Aktien viel zu billig ?

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Nassie:

Aktien viel zu billig ?

 
09.02.03 12:21

   
Die Angst treibt seltsame Blüten: Selbst fundamental gesunde Unternehmen werden an der Deutschen Börse mit Kursen wie Pleite- Kandidaten gehandelt. Klasse-Aktien gibt’s zu Spottpreisen
von Jens Castner /Euro am Sonntag

Uli Hoeneß, der Erfolgsmensch, hat nach eigener Aussage so viele Aktien im Depot wie nie zuvor. " Jetzt muss man Aktien kaufen. Nicht EM.TV bei 100 Euro, sondern Allianz bei 90 - das ist wichtig." Der Manager des FC Bayern München kauft fleißig. Und hat ein gutes Gefühl dabei. Sein Vorteil: Reichlich Abstand zur Frankfurter Investmentbanker-Szene. Denn dort findet der Weltuntergang statt. Aktienpakete werden zu DumpingPreisen verschleudert. Kriegsängste, schwacher Dollar und hoher Ölpreis machen den Börsenalltag zum Horror. Schlechte Nachrichten? Mehr davon! Dementis glaubt niemand. Rainer Küppers, Konzernsprecher der Münchener Rück, wiederholt gebetsmühlenartig, dass es keine Notwendigkeit gebe, an der Börse frisches Geld einzusammeln. Niemand hört zu, die Kurse markieren täglich neue Tiefs.

Zwar sind die Konjunktur-Aussichten für Deutschlands Volkswirtschaft tatsächlich eher trübe - die Stimmung ist aber noch viel trüber. Gute Nachrichten werden konsequent ignoriert. Beispiel Autoindustrie: "Wenn ich mit Analysten gesprochen habe, muss ich mir manchmal die Frage stellen, warum ich die Firma nicht dichtmache", sagte BMW-Vorstands-Chef Helmut Panke kürzlich im Gespräch mit der EURO-Redaktion. "Zum Glück sprechen die Verkaufszahlen eine andere Sprache." Seit der Trennung von Rover legt der bayerische Autobauer eine Rekordrunde nach der anderen hin. Und die Vorbestellungen für 7er-BMW, Mini und Rolls-Royce deuten darauf hin, dass die Nachfrage keineswegs abebbt.

BMW müsste, dem Kurs nach zu urteilen, tief in der Krise stecken. Trotz eines beachtlichen Umsatz-Zuwachses um 9,9 Prozent auf knapp 42,3 Milliarden Euro und der Ankündigung eines neuen Rekordgewinns notiert das Papier nur noch knapp über dem Niveau von 1998, als das Rover-Debakel seinen Höhepunkt erreichte.

Der Stuttgarter Konkurrenz geht es ähnlich. Vergangenen Donnerstag meldete DaimlerChrysler einen neuen Absatzrekord für die Marke Mercedes: 81100 Neuwagen mit dem Stern auf der Motorhaube verkauften die Schwaben im Januar. In den USA (plus vier Prozent) und in Japan (plus 15 Prozent) läuft das Geschäft wie mit Leichtlauföl geschmiert. Reaktion der Börse: Die Daimler-Aktie kostet heute weniger als 1995, als das Unternehmen einen Verlust von umgerechnet fast 1,5 Milliarden Euro einfuhr. 2002 erwirtschaftete der Konzern einen Überschuss von 3,3 Milliarden Euro, im laufenden Jahr sollen es Analysten-Schätzungen zufolge rund vier Milliarden werden. Mit Dividenden-Renditen von fünf Prozent (DaimlerChrysler) und drei Prozent (BMW-Vorzugsaktie) sind beide Werte inzwischen auch für Anleger interessant, die wegen des niedrigen Zinsniveaus Alternativen zu Festgeldanlagen suchen.

Selbst hartgesottene Skeptiker raten jetzt zum Einstieg. So auch Max Otte, "Börsen-Professor" in Worms und Würzburg und eigentlich kein Freund zyklischer Branchen: "Selbst wenn der schwache Dollar-Kurs und eine anhaltende Wirtschaftsflaute die Gewinne halbieren würden, haben BMW und DaimlerChrysler genug Substanz, um langfristig deutlich höhere Kurse zu rechtfertigen." DaimlerChrysler notiert unter dem Buchwert, den Analysten auf 35 bis 40 Euro je Anteilschein schätzen, bei BMW liegt die Vorzugsaktie (aktueller Kurs: 17,71 Euro) knapp unter dem Buchwert von 18 bis 21 Euro.

Aber billig ist noch lange nicht gleich billig. Ottes so genannte Königs-Strategie (siehe Interview), mit der der Professor 2002 immerhin 16 Prozent besser als der DAX abschnitt, orientiert sich an der Gewinndynamik. Wer dieser Linie folgen will, müsste eigentlich BMW bevorzugen: "Hohe Dividenden sind nicht unbedingt ein Qualitätsmerkmal", sagt der Experte. "Sie deuten vielmehr darauf hin, dass das Unternehmen das Geld nicht für weiteres Wachstum benötigt."

Auf seiner Liste der zehn DauerFlops, mit der Otte im November 2002 die deutsche Börsenlandschaft in Unruhe versetzte, sind auch Aktien mit ansehnlichen Dividenden-Renditen wie TUI (6,58 Prozent), MAN (4,56 Prozent) oder ThyssenKrupp (4,06 Prozent). Ottes Schwarze Liste macht nicht Halt vor großen Namen: Bayer, Commerzbank, Deutsche Post, Deutsche Telekom, HVB Group, Infineon und Siemens seien Investments, die langfristig orientierte Anleger meiden sollten.

Auf Sicht von 20 Jahren zumindest behält Otte Recht. Die besten DAX-Werte der vergangenen beiden Jahrzehnte waren trotz der jüngsten Kurs-einbrüche Allianz, Altana, BMW, Münchener Rück und Schering.

In der Weltuntergangsstimmung wird nicht differenziert. Beispiel Altana und Schering. Beide Pharma-Unternehmen liefern kontinuierliche Ertrags- und Dividenden-Steigerungen. Zwar leiden beide unter dem schwachen Dollar. Sie werden aber - wie die Autobauer auch - bewertet, als stünde weit größeres Ungemach bevor. Fundamental sind beide Aktien eine Spekulation wert, aus charttechnischer Sicht ist bei Altana allerdings das Rückschlagspotenzial noch nicht gänzlich ausgeschöpft. Schering dagegen ist bereits am Boden. Die Aktie notiert auf dem Niveau von 1997, während Altana noch um gut 50 Prozent darüber liegt. "Schering ist einer der billigsten Healthcare-Werte der Welt", sagt Dieter Thomaschowski, Analyst der Investmentgesellschaft Da Vinci Asset Management, "im Vergleich beispielsweise zum Konkurrenten Serono ein echtes Schnäppchen." Das Brot- und Buttergeschäft der Berliner sind Hormonpräparate, vor allem Anti-Baby-Pillen. Die sind nicht nur unabhängig von der Konjunktur, sondern werden in vielen Ländern auch gegen Akne eingesetzt - auf Krankenschein. Für zusätzliche Phantasie sorgen Medikamente gegen Multiple Sklerose und Krebs. "Das Unternehmen ist so billig, da würde es mich nicht wundern, wenn irgendwann ein Übernahmeangebot käme", sagt Thomaschowski.

Bei den Versicherern, die wegen ihrer umfangreichen Beteiligungen zuletzt stark unter die Räder kamen, sind Übernahmen wegen des immer noch hohen Börsenwertes zwar eher unwahrscheinlich. Doch auch sie könnten zu den Top-Gewinnern des nächsten Börsenaufschwungs gehören. Bis dahin ist es allerdings ein langer und steiniger Weg: Die Allianz hat an der Übernahme der Dresdner Bank zu knabbern, der Münchener Rück (Otte: "In seiner Branche das beste Unternehmen der Welt") machen die Engagements bei der HypoVereinsbank und der Commerzbank zu schaffen. Da Commerzbank-Chef Klaus-Peter Müller die Spekulationen um eine Fusion mit der HypoVereinsbank für beendet erklärte, stürzte die Münchener Rück wegen ihrer beiden Sorgenkinder auf ein neues Sechs-Jahres-Tief.

Für Langfristanleger ein Fest: Mit einem KGV von sieben und einem Rückversicherungsgeschäft, das nach Angaben von Konzernsprecher Küppers seit den Anschlägen vom 11. September 2001 regelrecht boomt, bietet die Aktie auf Sicht von drei bis fünf Jahren enormes Erholungspotenzial. Allerdings sollten Anleger scheibchenweise investieren: Wenn der Kurs im Zuge von Irak-Panik und schlechten Nachrichten aus der Bankenbranche weiter fallen sollte, ist es kein Fehler, Geld in der Tasche zu haben, um die Position bei Kursen um die 60 Euro weiter aufzustocken.

Denn: Wie tief der Markt noch fällt, ist kaum vorhersehbar. Die Zahlen aus dem Bankensektor verheißen nichts Gutes. Die Commerzbank meldete für 2002 einen Verlust von 298 Millionen Euro. Branchenprimus Deutsche Bank konnte den Gewinn zwar auf 3,5 Milliarden Euro verdoppeln, aber nur durch Beteiligungsverkäufe. Im operativen Geschäft verfehlte sie dagegen deutlich die Erwartungen. Einziger Lichtblick in der Finanzbranche ist die Deutsche Börse selbst. Vor Steuern und Zinsen verdiente der DAX-Neuling 2002 mindestens 350 Millionen Euro - 30 Millionen mehr als ursprünglich prognostiziert. Und auch im kommenden Jahr will Vorstands-Chef Werner Seifert den Gewinn um mindestens zehn Prozent steigern. Auch wenn’s im Moment nicht danach aussieht: Immer mehr Deutsche sorgen mit Aktien oder Fonds fürs Alter vor, die Börse ist ein Wachstumsmarkt. Das hat auch Fußball-Manager Uli Hoeneß erkannt. Es wäre nicht das erste Mal, dass der Bayern-Manager billig einkauft und sehr teuer verkauft.
 
-red-

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