Auch Agiv prüft Immobiliengeschäfte der HSH-Chefs
Turbulente Hauptversammlung in Hamburg - Aktionärsvertreter droht mit Anfechtungsklage gegen Beschlüsse zum Neuanfang
von Gisela Schütte
Der Appell auf einen friedfertigen Umgang hielt nur wenige Minuten. Dann wurde es turbulent auf der außerordentlichen Hauptversammlung der Agiv Real Estate AG im Ballsaal des Hotels Inter-Continental. Der Zorn der Anleger über Millionenverluste entzündete sich schon an der Tagesordnung. Und der Versuch des Aufsichtsratsvorsitzenden und Leiters der Versammlung, Helge Kolaschnik, die Emotionen zu dämpfen und nach Plan zu handeln, wurden als Mißachtung der Aktionärsinteressen und Arroganz gewertet, die Abwahl gefordert. Vergebens. Da waren bereits über drei Stunden vergangen.
Auch Vorstandschef Franz Ditterich bemühte sich, die desaströse Lage des Unternehmens nüchtern zu schildern, den Aktionären einen Silberstreif am Horizont zu versprechen und den Ärger zu würdigen: " Es wurden ihnen glänzende Perspektiven aufgezeigt, einer der größten deutschen Immobilienkonzerne sollte entstehen, der auf jeder Ebene der gesamten Wertschöpfungskette der Immobilien Geld verdient. Statt dessen sehen wir nun der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entgegen." Als Ditterich allerdings die Lage mit der Geschichte vom Fischer und seiner Frau illustrierte, die vom Schloß träumten und in einer Hütte endeten, gab es Protest: " Wir wollen keine Märchen!"
Dabei winkte Ditterich mit der Chance, wenigstens einen Rest des Geldes durch Abwertung der Aktien im Verhältnis eins zu vier und Wiederaufstockung des Grundkapitals durch mindestens elf Millionen Vorzugsaktien auf bis zu 63,3 Millionen Euro zu retten. Auch die Restaktien könnten dann durch eine erfolgreiche Geschäftstätigkeit wieder an Wert gewinnen. Diese Rettung wenigstens von Resten des Kapitals liegt vor allem im Interesse der Großaktionäre, darunter die Familie Knapp Voith und Banken. Und für den Neubeginn, plädierte Ditterich, gebe es deshalb Chancen, weil im Laufe des Insolvenzplanverfahrens, das bei Zustimmung aller Beteiligten Ende Februar bis Anfang März beginnen könnte, die Gesellschaft der finanziellen Altlasten entledigt und damit für neue Geldgeber wieder attraktiv wäre. Als Ursachen für den Zusammenbruch beschrieb Ditterich eine Reihe von Mietgarantien und Gewährleistungen, die die neue Agiv aus der Verschmelzung der alten Agiv mit der HBAG Real Estate mitbrachte und versprach eine detaillierte rechtliche Prüfung. " Ohne den Ergebnissen dieser Prüfungen vorgreifen zu wollen, kann ich ihnen versichern, daß wir die Möglichkeit einer Haftung früherer Organe auf beiden Seiten bis in die Zeit vor der Verschmelzung untersuchen." Über die rechtliche Haltbarkeit etwaiger Ansprüche könne allerdings noch nicht entschieden werden. Eine Prüfung kündigte Ditterich auch im Hinblick auf umstrittene Millionengeschäfte von HSH Nordbank-Chef Alexander Stuhlmann und seinem Vorstandskollegen Peter Rieck mit Agiv-Immobilien an.
Im Saal eskalierte der Streit unterdessen weiter über die Tagesordnung. Die Aktionärsvertreter Manfred Klein und Karl Walter Freitag wollten nicht über die Herabsetzung des Grundkapitals und die anschließende Erhöhung des herabgesetzten Grundkapitals abstimmen, ohne die Zahlen der Geschäftstätigkeit im Unternehmen zu kennen. Die letzte Bilanz datiert aus dem Jahr 2002. Für 2003 und 2004 gibt es keine testierten Geschäftsberichte. " Wenigstens vorläufige Berichte oder Entwürfe" , insistierte Freitag, wolle er sehen. Die vorhandenen Zahlen, konterte Kolaschnik kühl, seien durch den Insolvenzantrag vom 14. Dezember 2004 überholt.
Und auch am Ende blieb der Graben zwischen Vorstand und Kleinaktionären. Die getroffenen Beschlüsse für den Neuanfang können durch Kleinaktionäre noch immer gekippt werden. Der Frankfurter Anwalt Horst Schlüchter hat schon einmal eine Sonderprüfung gefordert und droht mit einer Anfechtungsklage gegen die Beschlüsse. Seine Kritik zielt nicht nur auf einzelne Immobiliengeschäfte von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern. Er stellt auch die Rechtmäßigkeit einer Zahlung von 271 Millionen Euro an eine frühere Großaktionärin der Agiv (alt), die ING BHF-Bank im Zusammenhang mit der Verschmelzung in Frage. " Mit diesem Geld" , so Schlüchter, " wäre das Unternehmen heute kerngesund" .
Artikel erschienen am Sam, 5. Februar 2005
www.welt.de/data/2005/02/05/458743.html