entsprechen 78 % des amerikanischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) in diesem Jahr. In Deutschland sind die Relationen dramatischer: Der Deutsche Aktienindex (Dax) verlor 40 % an Anlagekapital. 300 Mrd. Euro wurden – zumindest vorübergehend – vernichtet. Die 30 größten deutschen Unternehmen sind nur noch 410 Mrd. Euro wert. Das macht 19 % des deutschen BIP aus. Auf dem Höhepunkt der Hausse im März 2000 waren die Firmen über 1 Bill. Euro oder mehr als 50 % des BIP wert.

Die Baisse nährt die Baisse

Die Börse geriet in eine Abwärtsspirale: Wegen der Verluste verkauften die Anleger, und es kam zu noch mehr Verlusten. In den USA ist das Vermögen der Privathaushalte jetzt so niedrig wie zuletzt 1995. Für die Hälfte des Rückgangs sind nach Angaben der US-Notenbank sinkende Aktienkurse verantwortlich. Ökonomen fürchten, dass ein Abschmelzen des Vermögens die Verbraucherausgaben, die zwei Drittel zur Wirtschaftskraft beitragen, künftig drosseln könnten. Geht das Szenario auf, dann nährt die Baisse sich selbst.

Das tat sie bereits in diesem Jahr. Die Sogwirkung der Devise „Raus aus Aktien!“ schlug sich dramatisch auf die Ergebnisse der Finanzhäuser nieder, die bis Ende der neunziger Jahre an Aktien kräftig verdient hatten. Im Herbst zogen immer mehr Versicherer die „Reißleine“: Sie sahen sich gezwungen, ihre Aktienbestände zu liquidieren, um die eigenen Bilanzen und Prämien der Versicherten nicht noch weiter zu gefährden. In einer wochenlang von Panik oder lähmendem Entsetzen gezeichneten Börse fiel der Dax am 9. Oktober bis auf 2 519, 30 Zähler. Erstmals in der Börsengeschichte notierte kein Dax- und M-Dax-Wert dreistellig. Über 70 % hatte das Börsenbarometer in zweieinhalb Jahren verloren. Als sich die Gerüchte um angebliche Banken-Pleiten in Deutschland überschlugen, holte die Finanzbranche, allen voran die Commerzbank, erfolgreich zum Gegenschlag aus und dementierte hartnäckig alle Spekulationen.

Trotz der anschließenden Erholung gehört der Dax unter allen Standardwerte-Indizes auf der Welt zu den größten Verlierern. Nur die Börsen in den wirtschaftspolitisch schwer gebeutelten Ländern Argentinien und Brasilien notieren etwas schwächer. Erstmals in der Geschichte beendet kein Dax-Titel das Jahr mit einem Gewinn. Selbst der viertbeste Wert, Altana, verliert mehr als 20 %. Fünf Aktien brechen um mehr als 50 % ein, Epcos und MLP sogar um mehr als 80 %.

Ursache für diese Misere ist die Zusammensetzung des Dax: Die vielen Banken und Technologie-Unternehmen litten stärker als traditionelle Firmen. Ölwerte, die anderen Indizes etwas Stabilität gaben, fehlen in Deutschland. Negativ wirkten auch die Verflechtungen der „Deutschland AG“: Finanzhäuser, die aus Sorge um ihre Bilanzen Aktien verkauften, warfen in erster Linie deutsche Titel auf den Markt – weil sie davon am meisten hatten. Diesen Schneeball-Effekt hielt niemand auf.

Ein paar nackte Zahlen machen Mut

Ausländische Großinvestoren machen um Deutschland einen immer größeren Bogen, wie Statistiken amerikanischer, britischer und japanischer Fonds zeigen. Sie verringern seit fünf Jahren den Anteil an deutschen Aktien ebenso kontinuierlich wie dramatisch. Die Gründe dafür waren spätestens im turbulenten Herbst auch außerhalb der Börse nicht mehr zu überhören: Deutschland vermittelt nach außen den Investoren ein schlechteres und verkrusteteres Bild als die übrigen Euro-Staaten.

Während der drohende Krieg im Irak die Börsen zum Jahresende erneut auf Talfahrt schickt, gibt es für das neue Jahr etwas Hoffnung. So erwarten Volkswirte – wie allerdings auch schon im letzten Jahr – einen Konjunkturaufschwung. An den Börsen stimmt die Statistik optimistisch, wonach der Dax noch nie vier Jahre hintereinander verloren hat. Dem Dow Jones war dies nur einmal, 1929 bis 1933, passiert.

Schließlich machen ein paar nackte Zahlen etwas Mut: Gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis, an der Dividendenrendite und im Vergleich zu Staatsanleihen sind deutsche Aktien nach dem 60 %igen Fall gegenüber März 2000 so bewertet wie Ende der achtziger Jahre. Damals notierte der Dax knapp über 1 000 Punkte. Internet-Aktien gab es noch nicht.
Happy End:

Renaissance der kleinen Werte

 
23.12.02 08:30
Der Niedergang der Blue Chips führte in diesem Jahr dazu, dass sich viele Investoren verstärkt Werte aus der zweiten und dritten Reihe ansahen. Lange vernachlässigte Aktien waren plötzlich wieder gefragt. Und wer die richtige Nase hatte, der konnte damit auch am Aktienmarkt sein Geld verdoppeln.

HB FRANKFURT/M. Die Zahlen zeigen ein eindeutiges Bild: Rund 40 Prozent hat der Deutsche Aktienindex in diesem Jahr an Wert verloren. „Nur“ 30 Prozent beträgt das Minus hingegen im MDax und im SDax. Die Werte aus der zweiten und dritten Reihe gerieten also weniger unter die Räder als die Blue Chips. Die Gründe dafür sind je nach Unternehmen vielschichtig, haben aber in der Summe sehr viel mit der starken Korrelation mit den US-Märkten zu tun. „Die bekamen zuletzt vor allem die Blue Chips zu spüren“, sagt Winfried Huthmann vom Fondsmanager Frankfurt-Trust. Da die kleineren Unternehmen aber weniger stark vom US-Geschäft, von Dollar und von amerikanischen Investoren abhängig sind, hielten sich die Verluste in etwas engeren Grenzen.

Ein Trend zeigte sich dabei: Wer in der zweiten Reihe investiert, orientiert sich weniger an der Benchmark, sondern sucht chancenreiche, bisher von der Masse unentdeckte oder vernachlässigte Werte. Als solcher galt lange Zeit die Puma-Aktie, die in diesem Jahr mit Einzug der Retro-Welle eine gewaltige Renaissance feierte. Wer zu Jahresbeginn bei den Franken einstieg, der darf sich über ein Zuwachs von 85 % freuen. Um diesen Aufstieg zu ahnen, genügte teilweise schon ein Blick auf seine Mitmenschen. Die Retro-Treter – einst Ausdruck tiefster Provinzialität – sind allgegenwärtig. Das grün-gelb-rote Kamerun-Trikot ist mit oder ohne Ärmel Kult und Serena Williams kommt im knappen Puma-Dress meist noch besser zur Geltung – oder umgekehrt.

So offensichtlich war der Erfolg der Schwarz Pharma-Aktie nicht zu erkennen. Die Entscheidung der amerikanischen Genehmigungsbehörde FDA, künftig ein Nachahmerprodukt zu Prilosec, dem Umsatzspitzenreiter im Bereich Magenmittel von Astra Zeneca, zuzulassen, ließ den Kurs von Schwarz Pharma seit Mitte Oktober explodieren. Mehr als verdoppelt hat sich die Aktie des Monheimer Familien-Unternehmens seither. Solche Zulassungsentscheidungen kommen für Anleger immer überraschend. Im Vorfeld deutete jedoch manches darauf hin: Der Patentstreit gegen Astra Zeneca wurde gewonnen. Und mit der Darmstädter Merck und dem US-Pharmakonzern Andrx hat Schwarz kooperiert.

Wie Schwarz Pharma finden sich im MDax noch einige Werte, bei denen Investoren noch vor einiger Zeit Kontinuität mit Langeweile gleich setzten. Inzwischen hat sich das Bild gewandelt. Längst herumgesprochen hat sich beispielsweise, dass Krones, Weltmarktführer für Getränkeabfüll- und Verpackungsautomaten, wohl auch in diesem Jahr zweistellige Zuwächse erzielen wird. Gleiches gilt für Leoni. Der Nürnberger Automobil-Zulieferer konnte in den ersten neun Monaten des Jahres seinen Gewinn zum Vorjahr mehr als verdoppeln. Ähnlich erfolgreich ist der bereits 130 Jahr alte Eisenbahnspezialist Vossloh aus dem sauerländischen Werdohl.

Und selbst am Neuen Markt gab es positive Ausnahmen. Hohe Gewinne konnten vor allem mit Aktien von Unternehmen erzielt werden, die nach schwerer Zeit die Rückkehr in die schwarzen Zahlen schafften. Die Liste geht von einigen bereits tot geglaubten Internet-Gesellschaften wie United Internet oder Web.de bis hin zu Software-Unternehmen wie Atoss oder Ixos. Wer Anlegern beweisen konnte, dass eingeleitete Restrukturierungsmaßnahmen auch greifen, war wieder gefragt. Bei vielen Unternehmen folgten jedoch den Worten keine Taten.  
Happy End:

Anleihen lassen Aktien alt aussehen

 
23.12.02 08:31
Sicherheit war im Anlagejahr 2002 Trumpf. Am besten schnitten folglich solide Staatsanleihen ab. Die Risikoaufschläge von Unternehmensanleihen stiegen gegenüber den Staatspapieren. Dennoch brachten auch Firmenbonds positive Gesamterträge. In die Miesen gerieten Anleger nur mit riskanten Junkbonds.

FRANKFURT/M. Im vergangenen Jahr kam wirklich alles anders, als Analysten im Vorfeld erwartet hatten. Nicht nur dass wider Erwarten Anleihen erneut Aktien schlugen. Unter den Festverzinslichen schnitten die oft als langweilig verrufenen Staatsanleihen am besten ab. Und unter den Unternehmensanleihen erwiesen sich die Anleihen von Telekomfirmen, die als die Favoriten unter den Firmenbonds gegolten hatten, als große Enttäuschung.

Die sich weltweit schlechter als erhofft entwickelnde Konjunktur und die Bilanzskandale von Unternehmen bescherten den sicheren Staatsanleihen regen Zufluss. Dazu kam die Angst vor einem Krieg gegen den Irak, die sich gerade in der vergangenen Woche manifestierte und so noch noch einmal für einen kräftigen Schub der Anleihekurse sorgte. Dementsprechend sank die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe, die als Benchmark für die Euro-Zone gilt, wieder an ihr Jahrestief von weniger als 4,30 %. Ende 2001 hatten Analysten im Schnitt erwartet, dass die zehnjährige Bundesanleihe Ende 2002 mit 5,05 % rentieren wird. Noch beeindruckender war die Entwicklung der amerikanischen Staatsanleihen. Die Rendite der richtungweisenden zehnjährigen Staatsanleihe sank im Oktober auf 3,57 %. Das war der tiefste Stand seit 1958.

Schlechter sah es dagegen bei Unternehmensanleihen aus – zumindest wenn man die Entwicklung ihrer Renditen mit denen der Staatsanleihen vergleicht. Diese Betrachtung ist vor allem für professionelle Investoren wichtig, die Anleihen nach dem Relative-Value-Ansatz auswählen und im Vergleich zu anderen Anlageformen bewerten. Die Renditeabstände (Spreads) von Unternehmensanleihen weiteten sich kontinuierlich gegenüber Staatspapieren aus, auch wenn sie am Jahresende von ihren Höchstständen wieder etwas heruntergekommen sind. Europäische Telekomanleihen etwa bieten derzeit eine im Schnitt um 1,7 Prozentpunkte höhere Rendite als Staatsbonds der Euro-Zone. Anfang 2002 lag der Spread bei nur 1,3 Punkten.

Noch dramatischer waren die Spread-Ausweitungen bei Unternehmenstiteln, die von den Ratingagenturen als spekulative Anlage – so genannte Junkbonds – eingestuft werden. Hier stiegen die Risikoaufschläge in den USA im Durchschnitt auf 8,6 Prozentpunkte. Dabei war es im Herbst zu dramatischen Ausweitungen gekommen, denen aber eine imponierende Rally folgte. In Europa war die Spread-Rally noch beeindruckender, hier liegen die Aufschläge mit jetzt noch 10,6 Prozentpunkten unter denen vom Jahresanfang.

Experten sehen es als gutes Zeichen, dass sich die meisten Unternehmensanleihen zuletzt von der Entwicklung der Aktien abkoppeln konnten.

Auch absolut betrachtet haben sich Festverzinslichen der Unternehmen wesentlich besser als die Aktienkurse entwickelt. So ist die durchschnittliche Rendite europäischer Industriebonds mit einem Investmentgrade-Rating nach Daten von Merrill Lynch von 5,6 % auf rund 5 % gesunken, nachdem sie im Juni ein Hoch von gut 6 % erreicht hatte.

Auch die Gesamterträge von Unternehmensanleihen – also Kursveränderungen plus Zinsen – sind durchweg positiv. Die geringeren Kurssteigerungen der Unternehmens- im Vergleich zu den Staatsanleihen werden dabei durch die höheren Zinsscheine der Firmenbonds ausgeglichen oder sogar überkompensiert. So brachten Staatsanleihen in der Euro-Zone einen Gesamtertrag von 8,9 %. Bei europäischen Telekombonds summierte sich der Gesamtertrag im Schnitt auf 8,1 %. Wirklich Verluste machten Anleger nur mit Junkbonds, da die Zahlungsausfälle in den Indizes berücksichtigt werden.

Dass ein Unternehmen seine Bonds nicht mehr bedienen kann, war 2002 nach Berechnungen der Ratingagentur Standard & Poor’s weltweit bei 222 Gesellschaften mit Anleihen über gut 157 Mrd. $ der Fall. Davon entfielen allein 31,9 Mrd. $ auf Worldcom. Unter den Staaten erklärte sich Argentinien Anfang des Jahres offiziell für zahlungsunfähig. Betroffen davon sind am internationalen Kapitalmarkt Eurobonds über rund 50 Mrd. $.

Bleiben die Emittenten solvent, brauchen sich Anleger, die Anleihen bis zum Ende der Laufzeit halten, indes nicht um Kursschwankungen zu kümmern. Denn sie bekommen ihr Kapital verzinst zum Nennwert zurück. Dabei richtet sich die Höhe der Rendite nach dem Zeitpunkt des Kaufs.
Happy End:

Das Jahr der Wahrheit für Unternehmen

 
23.12.02 08:33
Viele schwache oder überschuldete Unternehmen stürzten 2002 in die Pleite oder durchlaufen jetzt unter neuer Führung ein Sanierungsprogramm. Doch auch diese Krise kennt Gewinner. Ihre Erfolgsrezepte: Starke Marken, globale Präsenz, ein straffes Kostenmanagement und eine nachhaltige Portfolio-Politik. Ausgedient hat hingegen die Konzentration auf das Kerngeschäft als Dogma: Stark fokussierte Unternehmen erweisen sich als krisenanfälliger als breiter angelegte Konzerne.

In der Krise werden die Starken stärker: Nirgends hat die Realität diese Regel offensichtlicher bestätigt als in der Informations- und Kommunikationstechnologie.

Weltbekannte Anbieter und Börsenstars aus dem beispiellosen Boom der späten 90er-Jahre sind innerhalb von nur zwei Jahren vom Markt verschwunden oder in der Bedeutungslosigkeit versunken. Und das trifft beileibe nicht nur Start-ups, sondern auch klangvolle Namen wie den insolventen US-Telefonriesen Worldcom oder die Telekom-Ausrüster Lucent und Nortel.

Währenddessen ziehen die Marktführer einsam ihre Runden: Nokia strebt unaufhaltsam auf einen Marktanteil von 40 % zu und dominiert damit unangefochten den riesigen Weltmarkt für Mobiltelefone, während Ericsson trotz Bündnis mit Sony weiter Marktanteile verliert. Dell ist trotz der Fusion der mächtigen Konkurrenten Hewlett-Packard und Compaq dank des unschlagbaren Direktvertriebssystems der größte PC-Hersteller der Welt, Microsoft war nach dem Ende des Kartellverfahrens in den USA noch nie so stark wie heute, und auch SAP konnte gelassen zusehen, wie ein Herausforderer nach dem anderen verglühte.

Marktbereinigung ist noch lange nicht beendet

Letzten Endes hat so die Marktbereinigung eine stärkere Konzentration in der Technologiebranche bewirkt als die Fusionswelle der Boomjahre. Und diese Bereinigung ist noch lange nicht zu Ende.

Das gilt zweifellos auch für die Luftfahrtbranche, die von den Folgen der Terroranschläge des 11. September 2001 so hart getroffen wurde wie keine zweite. Mit Swissair, Sabena und United Airlines stellen die Fluggesellschaften einige der prominentesten Pleitefirmen der aktuellen Konjunkturflaute. Und es werden nicht die letzten bleiben, so viel zeichnet sich schon ab. Hier sind die Sieger die Unternehmen mit dem straffsten Kostenmanagement: Unter den etablierten Playern ist das die Lufthansa.

Spreu vom Weizen trennt sich

Auch in Branchen, in denen es nicht so brutal abwärts ging wie in der Informationstechnologie oder der Luftfahrt, trennt sich jetzt die Spreu vom Weizen. In der Autoindustrie zum Beispiel zählt mit Toyota ein Konzern zu den Gewinnern, der mit seiner Effizienz die Maßstäbe für die Branche setzt und sich auf Wachstum aus eigener Kraft konzentriert. Aber auch kleinere und mittelgroße Autohersteller wie BMW und Porsche gehen deutlich gestärkt aus der Flaute hervor – dank weltweit begehrter Markenprodukte. Dafür kämpfen Massenhersteller ums Überleben, die weder besonders effizient arbeiten, noch ein starkes Markenimage haben. Das aktuelle Beispiel dafür ist Fiat: Italiens größter Industriekonzern sucht verzweifelt den Ausweg aus einer Existenzkrise. Überhaupt erweist sich die Macht der Marke in allen konsumnahen Bereichen als ausschlaggebend.

Nicht umsonst ist der Sportartikelhersteller Adidas 2002 auf dem besten Wege, der Top-Performer in der ersten deutschen Börsen-Liga Dax zu werden. Die drei Streifen sind weltweit populär, und das immunisiert das weltweit vertretene Unternehmen aus der fränkischen Provinz gegen die Krise. Ähnlich hat die Hamburger Beiersdorf AG ihre Marken, allen voran Nivea, weltweit zum Begriff gemacht und sich damit als krisenfest erwiesen.

Selbst im leidgeprüften deutschen Handel ging es keineswegs im Gleichschritt bergab. Branchenprimus Metro steigerte gegen den Trend Umsatz und Gewinn und profitierte dabei von seinem hohen Auslandsgeschäft, während Hauptkonkurrent Karstadt-Quelle zurückfiel und mittelständische Händler wie Textilhandelsketten reihenweise aufgaben.

Auch die führenden Konsumgüterkonzerne Unilever, Procter & Gamble und Nestlé haben in der Krise Marktanteile gewonnen und ihre guten Renditen verteidigt. Ihr Erfolgsgeheimnis ist, dass sie ihre besten Marken pflegen und ihr Produktportfolio permanent bereinigen und ergänzen – und nicht erst, wenn die Krise schon da ist.

Eine kluge Portfolio-Politik und ein konsequentes Kostenmanagement sind auch die Stärken der BASF AG. Der Ludwigshafener Konzern ist einer der Jahresbesten im Dax und hat seine Führungsposition auf dem Chemie-Weltmarkt ausgebaut.

Langfristigkeit der Strategien

Was also verbindet die Gewinner des Krisenjahres 2002? Es ist vor allem die Langfristigkeit ihrer Strategien. Nachhaltige Kostenführerschaft, die Pflege der Marken, eine ständige Optimierung des Portfolios und eine konsequente Globalisierung des Geschäfts.

Nicht als pauschal anwendbares Erfolgsrezept bewährt hat sich hingegen die Konzentration auf das Kerngeschäft. Investmentbanker und Analysten haben diese Strategie jahrelang mit dogmatischem Eifer verfochten – nicht zuletzt aus eigenem Interesse. Für Konglomerate, die aus Tradition, Unbeweglichkeit oder politischen Gründen entstanden sind, hat sich der Weg der Fokussierung auch oft gelohnt. So beginnen Eon und RWE, von dem konsequenten Umbau zu internationalen Versorgungskonzernen zu profitieren, und haben zugleich eine sinnvolle Neuordnung der Ruhr-Industrie angestoßen.

Doch nicht für alle Konzerne hat diese Strategie gut funktioniert: Stark fokussierte Unternehmen erweisen sich als wesentlich anfälliger für konjunkturelle Schwankungen als Konzerne mit einem austarierten Portfolio von Geschäftsbereichen. Ein gutes Beispiel für die Vorteile des Mischkonzerns findet sich auch im Dax: Während der schwerfällige Tanker Siemens mit seinem Produktangebot von Handys bis zu Kraftwerken Konjunkturzyklen immer wieder intern ausgleichen kann, werden die unter dem Jubel der Kapitalmärkte vom Mutterschiff ausgesetzten Schnellboote Infineon und Epcos im gegenwärtigen Sturm gewaltig hin- und hergeworfen und liegen im Dax 2002 ganz am Ende.
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